Politische Börsen und kurze Beine Anleger brauchen starke Nerven
14.05.2012, 19:32 Uhr
Politische Börsen haben kurze Beine? Derzeit wohl eher nicht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Krise in der Eurozone verschärft sich, die Anleger reagieren: Die Renditen am Anleihemarkt fallen, ebenso die Kurse an den Aktienmärkten. Von einer altbekannten Börsenweisheit wollen die Investoren derzeit nichts mehr wissen. Aber es wäre besser, sie würde weiterhin gelten - die 200-Tage-Linie im Dax rückt näher.
Die Entwicklung am deutschen Aktienmarkt kann nicht losgelöst von der politischen Entwicklung in Europa betrachtet werden. Die alte Börsenregel - politische Börsen haben kurze Beine - wird momentan eindrucksvoll demontiert. Denn die Politik wird über Wochen hinaus das Geschehen an den Kapitalmärkten bestimmen. Von einem ungeordneten Abverkauf kann bisher aber nicht die Rede sein. Viele Investoren haben ihre Positionen abgesichert und schauen der aktuellen Entwicklung entspannt zu. Das Krisenbarometer, der Volatilitätsindex, notiert noch deutlich unter der Marke, die für Panik am Aktienmarkt steht.
Während der Euro-Stoxx-50 seit Jahresbeginn bereits fünf Prozent an Wert eingebüßt hat, notiert der deutsche Aktienmarkt mit einem Plus von 9 Prozent noch komfortabel im grünen Bereich. Auf diese Entwicklung gehen auch die Analysten von sentix ein. In den vergangenen zehn Jahren haben die Sentimentanalysten noch nie eine so starke Bevorzugung des Dax gegenüber dem Euro-Stoxx-50 gemessen.
Kurse und Renditen
Die Eurokrise habe anscheinend die Aktienstrategien wieder "renationalisiert". Kurzfristig sei eine so einseitige Positionierung gefährlich und dürfte mit relativer Schwäche des Dax bestraft werden. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich an der Börse in Madrid. Wer sein Geld an der Börse in Spanien angelegt hat, verlor seit Anfang des Jahres bereits rund 20 Prozent seines einsetzten Kapitals.
Aber nicht nur an den Aktienmärkten ist dieses Nord-Süd-Gefälle zu erkennen. Auch an den Anleihemärkten weiten sich die Zinsdifferenzen weiter aus. Während die Investoren von Spanien eine Rendite von 6,2 Prozent für 10 Jahre fordern, bekommt Deutschland das Geld der Anleger mit 1,5 Prozent deutlich unterhalb der Inflationsrate.
Dax hat Luft bis 6200
Bisher ist nicht zu erkennen, was eine Trendwende auslösen könnte. Die Allzweckwaffe der Europäischen Zentralbank (EZB) - die Tender mit einer Laufzeit von drei Jahren - zeigten bisher eine begrenzte Reichweite. Der Trend einer schwächelnden Gemeinschaftswährung zum Dollar, gepaart mit nachgebenden Aktienkursen und weiter steigenden Zinsdifferenzen innerhalb der Eurozone dürfte zumindest in der laufenden Woche weiter halten.
Charttechnisch ist der seit dem Dax-Tief am 12. September 2011 bei 4966 Punkten verlaufende Aufwärtstrend intakt. "Momentan verläuft die wichtige und intakte Trendunterstützung bei 6378 Punkten", so Martin Siegert, technischer Analyst bei der Landesbank Baden Württemberg. Sollte diese Unterschritten werden, dürften einige Investoren ihre Positionierung überdenken, erwartet der Analyst. Eine weitere Unterstützungszone sieht er im Bereich 6185/6220 Punkten. Dort verläuft unter anderem die 200-Tages-Durchschnittslinie, die von vielen Investoren beachtet wird.
Fallende Renditen am Anleihemarkt
"Wenig Hoffnung für den Dax", tituliert Stephen Schneider, technischer Analyst bei der WGZ-Bank, seinen charttechnischen Ausblick für die deutschen Blue-Chips. Als wichtige Marke nennt Schneider die 6430 Punkte. Auf diesem Niveau handelte der Index im Hoch am 28. Oktober, bevor er wieder nach unten abtauchte. Als Kursziel der laufenden Abwärtsbewegung nennt der technische Analyst die Unterstützung bei 6150 Punkten.
Während am Aktienmarkt kaum Geld zu verdienen ist, steigen die Kurse am Anleihemarkt unaufhaltsam. Im Gegenzug fallen die Renditen, mit 1,46 Prozent auf ein Allzeittief. Weiterhin gelten die Staatsanleihen aus Japan, den USA wie auch aus Deutschland als die sicheren Häfen am Kapitalmarkt. Bisher ist ein Ende der Kurshausse bei den Bundesanleihen nicht zu erkennen. Erst wenn die EZB die ausgeschüttete Liquidität wieder einsammelt oder die internationalen Investoren das Vertrauen in den Schuldner Deutschland verliehen, ist die Party bei den Bundesanleihen zu Ende. Dies zeichnet sich bisher aber nicht ab.
Quelle: ntv.de, Thomas Leppert, dpa