Klage wegen Zinsmanipulationen Banken-Erfolg im Libor-Verfahren
30.03.2013, 15:30 Uhr
Die Banken im Libor-Skandal dürfen auf geringere Schadenersatzforderungen hoffen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Skandal um Zinsmanipulationen bei den Großbanken kommt auf die beschuldigten Geldhäuser womöglich weniger Schadenersatz zu als gedacht: Die zuständige US-Richterin weist die schwersten Anklagepunkte gegen die Institute zurück. Kriminelles Verhalten müssen sich die Banken von Investoren nun nicht mehr vorwerfen lassen - aus dem Schneider sind sie aber noch nicht.
Im internationalen Skandal um Zinsmanipulationen können die beschuldigten Banken aufatmen: Ein New Yorker Gericht hat eine Serie von privaten Schadenersatz-Klagen gegen die Geldhäuser in großen Teilen abgewiesen. In den 22 Klagen - eingereicht von Anleihegläubigern wie dem Börsenhändler Charles Schwab und der Stadt Baltimore - ging es um Milliardensummen, die die 16 an der Ermittlung des Londoner Interbanken-Zinssatzes Libor beteiligten Institute - darunter die Deutsche Bank - zahlen sollten. Dies könnte dazu führen, dass die Banken den Klägern deutlich weniger bezahlen müssen als bislang befürchtet.
Den Geldhäusern wird vorgehalten, den Referenzzinssatz Libor manipuliert zu haben. Richterin Naomi Reice Buchwald vom Bezirksgericht in Manhattan stellte aber klar, dass die Beweislast für private Kläger weit größer ist als für die Aufsichtsbehörden, die die Royal Bank of Scotland, UBS und Barclays bereits zu Geldbußen von insgesamt zwei Mrd. Euro verdonnert haben.
Von den Libor-Zinssätzen hängen weltweit Finanzgeschäfte im Volumen von rund 550 Billionen Dollar ab - vom Hypothekenkredit bis zur komplizierten Derivate-Transaktion. Der Zinssatz wird einmal täglich ermittelt, er beruht auf Angaben der Banken zu ihren Refinanzierungskosten. Händler von 16 Instituten sollen vor und während der Finanzkrise durch falsche Meldungen die Zinsen zu ihren Gunsten verzerrt haben - um Handelsgewinne einzustreichen und die Lage des eigenen Hauses besser aussehen zu lassen als sie war.
Beweisführung bleibt schwierig
Doch Richterin Buchwald ließ nur den Vorwurf gelten, dass die Manipulationen möglicherweise Händler geschädigt haben, die direkt auf die Libor-Entwicklung gewettet haben. Schon kleinste Bewegungen des Interbanken-Zinses können bei Derivaten zu hohen Gewinnen oder Verlusten führen. Darüber muss nun verhandelt werden. Doch dass die Banken ein Kartell gebildet hätten, die Rohstoffmärkte manipuliert hätten und Organisierte Kriminalität betrieben hätten, wies Buchwald auf Antrag der verklagten Banken zurück.
Angesichts der hohen Strafen, die einige Institute bereits gezahlt hätten, sei es wohl unerwartet, dass sie einen Großteil der Klage abweise, räumte sie in dem 161 Seiten langen Schriftsatz ein. Doch für private Klagen bedürfe es zahlreicher Voraussetzungen, und die seien nur in einem kleinen Teil der Fälle gegeben.
Für die Kläger bedeutet die Entscheidung einen erheblichen Rückschlag. Ihre Gruppe setzt sich sehr unterschiedlich zusammen, sie umfasst etwa einzelne Anleihebesitzer ebenso wie die Stadt Baltimore. Deutsche Anlegeranwälte waren von Anfang an skeptisch, was die Erfolgsaussichten von privaten Klagen betrifft, bei denen es um Finanzprodukte geht, die vom Libor-Zins abhängen. Denn der Nachweis eines materiellen Schadens sei schwierig zu führen.
Kläger erwägen erweiterte Klageschrift
Buchwald ließ den Klägern allerdings eine Hintertür offen. Sie könnten eine ergänzte Klageschrift einreichen, wenn sie in den im Zuge der Vergleichsverhandlungen mit den Behörden bekanntgewordenen Dokumenten - wie interne E-Mails und Chats zwischen Händlern der Banken - weitere Beweise für ihre Vorwürfe fänden. Klägeranwalt Michael Hausfeld sagte, er prüfe noch, eine erweiterte Klageschrift einzureichen oder Berufung einzulegen. Die Deutsche Bank äußerte sich nicht zu dem Verfahren, von den anderen Instituten waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten.
Die Royal Bank of Scotland hatte sich kürzlich auf Strafzahlungen von 612 Mio. Dollar an die US- und die britischen Aufsichtsbehörden geeinigt, die UBS hat im Dezember 1,5 Mrd. Dollar bezahlt, Barclays musste im Juni 453 Mio. Dollar abdrücken. Weitere Vergleichsverhandlungen sollen folgen, Banken haben Millionen dafür zurückgestellt, bei der Deutschen Bank sind es nach Medienberichten allein rund 500 Mio. Euro.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin ist in einer Sonderprüfung zu dem Schluss gelangt, dass deutsche Banken das mit der Libor-Meldung verbundene Risiko offenbar unterschätzt hatten. Zu den Geldhäusern, gegen die weltweit ermittelt wird, gehören neben UBS, Barclays, Royal Bank of Scotland und Deutsche Bank die Bank of America, Citigroup, Credit Suisse, HSBC, JPMorgan Chase und die ehemalige WestLB (heute Portigon).
Quelle: ntv.de, hvg/rts