Das Potenzial ist gewaltig Bleibt China das Auto-Mekka?
23.04.2012, 11:27 Uhr
Das Potenzial für Käufer scheint in China fast grenzenlos. Aber auch das Reich der Mitte unterliegt den Gesetzen der Weltkonjunktur.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wird der chinesische Pkw-Markt für deutsche Auto-Manager ein Quell steter Freude bleiben? Die Eckdaten zum Auftakt der Auto-Ausstellung in Peking 2012 lassen für Raum für Optimismus, doch auch das Reich der Mitte ist keine Insel der Glücksseligkeit im rauen Ozean der Weltkonjunktur.
Zweistellige Zuwachsraten gehören selbst in China der Vergangenheit an. Das macht einige Bank-Analysten und Wirtschaftsbeobachter nervös. Nach Ansicht des Vize-Präsidenten der Volkswagen-Group China, Weiming Soh, ist der Markt dort "auf dem Weg in die Normalisierung". Das bedeutet aber immer noch, dass die Wirtschaft in einem Maße wächst, wie es sich die Regierungen europäischer Staaten nur träumen lassen können: 8,1 Prozent stehen für das erste Quartal 2012 zu Buche. Jetzt wird die gemeinsam mit der Messe in Shanghai wichtigste Autoshow auf dem asiatischen Festland eröffnet und die Chefs der europäischen Hersteller schauen gebannt in die chinesischer Hauptstadt.
Spritpreise steigen auch in China
Was gerade in Deutschland wieder heiß diskutiert wird, ist auch für chinesische Autofahrer ein Dauerthema. Die Spritpreise sind seit 2003 in China auf einem permanenten Weg nach oben, liegen heute schon um 30 Prozent höher als in den USA. Das ist zwar noch nicht so viel, wie europäische Autofahrer an der Zapfsäule zahlen müssen, angesichts des viel niedrigeren Einkommensniveaus in China aber auch ein Indikator für möglicherweise rückläufige Nachfrage nach Pkw.
Allerdings ist das Potenzial des 1,3-Milliarden-Volkes gewaltig. Derzeit sind dort 476 verschiedene Pkw-Modelle auf dem Markt, dieses Jahr werden mehr als 80 dazu kommen. Und neue Marken stehen bereit, ihn sich zu erschließen. Vor wenigen Wochen hat Seat mit großem Brimborium die Einführung des Modells Leon gefeiert. Der Ibiza wird folgen. Die spanische VW-Tochter hat dabei eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe als potenzielle Kunden im Auge. Insbesondere bei denjenigen chinesischen Männer und Frauen, die nach 1980 geboren sind, soll die Lust auf die in Europa zuletzt nicht großartig von Kundeninteresse verwöhnte Marke geweckt werden.
VW verliert in Peking
Die Truppe um den schottisch-stämmigen Seat-Chef James Muir soll einen Trend bei jungen Erwachsenen auffangen, der eine Abkehr vom bisher bevorzugten Lebensweg darstellt. Bislang wollten die aus ländlichen Gegenden Chinas stammenden, gut ausgebildeten Berufseinsteiger bevorzugt in Shanghai oder Peking ihre Karriere aufbauen. Heute suchen sie lieber in ihrer Heimatgegend nach lukrativen Arbeitsmöglichkeiten.

In China sind 476 verschiedene Pkw-Modelle am Markt und es werden immer mehr.
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Diese Altersgruppe wird, laut Weiming Soh, in naher Zukunft rund 40 Prozent der potenziellen Autokunden ausmachen. Deren Mobilitätsbedürfnisse sollen analysiert und das Image der Seat-Marke in China entsprechend zurecht gebastelt werden. Dass die Metropolen an Bedeutung verlieren, ist schon jetzt daran abzulesen, dass Peking die einzige Region ist, in der die Volkswagen-Group 2011 einen Rückgang um zehn Prozent verzeichnen musste.
Eigentlich aber könnten sich die Verantwortlichen der Volkswagen-Group entspannt zurück lehnen, denn mit knapp 20 Prozent Marktanteil im inzwischen absatzstärksten Pkw-Verkaufsgebiet weltweit ist sie fast so stark wie in Deutschland selbst. General Motors und Hyundai folgen mit weiten Abstand. Bei den Premium-Marken hat Audi deutlich die Nase vorn und mit 313.000 Autos mehr Limousinen und SUV verkauft als im Heimatland. Mercedes und BMW liegen in respektvoller Distanz zu diesem Wert, verzeichnen aber auch Zuwächse.
In den Weiten Chinas liegt das Potenzial
Das Land des Lächelns verändert sich derweil spürbar. Waren in der Vergangenheit vor allem die Regionen an der Ostküste zwischen den Zentren Shanghai und Shenzen die Motoren eines rasanten Aufstiegs, wird bald auch in der Autoindustrie ein Slogan an Bedeutung gewinnen, der aus der Gründerzeit der USA bekannt ist: "Go West". In den Weiten des chinesischen Hinterlandes liegt das Potenzial, für weiteren Absatz an Automobilen zu sorgen. Die Hersteller tragen dem dadurch Rechnung, dass sie ihre Händlernetze stetig ins Innere der Volksrepublik ausdehnen.
Bekannter Maßen ist Volkswagen ein Konzern, der vom einfachst ausgestatteten Skoda Fabia bis zur Millionen-Karosse Bugatti Veyron alle denkbaren Wünsche nach automobiler Fortbewegung befriedigen könnte. Bei Skoda sieht man etwa die Situation des Heimatmarktes als Ansporn für verstärkte Verkaufsanstrengungen in China. In Tschechien sind heute rund 500 Pkw je 1000 Einwohner registriert. In China ist es weniger als ein Zehntel davon. Deshalb will Skoda am Montag ein Konzept-Fahrzeug präsentieren, "das perfekt zu China passt".
Mekka für die Premiummarken
Gleichzeitig mit den vielen Familien im Reich der Mitte, die sehnlichst das erste eigene Auto erwarten, gibt es die Wohlhabenden und Superreichen, die Volkswagen mit Bentleys und Bugattis mobil halten will.
Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge verfügen rund 80.000 Haushalte in China über ein frei verfügbares Vermögen von umgerechnet fünf Millionen Euro oder mehr. Sie zum Kauf (meist noch) eines Lamborghinis oder Bentleys zu veranlassen, sieht Weiming Soh als Aufgabe seiner Vertriebs-Strategen.
Was Bentley angeht, so hat China die USA mittlerweile als weltweit wichtigster Markt für die Luxus-Pkw aus dem englischen Crewe abgelöst. Und das, obwohl der chinesische Staat die Einfuhr derartiges Preziosen mittels hoher Steuern erschwert. Bentley unterhält in China jetzt den weltweit größten Verkaufs-Salon für die Marke. Lamborghini konnte seine Absatzzahlen von 28 Autos im Jahr 2007 auf zuletzt 342 mehr als verzehnfachen.
Nur der extreme Bugatti bleibt auch unter chinesischen Bedingungen ein Exot. Vor kurzem erwarb ein steinreicher Hotelier aus Peking das erste und bisher einzige Exemplar dieses Jahres. Das sei, so Weiming So, "weit weg von einer befriedigenden Zahl".
Quelle: ntv.de