Wirtschaft

Berlin will "Taten statt Worte" Athen bangt um mehr Zeit

Für Griechenlands Premier Samaras (r., mit Außenminister Avramopoulos) läuft die Zeit - mal wieder.

Für Griechenlands Premier Samaras (r., mit Außenminister Avramopoulos) läuft die Zeit - mal wieder.

(Foto: REUTERS)

Die Geduld unter Europas Geldgebern für Griechenland stößt an seine Grenzen. Während Athens Ministerpräsident Samaras auf zwei Jahre mehr Zeit für die Erfüllung von Sparvorgaben hofft, ringt die Berliner Koalition schon um Zugeständnisse von wenigen Wochen. Griechenland macht keinen Hehl daraus, hinter dem vereinbarten Zeitplan zu liegen, zusätzlicher Druck entsteht nun durch einen ernüchternden Bericht der Troika.

Griechenlands Finanzminister Yannis Stournaras hofft auf mehr Zeit für Reformen.

Griechenlands Finanzminister Yannis Stournaras hofft auf mehr Zeit für Reformen.

(Foto: dpa)

Griechenland kann sich kaum Hoffnungen machen, bei der Bundesregierung Gehör für seine Bitte um deutlich mehr Zeit zur Erfüllung seiner Sparauflagen zu finden. Der griechische Finanzminister Yannis Stournaras kündigte im Parlament an, er werde die internationalen Geldgeber um mehr Zeit für die Auflagenerfüllung bitten, was zusätzliche Hilfegelder erfordert. Er warnte, noch mehr Einschnitte würden das Land noch tiefer in die Rezession stürzen.

In der schwarz-gelben Regierungskoalition brach derweil Streit darüber aus, ob Griechenland zumindest ein paar Wochen mehr eingeräumt werden soll. FDP-Politiker wie Fraktionschef Rainer Brüderle plädierten dafür. Dagegen forderte Parteichef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler "Taten statt Worte". Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, beharrte darauf, dass die Zeitvorgaben eingehalten werden müssten.

Troika meldet Zweifel an

Stournaras steht am Montag ein harter Gang bevor. Beim Treffen der Finanzminister der Eurozone in Brüssel wird nach Angaben aus Teilnehmerkreisen neben anderen Krisenthemen, wie den beantragten Hilfen für Spanien und Zypern, voraussichtlich auch die Entwicklung in Griechenland diskutiert. Die Regierung hat eingestanden, dass das Land, nicht zuletzt wegen der zwei Wahlen innerhalb weniger Monate, bei der Erfüllung seiner Spar- und Reformauflagen hinterherhinkt. Die Zahlungsfähigkeit des hoch verschuldeten Landes hängt daran, dass es bald eine weitere Milliardentranche seiner Partner aus dem zweiten Hilfsprogramm erhält.

Bis zum 20. August ist Athen nach Informationen der Tageszeitung "Ethnos" auf die Auszahlung einer weiteren Tranche in Höhe von 31,5 Mrd. Euro aus dem internationalen Hilfspaket angewiesen. Deren Freigabe hängt davon ab, dass Griechen die Experten der Troika von IWF, EZB und EU-Kommission überzeugen kann, dass das Land auf gutem Wege ist.

Am Montag will die Troika erste Ergebnisse ihrer Überprüfung vorlegen. Übereinstimmenden Berichten der griechischen Sonntagspresse zufolge sind die ersten Resultate der Kontrolleure negativ. Vor allem im Bereich Privatisierungen sei in den vergangenen Monaten kaum etwas geschehen. Wenn Athen nicht bald spektakuläre Privatisierungen durchführt, ein neues einfaches Steuergesetz vorlegt und den Staat weiter verschlankt, werde es keine weiteren Geldspritzen geben, meldete die Zeitung "Kathimerini" unter Berufung auf Warnungen der Troika.

Keine weiteren Belastungen

"Griechenland muss die Maßnahmen umsetzen, die schon im Rahmen des Budgets 2012 beschlossen wurden", mahnte Stournaras in seiner ersten Parlamentsrede nach der Amtsübernahme. Vor allem Privatisierungen will die Regierung vorantreiben. Der Minister warnte, man dürfe nicht riskieren, dass die nächste Tranche nicht gezahlt werde und noch mehr Glaubwürdigkeit verloren gehe. Der Absturz der griechischen Wirtschaft sei noch härter als befürchtet und mache es noch schwerer, die Sparziele zu erreichen. Diese Entwicklung dürfe nicht durch noch mehr Einsparungen verschärft werden.

Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland hatte sich im Gegenzug für internationale Finanzhilfen zu umfangreichen Reformen und Sparmaßnahmen verpflichtet. Die griechische Wirtschaft befindet sich das fünfte Jahr in Folge in der Rezession. Die Regierung befürchtet, dass die Wirtschaft 2012 um sechs bis sieben Prozent anstatt der zuvor erwarteten 4,5 Prozent schrumpfen könnte.

Ministerpräsident Antonis Samaras hatte von zwei Jahren gesprochen, die seine Regierung zusätzlich mit den Geldgebern des Landes aushandeln möchte, um seine abgesprochenen Verpflichtungen zu erfüllen. Zugleich mahnte er, das Gerede ausländischer Politiker über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone müsse aufhören. In einer Emnid-Umfrage für den "Focus" sprachen sich 49 Prozent für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone aus, 43 Prozent erklärten, das Land solle den Euro behalten. Sonntagnacht muss die Regierung eine Vertrauensabstimmung im Parlament überstehen. Die Koalition verfügt mit 179 der 300 Sitze über eine deutliche Mehrheit.

Wochen statt Jahre

Zeitliche Zugeständnisse in der Dimension von Jahren werden in der deutschen Koalition abgelehnt. Brüderle und FDP-Generalsekretär Patrick Döring äußerten die Bereitschaft, dem Krisenland ein paar Wochen mehr einzuräumen. "Bei einzelnen Reformschritten können allenfalls noch Verschiebungen auf der Zeitachse sinnvoll sein", sagte Brüderle der "Welt am Sonntag". "Dabei geht es aber um Wochen, nicht um Jahre." Ähnlich äußerte sich Döring, der im "Tagesspiegel am Sonntag" von einem kleinen Zeitfenster in der Dimension von "einigen Wochen" sprach. Parteichef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler ergänzte gegenüber der "Bild", es gehe im Kern "um den Nachweis tatsächlicher Einsparungen, Privatisierungserlöse und Verwaltungsreformen. Ich muss auch sagen: Meine Geduld geht da dem Ende entgegen."

Grosse-Brömer dagegen sagte, die Union nehme die griechische Regierung in Hinblick auf ihre Verpflichtungen beim Wort. "Das gilt für den Inhalt des Griechenland-Programms ebenso wie für seine zeitlichen Vorgaben."

Inhaltliche Abstriche an den Anpassungsmaßnahmen werden auch von der FDP abgelehnt. "Jetzt müssen die Bedingungen eingehalten werden", sagte Brüderle. Selbst ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone ist für ihn eine Option. "Wenn man die Regeln nicht einhält, gibt es die Gelbe Karte. Und beim nächsten Mal ist es die Rote, dann muss man vom Feld". Die Gelbe Karte habe das Land schon erhalten.

Am Freitagnachmittag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, FDP-Chef Philipp Rösler und CSU-Chef Horst Seehofer getroffen. Das bestätigte ein FDP-Sprecher. Spekulationen, dass es dabei um die Hilfsanträge von Spanien und Zypern bei ihren Euro-Partnern gegangen sei, wollte er nicht kommentieren.

Quelle: ntv.de, nne/rts/dpa/DJ

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