Deutschland will nicht für Europa haften Berlin lehnt Eurobonds "light" ab
18.06.2012, 13:53 Uhr
Deutschland lehnt auch den Kompromissvorschlag der EU, sogenannte Eurobonds "light", strikt ab.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit Plänen für gemeinsame europäische Staatsanleihen, die Deutschland Haftung für den Rest Europas begrenzen, will Brüssel Berlins Blockadehaltung bei Eurobonds brechen. Doch selbst mit ihrem Kompromissvorschlag beißt die EU bei der deutschen Regierung auf Granit.
Deutschland will nicht weiter für den Rest der Eurozone zahlen: Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Plänen für sogenannte Euro-Bills eine Absage erteilt. "Für uns Deutsche kommt eine gesamtschuldnerische Haftung für alle Schulden in Europa, nicht direkt, aber auch nicht indirekt, auf keinen Fall in Betracht", sagte Westerwelle. Deutschland werde dem Druck wiederstehen, dass es für alle Schulden in Europa haften solle.
Führende Vertreter von EU und Europäischer Zentralbank (EZB) arbeiten laut "Spiegel" angesichts des hartnäckigen Widerstands aus Deutschland und anderen Staaten an einem Kompromissvorschlag für gemeinsame Schuldscheine aller Euroländer. Statt Euro-Bonds mit langen Laufzeiten wolle die EU nun sogenannte Euro-Bills einführen, berichtet das Magazin. Das sind gemeinsame europäische Anleihen, die nur eine kurze Laufzeit haben. Jeder Staat dürfte sich nach den Plänen bis zu einem bestimmten Prozentsatz seiner Wirtschaftsleistung mittels Euro-Bills finanzieren. Wer die Regeln nicht einhält, soll im folgenden Jahr vom Handel mit den Papieren ausgeschlossen werden.
Mit dem Vorschlag hoffen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José-Manuel Barroso, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und EZB-Präsident Mario Draghi die deutsche Regierung überzeugen zu können. Doch die bleibt hart: Euro-Bills seien kein offizieller Vorschlag, heißt es aus dem Finanzministerium. Auch die Bundesbank lehnt eine weitere Haftung Deutschlands für Schulden im Rest Europas weiter strikt ab.
Keine Gemeinschaftshaftung für Deutschland
Die Notenbanker haben sich deutlich gegen die Einführung eines Schuldentilgungsfonds zur Entlastung hoch verschuldeter Euroländer ausgesprochen."Insgesamt gesehen stellt der Vorschlag eines Schuldentilgungspaktes eine umfassende Einführung von gemeinschaftlicher Verschuldung in den nächsten Jahren dar, ohne dass hiermit eine ausreichende Abgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden wäre", kritisierten die Währungshüter. Der Rat der Wirtschaftsweisen hatte 2011 einen gemeinsamen europäischen Schuldentilgungsfonds vorgeschlagen, der wie Eurobonds oder die jetzt vorgeschlagenen Eurobonds "light" ebenfalls auf eine gemeinsame Haftung aller Euro-Länder für einen Teil der Staatsschulden hinausläuft.
Euro-Bills unterscheiden sich von Eurobonds vor allem in der Laufzeit. Bills müssen spätestens nach einem Jahr zurückgezahlt werden. Der Vorteil: In diesem kurzen Zeitraum ist das Risiko eines Zahlungsausfalls für Investoren überschaubar - anders als bei Bonds, die erst nach zwei, fünf, zehn oder sogar 20 oder 50 Jahren an die Investoren zurückgezahlt werden müssen. Genau wie bei Bonds würden Krisenstaaten wie Spanien davon profitieren, dass die Bills gemeinsam mit wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland ausgegeben würden. Sie müssten weniger Zinsen zahlen, Deutschland dagegen höhere.
Die kurze Laufzeit der Euro-Bills birgt noch einen entscheidenden Vorteil. Krisenstaaten erhalten sie nur gegen Auflagen, etwa Sparvorgaben. Gleichzeitig sollen sie in der Höhe begrenzt werden - als Limit sind zehn Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes im Gespräch. Wenn gegen Auflagen verstoßen wird, können die Sünder rasch von der Vergabe neuer Bills ausgeschlossen werden. Für Euro-Bills spricht auch, dass für deren Einführung nicht die europäischen Verträge geändert werden müssen. Sie könnten also rasch aufgelegt werden.
Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Staatsanleihen
Allerdings sind auch Euro-Bills kein Wundermittel. Mit kurzlaufenden Staatsanleihen kann nur ein Teil des Finanzbedarfs gedeckt werden, der Bedarf von Anlegern an solchen Papieren nicht unbegrenzt. Der Bund beispielsweise leiht sich im zu Ende gehenden Frühjahresquartal insgesamt 68 Mrd. Euro von Investoren, weniger als ein Drittel davon mit Wertpapieren mit kurzer Laufzeit. Euro-Bills wären aber ein erster Schritt in Richtung von gemeinschaftlich begebenen Euro-Bonds.
Faktisch würde durch den Vorschlag aber eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei europäischen Staatsanleihen geschaffen. Es ist fraglich, ob Investoren überhaupt weiterhin Interesse an den nationalen Schuldscheinen einiger hoch verschuldeter Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal hätten, wenn sie gleichzeitig auch Anleihen dieser Länder kaufen können, für die der Rest der Eurozone mithaftet. Zudem würden gemeinsame Staatsanleihen in der Zukunft nicht die Schulden beseitigen, die die Staaten bisher angehäuft haben.
Die EU-Kommission hat bereits im Dezember 2011 gemeinsame Staatsanleihen als Weg aus der Eurokrise vorgeschlagen. Beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni will EU-Kommissionspräsident Barroso einen Fahrplan für die Zukunft vorlegen. Dabei soll es nach den bisherigen Planungen auch um die Einführung gemeinschaftlicher Anleihen aller Euro-Länder gehen.
Quelle: ntv.de, hvg/dpa/rts/DJ