Berlin bremst Lagarde-Vorschlag aus Asmussen skizziert Athen-Hilfe
12.10.2012, 22:20 Uhr
Christine Lagarde: In Berlin beißt die IWF-Chefin auf Granit.
(Foto: dpa)
IWF-Chefin Lagarde fordert mehr Zeit für Griechenland. Kanzlerin Merkel reagiert reserviert - sie wartet weiter auf die Troika. EZB-Direktor Asmussen heizt die Debatte mit einem nicht ganz neuen Vorschlag an. EU-Spitzenvertreter legen ein Reformpapier vor: Europa steht ein heißer EU-Herbstgipfel bevor.

Ganz nah dran: Als Direkoriumsmitglied der EZB sitzt Jörg Asmussen im Entscheidungszentrum.
(Foto: dpa)
Im Kampf gegen die erdrückenden Schuldenlasten im griechischen Staatshaushalt hat EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen ein neues Hilfsmodell angeregt. Er könne sich vorstellen, dass die Regierung in Athen Geld zur Verfügung gestellt bekommt und damit eigene Staatsanleihen auf den Finanzmärkten zurückkauft, sagte Asmussen der "Süddeutschen Zeitung".
Nach den Worten Asmussens könne so die hohe Schuldenquote des Landes gedrückt werden. Dies sei nötig, denn es zeichne sich ab, dass die 2020 deutlich über dem angepeilten Wert liegen werde. "Daher muss man sich Elemente überlegen, um sich diesem Zielwert zu nähern. Dazu könnte ein Schuldenrückkauf gehören." Asmussen ließ dem Blatt zufolge offen, woher das Geld für die Aktienrückkäufe kommen solle.
Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. "Aus Sicht der Bundesregierung geht es vorrangig darum, die Umsetzung des vereinbarten Programms voranzubringen und die Ergebnisse des Troikaberichts abzuwarten. Die Troika wird auch die Schuldentragfähigkeit von Griechenland beurteilen", sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums am Abend.
Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" stößt Asmussens Vorschlag nicht nur im Finanzministerium auf Ablehnung. Die Gedankenspiele der EZB seien unrealistisch, erfuhr das Blatt aus Regierungskreisen. "Die Bundesregierung plant keine neuen Instrumente für den EFSF und ESM."
Rechenspiele mit Staatsanleihen
Asmussens Idee stützt sich vor allem darauf, dass griechische Schuldtitel derzeit auf den Finanzmärkten weit unter ihrem Nominalwert gehandelt werden. Würde die griechische Regierung diese Titel nun zurückkaufen, müsste sie - grob vereinfacht - für Anleihen im Nominalwert von 100 Euro nur einen Kurswert von beispielsweise 50 oder 70 Euro bezahlen. Die Schuldenquote würde spürbar sinken. Verkäufer der Anleihen könnten vor allem private Gläubiger wie Banken und institutionelle Investoren sein.
"Ganz klar: Die EZB kann einen solchen Schuldenrückkauf nicht durchführen, das wäre Sache des griechischen Staates", erklärte Asmussen der "SZ". Er betonte, dass ein Schuldenrückkauf nicht gleichbedeutend mit einem Schuldenschnitt sei. Die privaten Gläubiger Griechenlands haben bereits auf die Rückzahlung von etwa 100 Mrd. Euro verzichtet. Weil jedoch die Wirtschaft stärker einbricht als erwartet, steigt die Schuldenquote trotzdem massiv an.
Eine Senkung der Schuldenquote gilt als eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich Griechenland in einigen Jahren wieder über private Kapitalgeber finanzieren und ohne Hilfe der Euro-Partner auskommen kann.
Asmussen übernimmt eine Idee, die die griechische Regierung in den Verhandlungen immer wieder ins Spiel gebracht hatte. In etlichen EU-Regierungen wird sie aber kritisch gesehen. Denn sollte das Geld etwa aus dem Rettungsschirm ESM zur Verfügung gestellt werden, käme dies einer - laut EU-Vertrag verbotenen - Staatsfinanzierung gleich. Zudem dürfte der echte Entlastungseffekt gering sein: Denn ab dem Zeitpunkt, an dem der Rückkauf der Anleihen durch Griechenland bekannt wird, dürften die Kurse nach oben schnellen.
