Wahnwitz bei Olympia Turn-Wunder Biles verschiebt die Grenzen

Sie setzt neue Maßstäbe: Simone Biles überragt im Turnen.

Sie setzt neue Maßstäbe: Simone Biles überragt im Turnen.

(Foto: REUTERS)

Ohne Olympia-Medaille fährt Simone Biles zu den Spielen nach Rio, aber mit dem Ruf: Besser als die Amerikanerin war noch keine Turnerin. In einem spektakulären Mehrkampf-Finale beweist das Bewegungswunder: Das stimmt.

Die Frage musste kommen, und sie kam ziemlich früh: Was bitte hält Simone Biles von der Debatte, die ihren Sport gerade sehr bewegt: Der Debatte darüber, ob sie - Simone Biles, 19 Jahre alt und in Rio de Janeiro erstmals bei Olympischen Spielen am Start - schon jetzt die größte Turnerin aller Zeiten sei? Nun, Biles zeigte ihr markantes Lächeln, um den Hals ihr erstes olympisches Einzelgold: Die einen sagen so, die anderen so. Sie selbst halte sich "da raus. Es ist wie es ist". Als ihre US-Teamkollegin Alexandra Raisman neben ihr auf dem Pressepodium kopfschüttelnd intervenierte, schob Biles nach: "Ich mache einfach mein Turnen."

Mit einer Größe von nur 1,45 Meter schwebt Biles über den Balken.

Mit einer Größe von nur 1,45 Meter schwebt Biles über den Balken.

(Foto: REUTERS)

Ihr Turnen allerdings ist im Moment der neue Maßstab in ihrem Sport und die Diskussion, ob Biles schon jetzt besser ist als die als lange unerreichbar geltende Nadia Comaneci, ist eine ganz ernsthafte. Comaneci hatte 1976 in Montreal nach dem alten Wertungssystem das Unmögliche geschafft, die als unerreichbar geltende Note von 10,0. 40 Jahre später ist es Biles, die bei ihrem Olympia-Debüt die Grenzen im neuen Turnen verschieben wird, das mit dem aus Comanecis Zeiten kaum vergleichbar ist: Mehr geprägt von Kraft und Athletik als Ästhetik und Anmutung, wie gemacht für das 1,45 Meter kleine Sprung- und Bewegungswunder Simone Biles.

Ihre Spiele? Ihre Spiele!

Ihr hatte ein Heer von Experten prophezeit: Ihre ersten olympischen Spiele in Rio, das werden ihre Spiele. Die Spiele der Simone Biles. Fünfmal Gold, mindestens. Es wäre genauso ein Rekord im Frauenturnen wie es ihre bislang zehn WM-Titel sind. Bestmarken, die nicht einmal die große Comaneci geschafft hat. Dass die ihr auf Twitter folgt und sie regelmäßig retweetet, findet Biles allerdings "sehr cool".

Ziemlich cool war auch, was Biles in ihrem ersten olympischen Einzelwettkampf zeigte. Alle Experten und Aushilfsorakel können erstmal durchatmen. Denn Biles toppte ihre Gala vom Mannschaftserfolg mit dem US-Team noch einmal. Wie kurz darauf das absurde Rugby-Endspiel zwischen Fidschi und Großbritannien wurde der "Wettkampf" zur olympischen Krönungsmesse für den Favoriten.

Dass es am Ende der Spiele nicht fünfmal Olympia-Gold für Biles werden könnte, war angesichts ihrer Allrounddominanz schon vor den Spielen schwer vorstellbar. Seit Donnerstagabend ist es unvorstellbar, denn mit wahnwitzigen 62,198 Punkten gewann Biles ihre erste olympische Einzelmedaille nicht einfach. Sie spektakelte sich vor einem entrückten Publikum mit Bestnoten am Sprung (15,866), Schwebebalken (15,433) und Boden (15,933) zu Gold. Fast ohne Wackler, gewohnt furchtlos, dafür mit strahlendem Lachen nach der punktgenauen Landung. Nur am Stufenbarren (14,966) begnügte sie sich mit der siebtbesten Punktzahl des Wettbewerbs, der ja gar keiner war.

Biles brilliert mit "The Biles"

Biles' Landsfrau Raisman (60,098) und die Russin Aliya Mustafina (58,665) durften sich trotz Silber und Bronze deklassiert fühlen. In ihrer finalen Übung am Boden, neben dem Schwebebalken ihre Paradedisziplin, hätten Biles 13,833 Punkte zu Gold gereicht, ein für sie geradezu lächerlicher Wert. Biles schrammte für ihre fast perfekte Darbietung inklusive des von ihr kreierten und "The Biles" genannten Doppelsaltos mit halber Drehung nur hauchdünn an 16 Punkten vorbei. Die Bodenmatte wurde zur Bühne, das Publikum zu enthemmten Claqueuren, Turnen zum Spektakel.

Als Biles anschließend ihrer Trainerin Aimee Boorman in die Arme fiel, ihrer Teamkollegin Aly Raisman, eigentlich allen, war sie auf einmal nicht mehr der spektakuläre Turnroboter Simone Biles. Sie war ein aufgeregter, aufgelöster Teenager, der gleichzeitig lachte und weinte. "Alles stürzte auf einmal auf mich ein und ich habe realisiert, ich habe gewonnen. Ich war einfach so aufgeregt", versuchte Biles später ihre Gefühle zu sortieren. Bei der Bitte, sich in einem einzigen Wort zu beschreiben, musste Raisman aushelfen. Gemeinsam einigte man sich auf: "Happy!"

Quelle: ntv.de

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