General Motors wird konkret 10.000 Opel-Jobs sollen wegfallen
04.11.2009, 20:06 UhrDer US-Autobauer General Motors hat nach der überraschenden Absage des Opel-Verkaufs erste Details zum Umfang der Sanierungsbestrebungen bekannt gegeben. Bei Opel dürften demnach im Zuge der Sanierung rund 10.000 von europaweit 50.000 Stellen wegfallen. Der Plan von GM unterscheide sich in dieser Hinsicht nicht wesentlich von den Magna-Plänen, sagte GM-Verhandlungsführer John Smith. In allen Konzepten sei man davon ausgegangen, dass die Strukturkosten um 30 Prozent gesenkt werden müssten.
Smith kündigte die Vorlage eines Sanierungsplans für Opel zum Ende des ersten Quartals 2010 an. Für das Werk in Bochum gebe es interessante Optionen, das Werk in Antwerpen werde wohl geschlossen. Er hoffe, dass die Gewerkschaften und die Regierungen mit Opel-Standorten den Plan akzeptieren könnten, sagte Smith. Die Gespräche mit Betriebsräten und Regierungen sollen in Kürze beginnen. GM werde außerdem die in Anspruch genommenen 900 Mio. Euro vom Brückenkredit an die deutsche Bundesregierung zurückzahlen.

Gespür für den richtigen Zeitpunkt: Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster nimmt für Opel das "Goldene Lenkrad" entgegen.
(Foto: dpa)
GM-Europe-Chef Carl-Peter Forster erwartet massive Einschnitte bei Opel, nachdem der US-Autokonzern die Rüsselsheimer Tochter überraschend selbst sanieren statt verkaufen will. Der "Bild"-Zeitung sagte Forster: "Wir hatten einen guten Sanierungsplan ausgehandelt, der auf dem Tisch lag und fertig war. Jetzt besteht die Gefahr, dass die vernünftige Verteilung der Lasten wieder aufgeschnürt wird und alles von vorne beginnt. Sicher ist: Es wird auch bei dieser Lösung massive Einschnitte geben." Auch Forster habe die GM-Entscheidung überrascht: "Wir haben mit dieser Entscheidung nicht gerechnet", sagte der Opel-Aufsichtsratsvorsitzende dem Blatt. "Wir müssen schnellstens mit der Konzernmutter Verhandlungen aufnehmen und alle offenen Fragen klären." Das werde sicherlich einige Zeit dauern.
Zu seiner persönlichen Zukunft bei Opel habe sich Forster sehr zurückhaltend geäußert: "Da muss ich jetzt erst einmal in Ruhe ein paar Nächte drüber schlafen. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich die Magna-Lösung für gut gehalten haben. Ich werde in Ruhe nachdenken."
Staatskredit soll zurückfließen
Die durch die völlig überraschende Entscheidung des GM-Verwaltungsrats brüskierte Bundesregierung forderte nach einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Opel-Betriebsratschef Klaus Franz ein tragfähiges Konzept, das die 25.000 Arbeitsplätze in den vier deutschen Werken sichere. Zunächst müsse GM aber den Kredit des Bundes bis Monatsende zurückzahlen, der Opel in den vergangenen Monaten über Wasser gehalten hatte.
Die IG Metall will am Donnerstag mit Protestveranstaltungen vor den Opel-Werkstoren, auf denen auch die Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen) und Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) sprechen wollen, die Bänder zeitweise lahmlegen. Betriebsratschef Klaus Franz, der sich im monatelangen Tauziehen für den Autozulieferer Magna als neuen Opel-Eigentümer stark gemacht hatte, ging auf Konfrontationskurs zu GM: "Den Weg zurück zu General Motors werden wir nicht mitgestalten." Die IG Metall zog ihre Zugeständnisse im Volumen von 265 Mio. Euro zurück, die die Arbeitnehmer Magna gemacht hatten.
