Erhebliche Zweifel an Erfolg Apple-Brille droht ein Flop zu werden


Apple selbst rechnet mit keinem schnellen Erfolg seiner Mixed-Reality-Brille.
(Foto: IMAGO/Addictive Stock)
Voraussichtlich stellt Apple im Juni seine VR-/AR-Brille vor, die das "nächste große Ding" werden soll. Sie könnte aber auch ein großer Flop werden. Spitzenmanager des Konzerns erwarten keinen schnellen Erfolg, Top-Analyst Kuo gibt Tim Cook & Co. noch eine letzte Chance, Investoren zu überzeugen.
Es ist eine schwierige Geburt: Nachdem Apple offenbar schon die Premiere der ersten Mixed-Reality-Brille wegen diverser Probleme bei Software und Komponenten hatte verschieben müssen und Pläne für eine reine AR-Brille wohl bis auf Weiteres auf Eis gelegt wurden, könnte das ehrgeizige Projekt sogar zum kompletten Reinfall werden. Der Druck auf Apple-Chef Tim Cook und sein Team vor der voraussichtlichen Präsentation des Headsets zum Auftakt der Entwicklerkonferenz WWDC im Juni scheint enorm hoch zu sein.
Apples "Top 100" sieht große Herausforderung
Mark Gurman, der exzellente Kontakte zu Apple hat, berichtet bei "Bloomberg" von einer bemerkenswerten Versammlung der sogenannten Top 100 im Hauptquartier des Konzerns im kalifornischen Cupertino. Das Treffen der rund 100 ranghöchsten Apple-Manager habe im Steve Jobs Theater stattgefunden, so Gurman. Da Tim Cook & Co. dort neue iPhones und andere Geräte präsentieren, handelte es sich offenbar um eine Art Generalprobe.
Die Show sei "ausgefeilt, glitzernd und aufregend" gewesen, schreibt Gurman. Aber die Euphorie der Top-Manager hielt sich offenbar in Grenzen. Sie seien sich im Klaren darüber, wie groß die Herausforderung sei, ein Mixed-Reality-Headset erfolgreich auf den Markt zu bringen, so Gurman. Mixed Reality bedeutet, dass die Brille sowohl virtuelle (VR) als auch augmentierte Realität (AR) bieten wird. Bei VR sieht man isoliert von der Umwelt Inhalte auf in die Brille integrierten Displays, bei AR wird die sichtbare Umgebung durch virtuelle Objekte ergänzt.
Muss man das haben?
Ähnlich wie zuvor beim iPhone, der Apple Watch und anderen Geräten des Unternehmens handelt es sich dabei um eine Technologie, die es zwar bereits seit einigen Jahren gibt, die sich aber in der breiten Masse noch nicht durchgesetzt hat. Diesmal werde es aber weitaus schwieriger, Nutzern zu erklären, warum sie so ein Produkt unbedingt haben wollen, schreibt Gurman.
Viel attraktiver als bereits existierende Datenbrillen scheint Apples MR-Headset nicht zu sein. Die erste Version werde rund 3000 Dollar kosten, keine klare Killer-App haben, eine externe Batterie benötigen, die alle paar Stunden ausgetauscht werden muss, und ein Design verwenden, das einige Tester als unangenehm empfinden, zählt Gurman die Mängel auf. Wahrscheinlich werde es auch mit einer begrenzten Zahl an Medieninhalten an den Start gehen.
Das heißt, die Brille ist noch gar nicht als Massenprodukt geplant, sondern soll zunächst Entwicklern dienen, Inhalte zu produzieren. Erst im nächsten Schritt sollen Verbraucher überzeugt werden, ein kommendes günstigeres Folgemodell zu kaufen. Kein einfaches Vorhaben. Laut der "Financial Times" war das verantwortliche Design-Team daher auch dafür, so lange zu warten, bis man eine leichte AR-Brille anbieten kann.
Investoren müssen überzeugt werden
Für Cook und sein Team wird es auch schwierig, Investoren für zu begeistern. Der bekannteste Apple-Analyst Ming-Chi Kuo schreibt auf "Medium" sogar, die kommende Präsentation sei wahrscheinlich die "letzte Hoffnung", Geldgeber davon zu überzeugen, "dass das AR/MR-Headset eine Chance haben könnte, das nächste Star-Produkt der Unterhaltungselektronik zu werden." Und er sehe bisher auch keine ausreichenden Belege dafür, dass dies so sein könnte.
Kuo begründet seine Skepsis mit dem eher bescheidenen Erfolg existierender Headsets. So habe Sony seine geplante Produktion der Playstation VR 2 für 2023 um 20 Prozent gekürzt, und von der Meta Quest Pro seien bisher nur rund 300.000 Stück verkauft worden. Pico - Chinas größter Hersteller von VR-/AR-Headsets - habe vergangenes Jahr 40 Prozent weniger Geräte als erwartet verkauft.
Langer Atem wie bei Apple Watch nötig
Laut Mark Gurman könnte Apple aber wie bei seiner Watch das nötige Stehvermögen haben, um seine Brille trotzdem zum Erfolg zu führen. Auch dieses Gerät sei ziemlich langsam, mit wenigen Apps, einer wirren Benutzeroberfläche, einem lahmen Prozessor und ohne erkennbaren Zweck gestartet.
Im Laufe der Zeit habe Apple aber die Funktionen von Drittanbieter-Apps verbessert, das Betriebssystem vereinfacht und einen schnelleren Prozessor eingebaut. Und die Apple Watch habe als Fitness-Tracker und als einfache Möglichkeit, Benachrichtigungen zu handhaben, seine Rolle gefunden. Das habe bei den Verbrauchern schließlich Klick gemacht und nach acht Jahren sei die Apple Watch jetzt ein Kernstück der Konzern-Strategie.
Der "Financial Times" nach ist exakt das die Hoffnung von Tim Cook und Projektleiter Jeff Williams. Ob ihr Plan aufgeht, ist aber alles andere als sicher. Jedenfalls müssen sie einen sehr langen Atem haben. Kuo fürchtet, dass Komponenten-Hersteller die Rolle von Datenbrillen in den kommenden Jahren überschätzen. So pessimistisch ist der Analyst bei neuen Apple-Produkten selten.
Quelle: ntv.de