Wirtschaft

Wird Hochtief geplündert? ACS setzt sich durch

Hauptversammlung in Essen: Der scheidende Hochtief-Chef spricht.

Hauptversammlung in Essen: Der scheidende Hochtief-Chef spricht.

(Foto: dpa)

Es ist sein letzter Auftritt als Hochtief-Chef: Bei der Hauptversammlung in Essen zollen die Aktionäre Herbert Lütkestratkötter ihre Anerkennung für seine Leistungen. Die Übernahmeschlacht ist verloren. Der spanische Baukonzern ACS spielt die neuen Mehrheitsverhältnisse voll aus.

Abgesandte der Spanier im Hochtief-Aufsichtsrat: Angel Garcia Altozano (links) und Marcelino Fernandez Verdes.

Abgesandte der Spanier im Hochtief-Aufsichtsrat: Angel Garcia Altozano (links) und Marcelino Fernandez Verdes.

(Foto: dapd)

Der spanische Hochtief-Großaktionär ACS hat seine Aufsichtsrat-Kandidaten durchgesetzt und damit seine Macht beim größten deutschen Baukonzern gefestigt. Bei der Hauptversammlung in Essen wurden die ACS-Kandidaten mit Mehrheit gewählt, wie der scheidende Aufsichtsratschef Detlev Bremkamp verkündete. Der Konzern verdoppelt damit seine Mandate auf vier Aufsichtsratsposten.

Auch bei der Wahl von Bremkamps Nachfolger an der Spitze des Kontrollgremiums konnten sich die Spanier durchsetzen: Nach dem Willen von ACS wurde der frühere Vorstandschef des Autozulieferers Continental, Manfred Wennemer, als neuer Aufsichtsratsvorsitzenden für Hochtief bestimmt. Der Aufsichtsrat habe den 63-Jährigen im Anschluss an die Hauptversammlung an seine Spitze gewählt, teilte Hochtief mit.

Nach dem Durchmarsch der Spanier fürchten Aktionäre eine Ausplünderung des größten deutschen Baukonzerns. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ACS einen so steinigen, so unangenehmen Weg gegangen ist, nur um eine Tochter mehr zu haben", sagte der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, auf dem Hochtief-Aktionärstreffen in Essen. Nach einer monatelangen Schlacht um Hochtief strebt der hoch verschuldete Konzern ACS bis zur Jahresmitte die Mehrheitsübernahme bei Hochtief an.

"Mit der Brechstange" durchgesetzt

"Wir tragen heute die Unabhängigkeit von Hochtief zu Grabe", beklagte Tüngler in seinem Redebeitrag. Er forderte ein "Nein" der Aktionäre zur ACS-Liste. Die DSW werde rechtliche Schritte prüfen, da ACS seine Besetzungsvorschläge "mit der Brechstange" durchsetzt und die Liste nur kurzfristig vorgelegt habe. In dieser sei zudem ein wenig "viel spanisch drin". Eine Vertreterin der zweiten großen Aktionärsorganisation SdK schloss sich Tüngler an.

Beifall für seine Leistungen als Hochtief-Chef: Herbert Lütkestratkötter.

Beifall für seine Leistungen als Hochtief-Chef: Herbert Lütkestratkötter.

(Foto: REUTERS)

ACS-Chef Florentino Perez lasse die Aktionäre im Unklaren über seine wahren Absichten, beklagte Tüngler unter dem Beifall der Hochtief-Anteilseigner. "Wir freien Aktionäre befürchten, dass Hochtief ausgeschlachtet wird", rief Tüngler. Er fürchte, dass die Hochtief-Übernahme für ACS nur ein Schritt auf dem Weg zum wirklichen Ziel sei - dem Kauf des spanischen Versorgers Iberdrola.

