Wirtschaft

Harter Schnitt durch Bond-Rückkauf? Athen soll Anleihen aufkaufen

"Ein Schuldenschnitt ist für uns nach wie vor nicht vorstellbar", heißt es aus Wolfgangs Schäubles Finanzministerium.

"Ein Schuldenschnitt ist für uns nach wie vor nicht vorstellbar", heißt es aus Wolfgangs Schäubles Finanzministerium.

(Foto: REUTERS)

Am Abend vor dem Sondertreffen der Euro-Finanzminister macht ein neuer Rettungsplan zur Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen die Runde: Athen soll demnach eigene Staatsanleihen mit einem 75-prozentigen Abschlag aufkaufen. Die Debatte zeigt vor allem eines: Griechenlands Retter sind sich alles andere als einig.

Leidenschaftliche Küsse sieht der Sytagma-Platz vor dem griechischen Parlament in letzter Zeit eher selten.

Leidenschaftliche Küsse sieht der Sytagma-Platz vor dem griechischen Parlament in letzter Zeit eher selten.

(Foto: REUTERS)

In Sachen Griechenland-Rettung liegt ein neuer Plan auf dem Tisch: Griechenland soll angeblich einem Vorschlag aus Deutschland zufolge die Hälfte seiner ausstehenden Staatsanleihen von Privatinvestoren zurückkaufen und so seine Schulden senken. Dieser Plan wäre mit erheblichen Abschlägen verbunden: Die Inhaber der Papiere würden lediglich 25 Prozent des Wertes erhalten, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Informationen aus dem Umfeld der Euro-Finanzminister.

Der Vorschlag wurde demnach bei Gesprächen zur Vorbereitung des für Dienstag anstehenden Finanzministertreffens unterbreitet. Der sogenannte "freiwillige Rückkauf" solle die Schuldenquote Griechenlands um 11 Prozentpunkte drücken. Für das kommende Jahr wird erwartet, dass das Land Verbindlichkeiten in Höhe von 190 Prozent seiner Wirtschaftsleistung hat. Die international vereinbarte Zielmarke für Griechenland liegt bei einer Schuldenquote von 120 Prozent.

Aus welcher Richtung das neue Rettungskonzept kommen könnte, ist für Beobachter wohl leicht zu erraten: Erst vor wenigen Wochen hatte das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied die Grundzüge eines ganz ähnlich klingenden Plans öffentlich ausgebreitet. Er könne sich vorstellen, dass die Regierung in Athen Geld zur Verfügung gestellt bekommt und damit eigene Staatsanleihen auf den Finanzmärkten zurückkauft, hatte Asmussen erklärt.

Private Gläubiger halten derzeit noch griechische Staatsanleihen im Wert von etwa 60 Mrd. Euro. Bei den übrigen Gläubigern handelt es sich um die Euro-Länder, den Internationalen Währungsfonds ( ) und die Europäische Zentralbank ( ). Dem neuen Vorschlag zufolge soll der Rückkauf 7,5 Mrd. Euro kosten. Die Hälfte davon würde die griechische Regierung tragen. Die andere Hälfte würde aus dem Topf der Gewinne bezahlt, die die EZB mit den griechischen Staatsanleihen in ihren Beständen erzielt.

Kurz vor dem Treffen der Eurogruppe zur Entscheidung über die dringend benötigten Hilfen für Griechenland hat das Land wichtige Pflöcke auf dem Reformweg eingeschlagen. "Wir haben geliefert und damit die letzten Zusagen eingehalten", betonte Regierungssprecher Simos Kedikoglou. Per Dekret sind von nun an Privatisierungserlöse dem direkten Zugriff der Regierung entzogen.

Die Erträge aus dem Verkauf von Staatsbetrieben sollen auf ein von der Notenbank eingerichtetes Sperrkonto fließen und ausschließlich zur Tilgung der Schulden aufgewendet werden. Zudem sollen die öffentlichen Haushalte künftig strikter kontrolliert werden. Falls Sanierungsziele mehrfach verfehlt werden, greifen künftig automatische Ausgabenkürzungen.

Kommt der zweite Schuldenschnitt?

Hoffnungen auf einen durch öffentliche Gläubiger darf sich das Land dennoch nicht machen: "Ein Schuldenschnitt ist für uns nach wie vor nicht vorstellbar", unterstrich eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Hessens Ministerpräsident sieht dies anders. Für ihn ist ein weiterer Schuldenschnitt sogar unausweichlich. "Ich glaube, auf Dauer wird man daran nicht vorbeikommen." FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, ein Schuldenschnitt werde kontrovers auch innerhalb der Troika diskutiert. Es mache daher keinen Sinn, über mögliche unmittelbare Auswirkungen auf Bundeshaushalt, Finanzinstitute oder Zentralbanken zu spekulieren. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle vermied es, einen Schuldenschnitt auszuschließen: "Ich glaube, kurzfristig steht das nicht an."

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält einen Forderungsverzicht öffentlicher Gläubiger für erwägenswert - aber noch nicht jetzt. Zuvor müsse der lange Reformweg absolviert sein und das Land ernsthaft die Rückkehr an den Kapitalmarkt anstreben. , um die Tragfähigkeit der Schuldenlast des in der Rezession festsitzenden Landes auf mittlere Sicht zu sichern. Mit dieser Forderung stößt der IWF aber in Berlin und in Wien auf Granit: Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter betonte vor Journalisten: "Wir haben ganz klar gemacht, dass Griechenland kein zusätzliches Geld von uns erwarten kann und auch keinen Schuldenschnitt der öffentlichen Haushalte."

