Mihambo: "Es war zu viel" Riskanter Medaillenkampf: Corona haut Leichtathletik-Stars um
09.08.2024, 07:56 Uhr
Helfer stützten den geschwächten Noah Lyles.
(Foto: REUTERS)
Der Donnerstag bietet bei den Olympischen Spielen die große Leichtathletik-Show: Sprintstar Noah Lyles ist am Start, ebenfalls die Weitspringerin Malaika Mihambo. Sie kämpfen um Gold - und mit der Gesundheit. Der Abend endet für beide vorübergehend im Rollstuhl.
Am Ende eines großen Leichtathletikabends bleiben bittere Bilder hängen. Die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo wird nach ihrem hart erkämpften Silber in der Grube bei den Olympischen Spielen im Rollstuhl aus der Arena gebracht. Ähnlich ergeht es dem amerikanischen Showman und Supersprinter Noah Lyles, auch er wird nach der gewonnenen Bronzemedaille über die 200 Meter von Helfern aus dem Stimmungstempel Stade de France gebracht. Beiden Top-Athleten hat das Coronavirus zugesetzt. Lyles war mit einer Infektion am Start, die 30 Jahre alte Deutsche kämpfte dagegen noch immer mit den Nachwirkungen.
Für den extrovertierten Amerikaner, der auf seiner Paradestrecke unbedingt Gold gewinnen wollte, hat der gesundheitliche Leichtsinn nun offenbar bittere Folgen. "Ich glaube, dass dies das Ende meiner Olympischen Spiele 2024 sein wird", schrieb der 27-Jährige bei Instagram. Ursprünglich wollte Lyles am heutigen Abend noch mit der 4x100-Meter-Staffel um eine weitere Medaille laufen, auch für die Staffel über 4x400 -Meter am morgigen Samstag war er vorgesehen. Aber daraus wird wohl nichts. Er verlässt die Bühne mit Gold im knappsten 100-Meter-Rennen der Geschichte und nun eben Bronze über die doppelte Distanz.
"Ihr müsst zugeben, dass ihr zugesehen habt, nicht wahr?"
"Es sind nicht die Spiele, die ich mir erträumt habe, aber ich habe so viel Freude in meinem Herzen", schrieb Lyles bei Instagram: "Ich hoffe, dass alle die Show genossen haben. Ob ihr nun für oder gegen mich Stimmung gemacht habt, ihr müsst zugeben, dass ihr zugesehen habt, nicht wahr?" Seine einmalige Quadruple-Gold-Mission scheiterte nun vorzeitig. Letsile Tebogo und Kenneth Bednarek (ebenfalls USA) waren am Vorabend über 200 Meter schneller. Der Sieger aus Botswana sprintete bei leichtem Rückenwind in 19,46 Sekunden ins Ziel und ist damit der fünftbeste Läufer der Geschichte auf dieser Strecke. Nach dem Rennen wurde Lyles völlig erschöpft mit einem Rollstuhl aus der Arena gebracht, im Callroom hatte er zuvor bereits Maske getragen.
"Ich bin früh aufgewacht, so gegen 5 Uhr am Dienstag, und habe mich wirklich schrecklich gefühlt", sagte Lyles bei NBC: "Ich wusste, dass es mehr war als nur ein Muskelkater von den 100 Metern. Wir weckten die Ärzte und machten einen Test, der leider ergab, dass ich positiv auf Corona reagierte. Das hat seinen Tribut gefordert, ganz sicher." Er habe dennoch unbedingt laufen wollen. "Sie haben gesagt, das ist unmöglich", erzählte Lyles. Seine Zeit von 19,70 Sekunden war so gesehen noch überaus respektabel, auch wenn sie fast vier Zehntelsekunden von seiner Bestzeit entfernt war.
"Nach der Ehrenrunde habe ich keine Luft bekommen"
Der US-Verband hatte den Start genehmigt und war seit dem positiven Test einem Corona-Protokoll gefolgt. "Es hat mich definitiv beeinflusst, aber ehrlich gesagt bin ich so stolz wie irgendwas auf mich, dass ich rausgegangen bin und mit Corona die Bronzemedaille geholt habe", sagte Lyles.