Zur Hauptversammlung konnte sich ACS bereits mit einem Aktienpaket von mehr als 43 Prozent an Hochtief auf eine sichere Abstimmungsmehrheit stützen, da lediglich knapp 70 Prozent der Anteile vertreten waren. Vor diesem Hintergrund zogen mehrere Mitglieder des alten Aufsichtsrats, die sich vergeblich gegen die Übernahme gestemmt hatten, kurzfristig ihre Kandidatur für das Kontrollgremium zurück.

Das Ende der Unabhängigkeit?

Am Erfolg einer von ACS erst am vergangenen Wochenende vorgelegten eigenen Kandidatenliste bestand danach kein Zweifel mehr. Der amtierende Hochtief-Aufsichtsratschef Bremkamp zog daraufhin die Konsequenz und stellte bei der Versammlung lediglich die ACS-Liste zur Wahl. nach der Abstimmung ist ACS im acht Mitglieder zählenden Hochtief-Kontrollgremium künftig mit vier Vertretern präsent, doppelt so vielen wie vorher.

Keinen Platz mehr im Kontrollgremium sahen die Spanier für den bisherigen Aufsichtsratschef, aber auch für Ex-Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel, Heinrich von Pierer und Wilhelm Simson. Alle vier Manager verzichteten angesichts der Übermacht von ACS kurz vor dem Aktionärstreffen auf ihre Kandidatur.

Die Wahl des von ACS vorgeschlagenen Aufsichtsrats markiere das Ende der Unabhängigkeit von Hochtief, klagten Aktionärssprecher. Mehrere Redner kritisierten den Großaktionär und forderten ihn auf, seine Pläne auf den Tisch zu legen. Ein ACS-Sprecher betonte, man habe sehr wohl Interesse am Wohlergehen des Unternehmens und der Aktionäre.

Tränen zum Abschied von Lütkestratkötter

Der Neue: Frank Stieler.

Der Neue: Frank Stieler.

(Foto: REUTERS)

Der scheidende Hochtief-Vorstandschef Herbert Lütkestratkötter begründete seinen Rückzug mit dem Druck der Spanier. ACS-Vertreter hätten "sehr deutlich" gemacht, dass man einen Wechsel wünsche, sagte Lütkestratkötter, der sichtlich bewegt den Applaus von Aktionären entgegennahm. Dem Hochtief-Chef wird sein Abschied mit einer Abfindung von mehr als 4 Mio. Euro versüßt.

Neuer Hochtief-Chef wird der bisher für das Europa-Geschäft des Konzerns zuständige Manager Frank Stieler. Stieler gilt als Favorit des Großaktionärs ACS. Bereits an seinem ersten Arbeitstag am Freitag will der neue Chef nach Australien fliegen, um bei der mit Problemen kämpfenden Hochtief-Tochter Leighton nach dem Rechten zu sehen. Die einstige Hochtief-Ertragsperle erwartet einen hohen Jahresverlust.

Hochtief bleibt in Essen

Zuvor will Stieler sich jedoch der Belegschaft am Stammsitz des Konzerns in Essen vorstellen und die im Zusammenhang mit ACS schwelenden Befürchtungen aus dem Weg räumen. Hochtief werde seine Unabhängigkeit und seinen Unternehmenssitz in Essen behalten, betonte er vor dem Aktionärstreffen.

Wegen Leighton musste Hochtief die Prognose für das Vorsteuerergebnis in diesem Jahr drastisch nach unten korrigieren. Der Konzerngewinn soll 2011 jedoch auf dem Niveau des Vorjahres von 288 Mio. Euro bleiben. Dazu soll auch der Verkauf der Infrastruktur-Tochter Concessions beitragen. Im Rekordjahr 2010 hatte der Konzern noch ein Ergebnis vor Steuern von 756,6 Mio. Euro erwirtschaftet.

Auch Hochtief-Großaktionär ACS hatte nach dem Einbruch bei Leighton seine Prognose für das laufende Jahr deutlich absenken müssen. Für die Jahre 2012 und 2013 herrscht bei Hochtief aber weiter Optimismus: Die Essener peilen dann weiterhin ein Vorsteuerergebnis von rund einer Milliarde Euro an.

Quelle: ntv.de, dpa

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