Der Bundestag wird mitreden

Nach bisheriger Planung will die Eurogruppe an diesem Dienstag in Brüssel eine Kreditauszahlung von 31,5 Mrd. Euro für Griechenland grundsätzlich freigeben. Da das Hilfsprogramm von 130 Mrd. Euro aus dem Ruder gelaufen ist, klafft jedoch ein milliardenschweres Finanzloch. Diplomaten rechnen deshalb damit, dass die Verhandlungen bei dem Sondertreffen der Euro-Kassenhüter - wie schon in der vergangenen Woche - erneut sehr kompliziert werden.

Ob es am Dienstag in Brüssel zu einer Entscheidung kommt, ist nach den Worten von Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter noch offen. "Wenn morgen Abend keine Einigung erfolgt, dann wird das später erfolgen." Das Finanzministerium betonte jedoch, es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, bei dem Ministertreffen den Weg für eine Einigung über Fragen wie etwa die Deckung einer Milliardenlücke und zur Schuldentragfähigkeit zu ebnen.

Laut Kampeter geht es zunächst darum, das bis 2014 laufende Hilfspaket wieder auf Kurs zu bringen. Eine Lösung müsse dann erst einmal den Bundestag passieren. Auch in Brüssel deuteten Äußerungen der Beteiligten darauf hin, dass es keine rasche Komplettlösung geben wird. Auch schwelt der Streit mit IWF-Chefin weiter, die auf mehr Engagement der Euro-Staaten dringt. Die Französin will zum Treffen anreisen. Dem niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem zufolge haben die Gläubiger mehrere Optionen, um Griechenland zu helfen. Er verwies darauf, dass das Agäis-Land über bilaterale Kredite, den IWF und über Anleihen-Käufe am Markt über Wasser gehalten werde: "Für alle diese Optionen kann man sich Laufzeiten und Zinshöhe anschauen."

Die EU-Kommission, die stets bei den Beratungen der Eurogruppe zugegen ist, pochte dagegen auf eine umfassende Lösung: "Wir müssen eine Vereinbarung finden, die alle unterstützen und die die Tragfähigkeit der griechischen Schulden sichert", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Der Sprecher berichtete auch, dass die "Troika" den Ressortchefs über den letzten Stand in Griechenland berichten werde.

Griechenland erwirtschaftete ohne Schuldendienst im September einen Haushaltsüberschuss von 775 Mio. Euro. Vor Jahresfrist stand dort noch ein Defizit in Höhe von 1,1 Mrd. Euro. Die Regierung und die Geldgeber rechnen damit, dass das Land 2013 erstmals seit Jahren einen Haushaltsüberschuss (ohne Schuldendienst) erwirtschaften wird. Der Etat 2013 sieht einen primären Überschuss von 2,2 Mrd. Euro vor. Ein ausgeglichener Haushalt unter Berücksichtigung des Schuldendienstes liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Griechenland-Rettung noch teurer?

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider hält es für möglich, dass der Bundestag sich in der kommenden Woche im Plenum mit einer etwaigen Einigungsformel befasst. Der Zeitpunkt sei gekommen, an dem es gehe, nicht mehr nur Garantien und Kredite. Der Bundesregierung warf er vor, dies aus wahltaktischen Gründen nicht sagen zu wollen. Schneider hält, wie auch EZB-Direktor Jörg Asmussen, ein drittes Hellas-Hilfepaket für unausweichlich.

Auf breites Verständnis oder gar Zustimmung stoßen die Spar- und Reformbemühungen der internationalen Geldgeber in Griechenland unterdessen weiter nicht: Aus Protest gegen geplante Entlassungen besetzten zu Wochenbeginn Gewerkschaftsmitglieder in Kommunalbehörden zahlreiche Rathäuser und andere Kommunalgebäude.

Müllabfuhr und Kindergärten blockiert

Mit dieser Aktion wollten sie verhindern, dass der Staat rund 2000 Angestellten für ein Jahr in eine Art Reserve schickt und sie danach entlässt. In Athen blockierten Kommunalbedienstete den Lastwagenfuhrpark der Müllabfuhr. Nur Krankenhausmüll sei abgeholt worden, teilte die Gewerkschaft mit.

In einigen Städten wurden auch die Eingänge von Kindergärten blockiert, dies sei aber später aufgegeben worden, um den guten Willen zu zeigen, hieß es von den Gewerkschaften. Der Bürgermeister von Athen, Giorgos Kominis, versprach, er werde sich dafür einsetzen, dass die Leute, die entlassen werden sollen, in anderen Berichten des Staates beschäftigt werden.

Die Entlassungen sind Bestandteil des neuen 13,5 Mrd. Euro schweren Sparprogramms. Insgesamt sollen in Griechenland bis Ende 2015 insgesamt 150.000 Staatsbedienstete gehen. Das Parlament in Athen hatte Anfang November das Sparprogramm nach einer stürmischen Debatte gebilligt. Die Arbeitslosigkeit übertrifft inzwischen die 25-Prozent-Marke. Mehr als 55 Prozent der jungen Menschen sind ohne Job.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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