Ähnlich erging es Mihambo. Die Folgen der Corona-Infektion, die sie schon beim zweiten EM-Titel in Rom vor zwei Monaten gespürt hatte, brachten sie diesmal an ihre körperlichen Grenzen und lösten einen Reizhusten-Anfall aus. "Nach der Ehrenrunde habe ich wirklich keine Luft bekommen, es war zu viel", berichtete sie. "Seit Corona meine Lungen erwischt hat, brauche ich mehr Zeit zur Erholung. Mir fehlt die Luft nach dem Wettkampf."
Umso größer war auch ihr Stolz über das Erreichte, auch wenn sie Gold der amerikanischen Mitfavoritin Tara Davis-Woodhall überlassen musste. Die WM-Zweite sprang mit 7,10 Metern zwölf Zentimeter weiter. Wahnsinnig stolz zeigte sich Mihambo nach dem Wettkampf mit erstmals sechs Sprüngen seit dem Europameistertitel: "Das muss erstmal jemand schaffen, so gehandicapt an den Start zu gehen und da noch eine Silbermedaille rauszuholen." Ihr Trainer Ulli Knapp unterstrich: "Malaika hat Silber gewonnen und nicht Gold verloren."
"Ich fühle mich noch müde und erschöpft"
Der Donnerstagabend in Saint-Denis im Norden von Paris wies große Parallelen zu den Europameisterschaften vor zwei Jahren in München auf. Auch dort hatte sich die kampfstarke Athletin nach einer Corona-Infektion Silber gesichert, auch dort ging nach dem Wettkampf nichts mehr. Mihambo sprach von einer Grenzerfahrung.
"In den letzten zwei Wochen hatte ich Probleme mit meiner Lunge. Ich habe angefangen zu husten", sagte Mihambo. Sie habe nachts deswegen kaum schlafen können. Schon beim Gewinn des EM-Titels in Rom Anfang Juni hatte sie die Folgen der nächsten Infektion gespürt und danach pausieren müssen. "Ich fühle mich noch müde und erschöpft", sagte sie nach dem wichtigsten Wettkampf in dieser Saison. Immerhin ging es ihr besser, sodass sie sich heute um 10 Uhr wie der sechstplatzierte Speerwerfer Julian Weber im Deutschen Haus in Paris noch einmal äußern will.
Mehr als 40 Corona-Fälle in Australiens Team
Corona, das noch vor nicht allzu langer Zeit den Alltag massiv beeinflusst hatte und plötzlich kaum noch Thema war, kehrte bei diesen Spielen in den Fokus zurück. Im australischen Olympia-Team hatte es bereits mehr als 40 Corona-Infektionen oder andere Atemwegserkrankungen gegeben. Dies hatten Australiens Schwimm-Cheftrainer Rohan Taylor und Teamärztin Carolyn Broderick laut der australischen Agentur AAP berichtet. Zu den Erkrankten gehörten auch einige Mitglieder des Schwimm-Teams wie der Olympia-Zweite über 200 Meter Brust, Zac Stubblety-Cook. Laut Rohan hätten einige australische Athletinnen und Athleten trotz eines positiven Covid-Tests an den Wettkämpfen teilgenommen, andere verzichteten auf ihren Start.
Innerhalb des australischen Olympia-Teams sind laut Teamchefin Anna Meares im olympischen Dorf zwei PCR-Testgeräte zum Einsatz gekommen, um schnell auf Corona reagieren zu können. Nach Angaben von Teamärztin Broderick wurden bis zum Montag insgesamt 84 PCR-Tests durchgeführt, etwa die Hälfte fiel positiv aus.
Auch im deutschen Team hatte es zuvor prominente Corona-Fälle gegeben. Zehnkämpfer Manuel Eitel musste seinen Start absagen, was für ihn "einer der schlimmsten Tage meines Lebens" war. Für die Sportlerinnen und Sportler hatte es entsprechende Schutzvorgaben gegeben. Im Flugzeug würden sie wieder Maske tragen, die gewohnten Routinen aus der Corona-Zeit habe man aufleben lassen, sagte Sportvorstand Jörg Bügner.
Nach dem Corona-Schreck um Eitel fühlte das Leichtathletik-Team mit dem niedergeschlagenen Kollegen und war nochmal gewarnt. "Es zerbricht einem als Sportler das Herz. Ich habe eine Gänsehaut gehabt, weil ich so viel Glück hatte und rechtzeitig gesund geworden bin", sagte Sprinterin Gina Lückenkemper. Sie hatte im Vorfeld der Spiele selbst eine Corona-Infektion publik gemacht.
Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid