Wirtschaft

Besser wird es später Brasilien vertagt Wachstum

Arbeiter in Brasilia: Der südamerikanische Wirtschaftsmotor stottert.

Arbeiter in Brasilia: Der südamerikanische Wirtschaftsmotor stottert.

(Foto: REUTERS)

Brasiliens Wachstum bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auch die sechstgrößte Volkswirtschaft bekommt die Auswirkungen der Krise zu spüren. Die Regierung steuert heftig gegen und hofft auf Besserung im zweiten Halbjahr.

Von einer Hochstimmung, wie in den vergangenen Jahren, ist in Brasilien nicht mehr viel zu spüren. Zwar malt niemand wirtschaftliche Schreckensszenarien an die Wand. Doch gab es zuletzt im Wochentakt Prognosen, Kennziffern und Statistiken, die belegen: Auch Südamerikas Wirtschaftsmotor Nummer Eins ist ins Stottern geraten. Die Wachstumsprognosen gehen nach unten, die Industrieproduktion lässt nach, wichtige Rohstoffpreise fallen und der Überschuss in der Handelsbilanz schmilzt. Brasilien muss sich wappnen, will es den verlorenen Boden bis Jahresende wett machen.

Die Notenbank des Landes, die Banco Central do Brasil (BC), senkte kürzlich ihre Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt 2012 von 3,5 auf 2,5 Prozent, was noch unter dem Ergebnis von 2011 läge (2,7 Prozent). Finanzmarktexperten sind da pessimistischer: In der regelmäßig von der BC vorgelegten "Focus"-Umfrage korrigierten Analysten vorige Woche erneut ihre Erwartung, diesmal von 2,18 auf 2,05 Prozent. Das wirkt ernüchternd. Die Gründe sind vielschichtig und die Euro-Schuldenkrise und die abgekühlte Konjunktur in China, Brasiliens wichtigstem Handelspartner, nur zwei davon.

Krise nicht kurzfristig

Im ersten Halbjahr sackte der Handelsbilanzüberschuss deutlich ab. Die Exporte summierten sich auf 117,2 Mrd. US-Dollar, die Importe auf 110,1 Mrd. Dollar. Der Überschuss von 7,1 Mrd. Dollar lag um rund 45 Prozent unter dem Ergebnis von 2011 (13 Mrd. Dollar). Chinas Hunger nach dem Top-Exportgut Eisenerz ließ wegen der gedämpften Konjunkturlage nach. Im zweiten Quartal wurden 2,1 Prozent weniger Eisenerz von Brasilien nach China verschifft und aufgrund des gesunkenen Weltmarktpreises fiel der Wert des bilateralen Eisenerz-Exportes sogar um rund 27 Prozent.

"Die Krise trifft vor allem die Industrie, die sich nicht nur in den europäischen Ländern nach unten entwickelt, sondern auch in Brasilien und China", sagte Finanzminister Guido Mantega mit Blick auf den Rückgang der Industrieproduktion in Brasilien um 3,4 Prozent von Januar bis Mai. "Wir müssen uns bewusst sein, dass wir es mit einer ziemlich ernsthaften Krise zu tun haben, die nicht kurzfristig gelöst werden kann, weil die Europäer langsam sind." Auch Brasiliens Regierung muss sich mit einer zerstrittenen Vielparteien-Koalition herumschlagen, aber nicht mit 17 Euro-Ländern abstimmen.

Deshalb fallen Gegensteuern und Ankurbeln leichter. So senkte die Regierung die Industriesteuern auf Kühlschränke, Waschmaschinen und vor allem Autos, was im Juni einen Anstieg der Kfz-Verkäufe brachte. Auch Steuern auf Verbraucherkredite wurden gesenkt und an Staats- und Privatbanken erging die Mahnung, günstigere Kreditbedingungen zu schaffen, was diese, vor allem öffentliche Geldhäuser, auch taten. Die Banco Central flankierte dies mit sieben Senkungsschritten beim Leitzins Selic in Folge. Nächste Woche dürfte er von 8,5 Prozent auf ein weiteres historisches Tief von 8,0 Prozent fallen.

All dies kann die allgemeine Unsicherheit wegen der globalen Krise aber nicht beseitigen. "Die Unternehmen scheuen sich derzeit zu investieren. Jetzt wäre die Stunde des Staates als Investor gekommen", sagte ein europäischer Banker in São Paulo, dem aber eigentlich eine ganz andere Frage unter den Nägeln brennt: "Warum wächst ein solches Land, das mindestens 4 Prozent zulegen könnte, nur um 2 oder 2,5 Prozent? Die Gründe sind vor allem in Brasilien zu suchen. Schwache Infrastruktur, niedrige Produktivität, hohe Lohnstückkosten, hohe Steuern - das sind alles wachstumshemmende Probleme, und da muss die Regierung Hand anlegen."

Quelle: ntv.de, Helmut Reuter, dpa

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