Technik

Huawei-Bann ein Risiko? Google fürchtet alternatives Android

Huawei lässt sich nicht so einfach einschüchtern wie das viel kleinere ZTE.

Huawei lässt sich nicht so einfach einschüchtern wie das viel kleinere ZTE.

(Foto: REUTERS)

Google versucht, von der US-Regierung eine Sondergenehmigung für eine weitere Zusammenarbeit mit Huawei zu bekommen. Ein unabhängiges Android-System der Chinesen stelle ein Sicherheitsrisiko für die USA dar, so das Argument. Es geht aber vielleicht um viel mehr als das.

Huawei steht in den USA auf einer schwarzen Liste, weshalb US-Unternehmen ohne Sondergenehmigung keine Geschäfte mehr mit den Chinesen machen dürfen. Dies solle verhindern, dass amerikanische Technologie von ausländischen Akteuren zum Sicherheitsrisiko für die USA werden, lautet die offizielle Erklärung von Handelsminister Wilbur Ross. Google, das daraufhin gezwungen war, Huaweis Smartphone-Sparte künftige Android-Lizenzen zu verweigern, sieht dies aber ganz anders. Laut "Financial Times" warnt das Unternehmen die Trump-Regierung, es sei ein viel größeres Sicherheitsrisiko, wenn die Chinesen ein eigenes Android-System einsetzten.

Huawei-Alternative leichte Beute für Hacker?

Den Informationen der Wirtschaftszeitung nach argumentiert Google, dass das alternative Betriebssystem voraussichtlich mehr Schwachstellen als das eigene Android haben werde und damit leichter zu hacken sei - nicht zuletzt durch die chinesische Regierung. Es gehe nicht darum, die Maßnahmen des Handelsministeriums auszuhebeln, so Google. Man wolle die Sicherheit von Millionen Huawei-Smartphones in den USA und weltweit schützen.

Das klingt zunächst plausibel, schließlich veröffentlicht Google monatlich Sicherheitspatches und überprüft vor und nach einer Installation Apps auf Trojaner und andere Schad-Softwares. Außerdem ist Googles Play Store eine im Wesentlichen sehr vertrauenswürdige Quelle für Anwendungen, auch wenn hin und wieder unsichere Apps durchrutschen. Aber möglicherweise macht sich Google weniger um seine Nutzer als um seine eigene Zukunft Sorgen.

So lange die USA keinen Weg finden, Huawei die AOSP-Lizenz zu verbieten, können die Chinesen ein eigenes Android-Betriebssystem entwickeln.

So lange die USA keinen Weg finden, Huawei die AOSP-Lizenz zu verbieten, können die Chinesen ein eigenes Android-Betriebssystem entwickeln.

(Foto: Google)

Viele Menschen setzen Android mit Google gleich. Doch im Kern handelt es sich dabei überwiegend um eine frei zugängliche Software (Android Open Source Project), die auch als Basis für alternative Android-Betriebssysteme dienen kann. Der größte Unterschied ist, dass ein nicht lizenziertes Android ohne Google-Apps und den Play Store auskommen muss. Das bekannteste Beispiel ist Amazons Fire OS, das auf Amazon-Tablets zum Einsatz kommt. Besonders in Asien sind Android-Smartphones ohne Google-Lizenz keine Seltenheit. Daher könnte es dort für Huawei relativ leicht werden, sich mit einem eigenen Betriebssystem zu etablieren.

Schichtbetrieb für die Unabhängigkeit

Tatsächlich arbeitet Huawei schon seit längerem an einem eigenen Betriebssystem und hat angesichts des US-Banns seine Bemühungen jetzt deutlich intensiviert. Laut "Bloomberg" hat das Unternehmen 10.000 Entwickler abgestellt, die in drei Schichten daran arbeiten, US-Technologie durch eigene zu ersetzen. Dabei geht es vor allem um 5G-, 4G- und andere Netzwerk-Technologie, aber natürlich auch ums Smartphone-Geschäft, in dem Huawei bis zum US-Bann drauf und dran war, Samsung als Nummer 1 abzulösen.