Deuutschland gegen Lagarde-Vorschlag
Unterdessen stößt der Vorschlag, Griechenland mehr Zeit einzuräumen, in Deutschland auf hartnäckigen Widerstand. Bundeskanzlerin Angela Merkel ging auf Distanz zur Forderung von IWF-Chefin Christine Lagarde, Athen mehr Zeit zum Sparen zu geben. Merkel will am vereinbarten Zeitplan festhalten. "Wir haben ein Prozedere vereinbart, das sinnvoll ist und an das wir uns halten werden", beschrieb Regierungssprecher Steffen Seibert die Haltung der Bundesregierung. Maßgeblich für alle weiteren Entscheidungen sei der Troika-Bericht. "Das ist das, was für uns am Ende zählt."
Mit Blick auf die Lage Griechenlands hatte IWF-Chefin Lagarde vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Tokio einen Aufschub von zwei Jahren für Athen ins Gespräch gebracht. Um diese Frist hatte der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras wochenlang in den wichtigsten Hauptstädten Europas vergeblich gebeten. Aufschub bei der Sanierung der Staatsfinanzen war zuvor schon Spanien und Portugal gewährt worden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wies die Forderung von Lagarde erneut als verfrüht zurück. Bis der Troika-Bericht nicht vorliege, "dürfen wir nicht darüber spekulieren". Vorzeitige Spekulationen würden die Märkte verwirren und zum Vertrauensverlust beitragen. Griechenland habe durch die Neuwahlen viel Zeit verloren und müsse dazu beitragen, das Vertrauen wieder herzustellen.
Lagarde dagegen bekräftigte: "Angesichts des mangelnden Wachstums, des Marktdrucks und der bereits unternommenen Anstrengungen ist ein bisschen mehr Zeit notwendig."
Die Troika entscheidet
Der Troika-Bericht von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) steht weiterhin aus. Ohne die Hilfstranche von 31,5 Mrd. Euro steht das Land . Die dringlichen Probleme in der Eurozone könnten die eng gesteckten Terminpläne der Euro-Politiker in den kommenden Tagen erneut durcheinanderbringen.
Brüsseler Beobachter halten es durchaus für möglich, dass die Staats- und Regierungschefs der 17 Mitgliedsländer am Rande des regulären EU-Gipfels nächste Woche zu gesonderten Beratungen zusammenkommen.
Die Staatenlenker aller 27 EU-Länder werden am Donnerstag und Freitag nächster Woche (18. und 19. Oktober) in Brüssel zu ihrem Herbstgipfel zusammenkommen. Das wichtigste Thema ist die Reform der Eurozone. Erst zu Wochenbeginn hatte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die weiter nach unten geschraubt.
Weidmann verteidigt die EZB-Rolle
Bundesbank-Präsident warnte in Tokio davor, bei der Lösung der Krise die Notenbanken immer stärker einzuspannen. Dies betreffe nicht nur die Eurozone, sondern auch andere Währungsräume.
Der Bundesbank-Chef hatte die EZB-Pläne, , mehrfach kritisiert. "Die Geldpolitik stellt kein Allheilmittel dar und ist keine Wunderwaffe."
Van Rompuy, Barroso, Juncker und Draghi
Unterdessen legten vier Spitzenvertreter der Europäischen Union ein gemeinsames Papier zur vor. Sie pochen insbesondere auf rasche Fortschritte bei der Bankenunion, deren Grundstein eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurozone ist. Die Vorschläge sollen beim Herbstgipfel in der nächsten Woche in Brüssel debattiert werden.
Das Reform-Papier stammt von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und von Mario Draghi, der die Europäische Zentralbank führt. Mit endgültigen Beschlüssen zum Umbau der Währungsunion wird erst im Dezember gerechnet. Die Reform ist nötig, weil die Schuldenkrise mehrere Mitgliedsländer an den Rand des Abgrunds brachte.
Die EU-Kommission hatte im September einen Vorschlag für eine über die Geldhäuser im Euro-Raum gemacht. Sobald sie steht, sollen marode Banken direkt Nothilfe aus dem Euro-Rettungsfonds erhalten dürfen. Deutschland hat unter anderem Bedenken bei dem Zeitplan, die Aufsicht bis Jahresende zu schaffen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts