Wirtschaft

"Den Fleißigen gehört der Boom" Brüderle: 3,4 Prozent Wachstum

In Berlin verkündet Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, was Unternehmer und Verbraucher längst ahnen: Die deutsche Wirtschaft erlebt einen unerwartet kräftigen Aufschwung. Wie bereits im Vorfeld erwartet, korrigiert die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr schwungvoll nach oben. Das Finanzministerium steuert nachdenklichere Töne bei.

Langer Weg vom Feld bis in die Küche: Prognosen werden erst richtig rund, wenn sie eintreten.

Langer Weg vom Feld bis in die Küche: Prognosen werden erst richtig rund, wenn sie eintreten.

(Foto: REUTERS)

Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent. Für das kommende Jahr geht sie in ihrer offiziellen Herbstprognose von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent aus. Vor diesem Hintergrund sprach Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erneut von einem "Aufschwung XXL". anschließen dürfte und ihre Prognose von zuletzt 1,4 Prozent auf 3,4 Prozent mehr als verdoppelt.

Die robuste Konjunkturerholung in Deutschland lässt nach Einschätzung der Bundesregierung die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1992 fallen. Im Jahresschnitt werde nur noch mit 2,9 Millionen Erwerbslosen gerechnet, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Zuletzt waren im Wiedervereinigungsboom so wenige Menschen ohne Job. "Wachstum und Beschäftigung gehen Hand in Hand und beflügeln sich gegenseitig", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle.

Lobesworte vom Minister

Die unerwartet kräftige Erholung gehe dabei vor allem auf die unternehmerischen Entscheidungen innerhalb der deutschen Wirtschaft zurück, betonte Brüderle. Konjunkturstützende Maßnahmen der Politik hätten die Entwicklung nur begleitet. "Den Fleißigen gehört der Boom", sagte Brüderle.

Schätzung mehr als verdoppelt: Bundesaufschwungsminister Rainer Brüderle.

Schätzung mehr als verdoppelt: Bundesaufschwungsminister Rainer Brüderle.

(Foto: picture alliance / dpa)

Allerdings dürfte das Wachstum im kommenden Jahr an Schwung verlieren. Die Bundesregierung rechnet mit einem Zuwachs von 1,8 Prozent und ist damit etwas skeptischer als die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die plus zwei Prozent vorhersagen. 2010 lege das Bruttoinlandsprodukt um 3,4 Prozent zu. Noch im Frühjahr hatte die Regierung lediglich plus 1,4 Prozent im laufenden und 1,6 Prozent im kommenden Jahr für möglich gehalten. "Der Aufschwung hat nahezu alle Bereiche der Wirtschaft erfasst und nimmt an Breite zu", sagte Brüderle.

Skepsis im Hause Schäuble

Außerhalb des Wirtschaftsministeriums sieht man die Entwicklung skeptischer: Nach Einschätzung des Bundesfinanzministerium hat sich der Aufschwung bereits jetzt merklich abgeschwächt. Die Erholung habe sich zwar im dritten Quartal fortgesetzt, "allerdings mit erheblich vermindertem Tempo", hieß es im aktuellen Monatsbericht. Angesichts niedriger Zuwachsraten bei der Industrieproduktion sei mit einem "deutlich geringeren Anstieg" des Bruttoinlandsproduktes zu rechnen.

"Die Krise ist sicherlich noch nicht völlig überwunden", gab Konjunkturforscher Kai Carstensen vom Ifo-Istitut für Wirtschaftsforschung bei n-tv zu bedenken. Die Krise habe "ihre Spuren hinterlassen, nicht zuletzt in Bankbilanzen", sagte Carstensen mit Blick auf die Problembereiche der deutschen Wirtschaft. "Und wenn sie an die Hypo Real Estate denken, auch sozusagen im Staatssäckel, denn der Staat musste hier ja eingreifen. Da gibt es noch einige Landesbanken, die schwächeln. Also die Krise ist noch nicht überall überwunden. Aber in der sogenannten Realwirtschaft, da scheint sie schon hinter uns gelassen zu sein. Es gibt noch zum Beispiel den Maschinenbau, der noch längst nicht wieder auf altem Produktionsniveau ist."

"Am Ende hilft die Demographie"

Eine Prognose sei immer mit Risiken behaftet, erklärte der Ifo-Experte bei n-tv. "Gerade aktuell ist es nach so einer massiven Rezession, die wir so ja noch nie hatten, immer schwer, abzuschätzen, wie sich jetzt die Wirtschaft weiter entwickeln wird. Aber die Chancen stehen schon ganz gut, dass weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Und am Ende hilft uns auch die Demographie, denn die Anzahl der Menschen, die überhaupt im Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, die geht zurück. Und insofern wird auch die Arbeitslosigkeit sinken."

Im zweiten Quartal war die deutsche Wirtschaft offiziellen Angaben zufolge um 2,2 Prozent gewachsen. Im Vorfeld befragte Analysten rechnen nun mit einem Plus von 0,6 Prozent für das dritte Quartal. Das Finanzministerium geht angesichts gut gefüllter Auftragsbücher in der Industrie aber von einer anhaltenden Erholung aus. "Die voraussichtlich geringere Dynamik dürfte dabei auch auf die spürbare Verlangsamung des Wachstumstempos der Weltwirtschaft zurückzuführen sein", hieß es.

Rückenwind aus China und Indien

In diesem Jahr profitiert die deutsche Wirtschaft von der kräftigen Belebung des Welthandels. Gerade in Schwellenländern wie China oder Indien sei der Bedarf an Investitionsgütern groß. Inzwischen steige auch bei den Unternehmen in Deutschland die Bereitschaft, in neue Bauten oder Ausrüstungen zu investieren. Auch der Konsum komme in Schwung. "Die Wachstumskräfte werden sich damit im Verlauf dieses und des nächsten Jahres weiter in Richtung der Binnennachfrage verlagern", teilte das Wirtschaftsministerium weiter mit. Diese werde 2011 knapp drei Viertel des Wachstums ausmachen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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