Ob die Bemühungen erfolgreich sein werden, ist mehr als fraglich. Schließlich ist es alles andere als einfach, was Huawei da vorhat, auch weil es schnell gehen muss. Eines der dicksten Bretter, das die Chinesen zu bohren haben, ist ihre Hisilicon-Chips ohne ARM-Lizenz hinzubekommen. Auch die britische Firma musste die Zusammenarbeit einstellen, da sie selbst von US-Technologie abhängig ist. Praktisch alle aktuellen Smartphone-Prozessoren basieren auf der ARM-Architektur.

Peking kann Wandel diktieren

Huaweis Motto ist "Make it possible" ("Mache es möglich").

Huaweis Motto ist "Make it possible" ("Mache es möglich").

(Foto: AP)

Huawei steht also vor gigantischen Herausforderungen. Wenn sie aber ein Unternehmen bewältigen kann, dann dieses. Es hat die nötigen Ressourcen, das Know-how, die Infrastruktur und den chinesischen Staat im Rücken. Außerdem wurden die Volksrepublik und Huawei nicht ganz unvorbereitet getroffen. Spätestens seit die US-Regierung den chinesischen Smartphone-Hersteller ZTE mit Strafmaßnahmen in die Knie gezwungen hat, bereitet sich Peking und die großen Hightech-Unternehmen des Landes auf einen "Unabhängigkeitskrieg" vor.

Weil China keine Demokratie ist, muss die Regierung dafür im eigenen Land praktisch auf nichts Rücksicht nehmen, sondern verfügt einfach, was sie als nötig befindet. So hat Peking unter anderem als Reaktion auf den US-Bann bereits die Steuerbefreiung für Chip-Hersteller und Software-Entwickler ausgeweitet. Braucht Huawei ein Gelände für eine neue Fabrik, bekommt es das. Eine Anbindung fehlt? Die Straße wird gebaut. Das Geld wird knapp? Wie viel braucht ihr? Und über die Frage, ob das Know-how verschiedener Firmen gebündelt werden kann, muss man in China wohl nicht weiter diskutieren.

Google ahnt vielleicht, was kommt

Vor diesem Potenzial hat wahrscheinlich auch ein Gigant wie Google Respekt, vielleicht sogar Angst. Möglicherweise wird es Huawei nicht gelingen, in Deutschland und anderen westlichen Staaten mit einem alternativen Android-System inklusive eigenem App-Store erfolgreich zu sein. Das Misstrauen der Nutzer in diesen Ländern ist China gegenüber sicher noch größer als gegenüber Google. Doch in Asien und anderen Teilen der Welt ist das nicht so.

Auch wegen Baidu weiß Google, dass es in China und anderswo nicht unersetzlich ist.

Auch wegen Baidu weiß Google, dass es in China und anderswo nicht unersetzlich ist.

(Foto: Da qing - Imaginechina)

Vor allem in China haben Google und andere US-Unternehmen schon lernen müssen, dass es auch ohne sie geht. Hier heißt beispielsweise die größte Suchmaschine Baidu, Alibaba lässt Amazon klein aussehen und statt Whatsapp nutzen die Chinesen WeChat, das auch gleichzeitig Google Pay und Apple Pay ersetzt. Es ist also durchaus ein realistischer Alptraum Googles, dass der Handelskrieg dazu führt, dass die Android-Welt zweigeteilt und seine Vormachtstellung beendet wird.

Das Gleiche könnte in den anderen Hightech-Bereichen passieren, in denen sich die Chinesen die Unabhängigkeit erkämpfen wollen. Der Handelskrieg und die Boykottmaßnahmen der USA könnten letztendlich dazu führen, dass die Entwicklung Chinas zur eigenständigen Technologie-Supermacht beschleunigt wird. Dann hätten die USA wohl mehr als nur ein kleines Sicherheitsproblem.

Quelle: ntv.de

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