Abfahrts-Gold dank Planänderung Herrn Svindals Gespür für Schnee
15.02.2018, 14:09 Uhr
Feingefühl und Urgewalt: Aksel Lund Svindal rast mit Erfahrung zum Olympiasieg.
(Foto: AP)
Er ist der erste norwegische Abfahrts-Olympiasieger - und gleichzeitig der älteste der Geschichte: Aksel Lund Svindal krönt seine überragende Karriere in seinem vorletzten olympischen Rennen. Jetzt bleibt ihm nur noch ein Ziel.
Der Pauschalverdächtige der vergangenen Tage war diesmal unschuldig. "Wind", sagte der Italiener Peter Fill, "nein, Wind hatten wir nicht." Komische Frage eigentlich auch an einem Tag, an dem die Sonne vom Himmel brannte, als das Thermometer die Null deutlich knackte und jede einzelne Fahne geschafft von den vergangenen Tagen am Mast schlaffte. Und doch wirkte es so, als sei beinahe die gesamte Weltelite der Abfahrer auf der olympischen Strecke in Jeongseon verblasen worden. Irgendwo zwischen der dritten und der vierten Zeitnahme, wo der Norweger Aksel Lund Svindal jedes "Duell" vorentscheidend zu seinen Gunsten gedreht hatte. Bis zum Olympiasieg, dem ersten norwegischen in der Geschichte der Winterspiele seit 1924.
"Vielleicht ist's ja einfach die technische Überlegenheit", urteilte der frustrierte Fill, der als Sechster doch eigentlich ein gutes Rennen gefahren hatte. Aber bei Winterspielen zählen gute Rennen nunmal nicht, es geht nur um den Sieg. Und um Silber und Bronze. Diese Medaillen erfuhren sich mit Kjetil Jansrud, ebenfalls ein Norweger, und Beat Feuz aus der Schweiz zwei weitere Top-Fahrer der Saison. "Ein nicht überraschendes Podium", sagte Thomas Dreßen.
Der Deutsche war in der Abfahrt als Erster auf die Strecke gegangen. Wie schon in der Kombination, wo er die Teildisziplin gewonnen hatte. Eigentlich also keine schlechte Sache, wie er vor dem Start fand. Doch im Ziel war er sich nicht mehr so sicher. "Ich bin nie in Bedrängnis gekommen. Alles ist sich immer locker ausgegangen. Das ist nie ein gutes Zeichen. Entweder hattest du eine zu weite Linie oder bist zu wenig Risiko gegangen." Der 24-Jährige hatte den Plan umgesetzt, den er sich mit seinen Coaches im Training erarbeitet hatte.
"Der Schnee war nicht mehr so aggressiv"
Drei Trainingseinheiten hatte es am Berg Gariwang gegeben. Drei Einheiten bei sehr eisigen Temperaturen. Die letzte am Samstag, einen Tag vor dem ursprünglich geplanten Start. Doch dann kamen heftiger Wind und deutlich mildere Temperaturen. Die Bedingungen änderten sich radikal. "Der Schnee war nicht mehr so aggressiv", erklärte Dreßen, der Fünfter wurde. "Du konntest plötzlich härter fahren, frecher." Eine saubere Linie, die auf dieser Abfahrt mehr denn anderswo als Schlüssel gelten sollte, weil es der Strecke an den klassischen Kriterien Steilhang oder Gleitstück fehlt, war plötzlich nicht mehr entscheidet. "Es ist immer schwer den Plan zu ändern. Nachher bist' halt g'scheiter." Oder einfach erfahrener. So wie Feuz (31), Jansrud (32) oder eben Svindal.
Der 35-jährige Norweger nämlich passte seinen Plan an. Er ließ den Ski laufen, investierte weniger in die saubere Linie, als ins Tempo. Bei den Zwischenzeiten drei, vier und fünf war er immer nah am Tagestopspeed, trotz teilweise weiten Schlenkern zwischen den Toren. Der Unterschied gegenüber Jansrud (+0,12) und Feuz (+0,18). "Kjetil und Beat waren im oberen Teil super unterwegs. Ich hatte unten eine fantastische Fahrt", erklärte der neue Olympiasieger. Tatsächlich war Jansrud zwischenzeitlich eine halbe Sekunde schneller unterwegs als Svindal. Runterbringen konnte er das nicht. Ihm fehlte das Gefühl.
"Ich habe Kitzbühel noch nicht gewonnen"
In Pyeongchang war der von zahlreichen Verletzungen immer wieder umgeworfene Svindal ein letztes Mal angetreten, um eben jenen Titel zu holen, der ihm noch fehlte. Seit 2006, seit Turin ist er dabei, hat in Vancouver 2010 Gold im Super G abgeräumt, Silber in der Abfahrt und Bronze im Riesenslalom. In Sotschi ging er gänzlich leer aus. Eine echte Enttäuschung. "Es sind meine letzten olympischen Spiele. Es jetzt geschafft zu haben, ist richtig cool. Für mich ist es aber auch der Anfang vom Ende." Vom Ende der Karriere, die als Dreijähriger mit den Eltern und den Großeltern in den Bergen rund um Geilo begann.
Eine gute Zeit sei das doch nun, fand ein österreichischer Journalist, mal Bilanz zu ziehen. Er stellte Svindal, der morgen im Super G, seinem letzten olympischen Rennen, erneut zu den Favoriten gehört, die fast schon philosophische Frage der Karriere-Vollendung durch das Abfahrts-Gold. Der Norweger musste lachen. "Das fragst du mich als Österreicher? Ich habe Kitzbühel noch nicht gewonnen, wie kann meine Karriere da vollendet sein?"
Quelle: ntv.de