Wirtschaft

Gewerkschaften sehen sich bestätigt Arbeitskosten steigen langsam

Mercedes-Produktion in Bremen.

Mercedes-Produktion in Bremen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Arbeit ist hierzulande zwar weiterhin teurer als im Durchschnitt der Europäischen Union. Doch sind die Arbeitskosten in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren wesentlich langsamer gestiegen als in den anderen EU-Ländern. Die Gewerkschaften sehen sich in ihrer Forderung nach kräftigen Lohnerhöhungen bestätigt. Die Wirtschaft fordert dagegen Augenmaß.

In keinem anderen EU-Staat sind die Arbeitskosten in den vergangenen zehn Jahren so wenig gestiegen wie in Deutschland. Eine Stunde in der Privatwirtschaft verteuerte sich von 2001 bis 2011 um 19,4 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. In Frankreich stiegen die Arbeitskosten - also Bruttoverdienste plus Lohnnebenkosten - mit 39,2 Prozent mehr als doppelt so stark. Im EU-Schnitt gab es ein Plus von 36,1 Prozent.

"Das bestätigt die gewerkschaftliche Forderung nach einem großen Schluck aus der Lohnpulle in den aktuellen Tarifrunden", sagte der DGB-Bundesvorstand Claus Matecki. "Zudem muss der Niedriglohnsektor durch Mindestlöhne, dem Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei der Leiharbeit und die Umwandlung von Minijobs in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung endlich ausgetrocknet werden." Nur wer ordentlich verdiene, könne auch kräftig konsumieren und die Binnennachfrage ankurbeln. "Nach Jahren des massiven Exportüberschusses und der daraus resultierenden Ungleichgewichte in Europa ist es jetzt überfällig, die Kaufkraft im Inland zu stärken und den europäischen Nachbarn ihre Produkte abzukaufen", sagte Matecki.

DIHK widerspricht

Zu einem ganz anderen Schluss kommt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Die moderaten Lohnzuwächse in den letzten Jahren haben die positive Entwicklung am deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht", sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Viele neue Stellen sind entstanden, bestehende sicherer geworden. Das stärkt die Nachfrage der Konsumenten." Auch wenn die Arbeitskosten langsamer geklettert seien als in den anderen EU-Staaten, lägen sie immer noch mit an der Spitze. Das erkläre, warum fast jede dritte Firma in den Arbeitskosten ein Geschäftsrisiko sehe. "Nicht zuletzt wegen der ungewissen Entwicklung der Euro-Schuldenkrise gilt es deshalb, Augenmaß bei den Lohnsteigerungen zu wahren, um die positive Beschäftigungsentwicklung nicht aufs Spiel zu setzen", argumentierte Wansleben.

Viele Gewerkschaften fordern angesichts der robusten Konjunktur ein Lohnplus zwischen sechs und sieben Prozent. Die 130.000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post setzten einen Aufschlag von vier Prozent durch. Die zwei Millionen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen bekommen innerhalb von zwei Jahren 6,3 Prozent mehr Geld.

2011 zahlten private Arbeitgeber durchschnittlich 30,10 Euro für eine geleistete Stunde. Nur in sechs der 27 Länder der Europäischen Union waren es noch mehr: Platz eins belegt Belgien mit 39,30 Euro, gefolgt von Schweden (39,10 Euro) und Dänemark (38,90 Euro). Auch Frankreich (34,20 Euro), Luxemburg (33,70 Euro) und die Niederlande (31,10 Euro) liegen noch vor Deutschland. Bulgarien hat mit 3,50 Euro die mit Abstand niedrigsten Kosten.

Teurer als EU-Durchschnitt

Im Verarbeitenden Gewerbe, das besonders stark im internationalen Wettbewerb steht, kostet eine Arbeitsstunde durchschnittlich 34,30 Euro. Hier liegt Deutschland im EU-weiten Vergleich auf Rang fünf. Eine Stunde Arbeit in der Industrie war damit 48 Prozent teurer als im EU-Durchschnitt, aber vier Prozent billiger als in Frankreich.

Auf 100 Euro Bruttoverdienst zahlten die Arbeitgeber im vergangenen Jahr zusätzlich 28 Euro Lohnnebenkosten. "Damit lag Deutschland unter dem EU-Durchschnitt von 32 Euro und nahm mit Rang 16 einen Mittelplatz innerhalb der Europäischen Union ein", schrieben die Statistiker. Auf 100 Euro Lohn wurden in Schweden (52 Euro) und Frankreich (50 Euro) die höchsten und in Malta (10 Euro) die niedrigsten Lohnnebenkosten gezahlt.

Hauptbestandteil der Lohnnebenkosten sind die Sozialbeiträge der Arbeitgeber, vor allem Beiträge zu Sozialversicherungen, Aufwendungen für betriebliche Altersversorgung sowie Kosten für die Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfall.

Quelle: ntv.de, jga/rts

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