Beobachter rechnen mit dem Durchbruch Börsenchefs drücken auf die Tube
15.02.2011, 14:08 Uhr
Von jeher europäisch beeinflusst: Details aus der Fassade der New Yorker Börse.
Bei ihrem geplanten Zusammenschluss zur weltgrößten Börse schwenken die beiden konkurrierenden Unternehmen Deutsche Börse und Nyse Euronext offenbar auf die Zielgerade ein. Beobachtern zufolge steht eine Einigung unmittelbar bevor. In wenigen Stunden wird eine Mitteilung erwartet. Die Aktien von Nyse Euronext sind bereits vom Handel ausgesetzt. Am Nachmittag soll es eine Pressekonferenz geben.
In den Fusionsverhandlungen zwischen Deutscher Börse und Nyse Euronext könnte es bereits in Kürze Klarheit geben. Beide Börsenbetreiber planten für Dienstagnachmittag eine Mitteilung und eine Pressekonferenz um 16.00 Uhr MEZ, hieß es aus dem Umfeld der beteiligten Unternehmen. Ein Sprecher der Deutschen Börse lehnte eine Stellungnahme ab. Die Aktien von Nyse Euronext wurden in Paris und vorbörslich in New York vom Handel ausgesetzt. Die Aktien der Deutschen Börse lagen deutlich im Minus.
Sollten sich die beiden Verhandlungspartner einigen, wären Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni und sein US-Kollege Duncan Niederauer von Nyse Euronext am Ziel: In der geplanten Fusion der beiden Markt-Spezialisten, dem Anbieter des deutschen Leitindex Dax und dem Betreiber der New Yorker Börse an der Wall Street, könnte sie bereits am Nachmittag die historische Einigung einläuten. Beide Seiten hätten sich in wichtigen Punkten geeinigt, hieß es aus Verhandlungskreisen. Zu den strittigen Fragen, die mittlerweile geklärt seien, zählte demnach etwa, welcher Aufschlag an die Nyse gezahlt werde.
Die Aufsichtsräte beider Börsen sollten im Lauf des Tages über die geplante Fusion entscheiden, hieß es. Wenn sie grünes Licht geben, könnten Francioni und Niederauer im Anschluss eine Fusionsvereinbarung präsentieren. Doch nationale Interessen und regulatorische Einwände machen Börsen-Zusammenschlüsse zu einer heiklen Angelegenheit. Störfeuer könnte laut US-Sender "Fox Business Network" auch noch von der CME kommen. Die weltgrößte Derivate-Börse könnte dem Sender zufolge eine feindliche Übernahmeofferte für die Nyse vorlegen. Beobachtern zufolge belastete das den Aktienkurs der Deutschen Börse, obwohl unklar war, wie konkret die Planungen für ein solches Angebot tatsächlich sind.
Streitpunkte einfach ausgeklammert?

Haben Duncan Niederauer (li) und Reto Francioni heute etwas zu verkünden?
(Foto: picture alliance / dpa)
Zudem sorgen Details wie der Name der neuen Mega-Börse im Vorfeld für Gezanke. Deshalb seien diese Frage und andere wichtige Details noch offengelassen worden, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person, die nicht namentlich genannt werden wollte. Es sei auch noch unklar, wie genau die Kosten gesenkt und welche Technologien bevorzugt würden. Durch das Ausklammern kritischer Punkte soll verhindert werden, dass die Megafusion von Frankfurt und New York wie beim letzten Anlauf 2008 scheitert.
In den USA mischen sich bereits kritische Stimmen aus der Politik in die Debatte: Der einflussreiche US-Senator und Demokrat Charles Schumer, der auch dem Bankenausschuss des Senats angehört, pochte darauf, dass die Nyse im künftigen Unternehmensnamen zuerst genannt wird. Das wiederum sorgte in Frankfurt für Irritationen.
DB Nyse oder Nyse DB?
Verzögerungen geben anderen potenziellen Interessenten Zeit, sich in den Fusionspoker einzuschalten. So berichtete am Montag Fox Business Network unter Berufung auf Bankenkreise, dass die CME eine feindliche Übernahmeofferte für die Nyse abgeben könnte. Ein Sprecher der Derivatebörse mit Sitz in Chicago lehnte eine Stellungnahme ab. "Sollte es zu einem Bieter-Wettstreit kommen, könnte das für die Deutsche Börse sehr teuer werden", warnte ein Händler. Die Aktien der Frankfurter Börsenbetreiber fielen um bis zu 1,7 Prozent auf 60,31 Euro, während die Titel von Nyse Euronext in Paris um 6,9 Prozent auf 29,80 Euro nach oben schossen.
Bei einem Zusammenschluss entstünde der weltweit größte Handelsplatz für Aktien und Derivate - gemeinsam wären Deutsche Börse und die Nyse knapp 26 Mrd. Dollar wert. Mit dem Schulterschluss reagieren die beiden Börsenbetreiber auf steigenden Kostendruck und zunehmende Konkurrenz von alternativen Handelsplattformen, die ihnen mit günstigen Preisen die Butter vom Brot nehmen.
Formal soll die Nyse Finanzkreisen zufolge die Deutsche Börse schlucken, deren Aktionäre hielten dann aber rund 60 Prozent an dem neuen Konzern. Leiten soll die Mega-Börse Nyse-Chef Niederauer in New York, wo der Aktienhandel angesiedelt werden soll. Deutsche-Börse-Chef Francioni soll als Verwaltungsratschef von Frankfurt aus arbeiten, von wo aus der Derivatehandel gesteuert werde. Auch über die Besetzung des Boards des kombinierten Unternehmens sei man sich einig, sagte ein Insider. Zehn der 17 Mitglieder sollen von der deutschen Seite stammen.
Allerdings haben die Kartellbehörden auch noch ein gewichtiges Wort mitzureden: Analysten erwarten vor allem Einwände im Derivategeschäft, das durch einen Zusammenschluss von Eurex und Liffe von der neuen Gruppe dominiert würde. Auch die hessische Börsenaufsicht hat ein Vetorecht. Sie betonte bereits, die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt wahren zu wollen.
Quelle: ntv.de, rts