Europa fordert das Tafelsilber Athen reagiert empfindlich
15.05.2011, 16:33 Uhr
Ausschreitungen im Zentrum Athens: Ein Land kämpft um sein finanzielles Überleben.
(Foto: AP)
Die Währungsgemeinschaft erhöht den Druck: Bevor frische Milliarden nach Griechenland fließen, soll die Regierung in Athen staatliche Vermögenswerte versilbern, um mit den Erlösen die Löcher in der Haushaltskasse zu stopfen. Verkaufen sollen die Griechen nicht nur ihre Strom- und Wasserversorger. Auch idyllische Inseln oder gar die Akropolis selbst sind wieder im Gespräch.
Griechenland gibt dem internationalen Druck nach und stellt im Gegenzug für weitere Hilfen Staatsbeteiligungen - das sogenannte "Tafelsilber" - zum Verkauf. "Am Anfang waren Privatisierungen keine Priorität", räumte Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Wochenende ein. "Aber jetzt stehen sie ganz oben auf der Liste."
Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker machte klar, dass dies die Voraussetzung für die nächste Tranche der internationalen Hilfen ist. Griechenland werde bei den Privatisierungen auf jeden Fall zulegen müssen, bevor die geplanten 12 Mrd. Euro fließen könnten, sagte er dem "Münchner Merkur". Auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark betonte gegenüber dem "Tagesspiegel", Griechenland müsse seinen Sparkurs verschärfen, bevor weiteres Geld fließen könne.
Dringend benötigte Geldspritze
Nach den Worten Papandreous bereitet die Regierung einen umfangreichen Plan vor, staatliche Beteiligungen abzustoßen und mit den Erlösen die Haushaltslöcher aufzufüllen. "Wir werden das Programm bald verabschieden", sagte Papandreou der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Die Regierung habe dafür auch die Unterstützung der Opposition und der Bürger.
Griechischen Zeitungen zufolge wird eine Vereinbarung zur nächsten Tranche möglicherweise bereits zur Wochenmitte abgeschlossen. Der Staat müsse demnach seine gesamten Anteile an bislang als strategisch wichtig eingestuften Unternehmen wie Strom- und Wasserversorgern abstoßen, hieß es in der Zeitung "Eleftherotypia".
Verhandlungen ohne Strauss-Kahn
Darauf drängten die Vertreter von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds, die seit einer Woche die Voraussetzungen für die nächste Auszahlung prüfen.
Möglicherweise wird jedoch die Verhaftung von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn den Zeitplan kurzfristig etwas verzögern, wie ein griechischer Regierungsvertreter sagte. Der IWF-Chef war in New York kurz vor dem Abflug nach Europa von der Polizei verhaftet worden. Die US-Staatsanwaltschaft erhob .
Papandreou hat im März versprochen, bis 2015 über Verkäufe von Unternehmensanteilen und Grundbesitz 50 Mrd. Euro hereinzuholen. Dabei wollte er die staatliche Beteiligung am Stromversorger PPC aber nur auf 34 von 51 Prozent reduzieren. Ebenso wollte er sich nicht vollständig aus der Deutsche-Telekom-Tochter OTE zurückziehen.
Schäuble wartet auf den Troika-Bericht
Nach den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird sich die Bundesregierung den Bericht der Prüf-Kommission "besonders gründlich" anschauen. "Aber jetzt warten wir erst einmal diesen Bericht ab und schauen dann, wie die drei Institutionen IWF, EZB und EU-Kommission die Lage bewerten", sagte Schäuble der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die sogenannte aus IWF, EZB und EU hatte gemeinsam Abgesandte nach Athen geschickt, um die finanzielle Lage des Landes vor Ort zu überprüfen.
Auch in Deutschland mehrten sich zuletzt die Forderungen nach einem höheren Beitrag Griechenlands zu seiner Rettung. Die Regierung in Athen müsse sich stärker um einen Verkauf von Staatseigentum bemühen, betonte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Entscheidung am Bundestag vorbei
Weiteres Geld könne es nur geben, wenn das Land seine Sparauflagen erfülle. Anders als bei dem ab 2013 geplanten Rettungsschirm ESM ist der Bundestag nicht an Entscheidungen über die Auszahlung von Hilfen beteiligt. Medienberichten zufolge droht das Land aber weitere Kredite in Milliardenhöhe zu brauchen, um seine Zahlungsfähigkeit ab kommendem Jahr sicherzustellen.
Spekulationen über die Verpfändung von Mittelmeerinseln oder historischen Monumenten wies der griechische Regierungschef zurück: "Ich will eine Sache hinzufügen, in der wir sehr empfindlich sind", betonte er in dem Interview. "Uns vorzuschlagen, eine Insel oder ein Monument als Pfand zu hinterlegen, ist geradezu eine Beleidigung. Das Volk erwartet, dass unser Wort und unsere Taten als Bürgschaft ausreichen."
Widerstand in der Bevölkerung
Der Unmut der Griechen über das rigorose Sparprogramm und harte internationale Auflagen ist zuletzt wiederholt in Gewalt umgeschlagen. In der Nacht zum Sonntag kam es erneut zu Randale in Athen. Vermummte Jugendliche warfen Brandbomben auf eine Polizeiwache. Dabei seien drei Unbeteiligte verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet wies Befürchtungen zurück, der Euro sei wegen der Schuldenkrise in einigen Mitgliedstaaten der Währungsunion in Gefahr. " ", schrieb der Präsident der Europäischen Zentralbank in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Vielmehr hätten mehrere Euro-Staaten in ihrer Haushaltspolitik Fehler gemacht und müssten diese nun rigoros ändern.
Quelle: ntv.de, rts