GM voll in der Verantwortung
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Hilfszusagen hingen von dem Konzept ab, das GM kurzfristig versprochen habe. GM habe mit seinem Rückzieher auch die volle finanzielle Verpflichtung für die Zukunft von Opel übernommen. Der neue thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) knüpfte staatliche Hilfen an den Erhalt von Standorten. Experten zufolge stehen nun vor allem die Werke in Bochum und Eisenach wieder auf der Kippe. Magna wollte bis zu 10.500 der 50.000 Stellen bei Opel und Vauxhall streichen, alle vier deutschen Werke aber erhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihr ganzes Gewicht für eine Abspaltung des seit 81 Jahren zu GM gehörenden Unternehmens und den Verkauf an ein Konsortium aus Magna und der russischen Sberbank in die Waagschale geworfen.
Die EU-Kommission forderte Deutschland auf, Staatshilfen für GM nicht auszuschließen. "Wir sind froh, dass GM Opel jetzt als strategische Anlage betrachtet und Interesse an einer Sanierung bekundet hat", sagte ein Sprecher. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte Deutschland die Zusicherung abgerungen, dass sein Hilfsangebot nicht an Magna als Investor gebunden wäre. Dies hatte der Verwaltungsrat von GM zum Anlass genommen, den Zuschlag für Magna zu überdenken.
"Das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus"
"Wir werden uns von GM nicht unter Druck setzen lassen", betonte der neue Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, die Hürden für die Bereitstellung von Steuergeldern an GM lägen "sicherlich sehr, sehr hoch". Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wetterte, die Entscheidung der Opel-Mutter zeige "das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus".
"Das ist ein schwarzer Tag für Opel", sagte ein Mitarbeiter vor dem Werkstor in Rüsselsheim. "GM geht immer wieder das Geld aus, und wir können nicht investieren." Die 35-jährige Anke Rezac, die ihr ganzes Berufsleben bei Opel verbracht hat, sagte: "Ich glaube nicht, dass GM Opel halten kann. Das ist ein Spiel auf Zeit." Arbeiter Johan Sluyts aus dem ebenfalls gefährdeten Opel-Werk in Antwerpen sagte: "Ich habe immer gesagt, dass Opel ein sinkendes Schiff ist, das nicht zu retten ist." Bei Vauxhall knallten dagegen die Korken: "Das sind fantastische Neuigkeiten für Großbritannien, dass General Motors seine Familie nicht zerschlägt und stattdessen Eigentümer von Vauxhall bleibt", sagte Tony Woodley von der Automobilgewerkschaft Unite.
General Motors hat eine viermonatige Blitz-Insolvenz selbst gerade überstanden und fühlt sich wieder erstarkt. Im September waren die Verkaufszahlen in den USA erstmals seit zwei Jahren wieder gestiegen. Die 13,6 Mrd. US-Dollar, mit denen die US-Regierung GM gestützt hatte, dürfen allerdings nicht in das Auslandsgeschäft fließen.
Henderson gibt klein bei
GM-Chef Henderson hatte sich bis zuletzt für den Abschluss mit Magna ausgesprochen. Er stellte sich dennoch hinter den Beschluss des neu formierten Aufsichtsgremiums. Für Opel sei das die am wenigsten kostspielige Lösung. "Opel und Vauxhall spielen eine entscheidende Rolle im globalen GM-Verbund - eine Position, die GM nicht aufgeben will", erklärte Opel. GM betreibt in Rüsselsheim ein großes Entwicklungszentrum.
Autoexperten zeigten Verständnis für die GM-Entscheidung. "Wenn sie weltweit wettbewerbsfähig bleiben wollen, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig", sagte Erich Merkle von Autoconomy. GM zeige damit erstmals die Wertschätzung, die die deutsche Tochter verdient habe, betonte Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München. "Wenn ich GM wäre, hätte ich Opel auch behalten", sagte Wolfgang Krümmel, ein 64-jähriger Opel-Mitarbeiter. GM müsse aber die Belegschaft besänftigen. "Sonst laufen die Guten weg."
Quelle: ntv.de, rts