Wirtschaft

EU-Finanzminister packen die Koffer Brüssel erlaubt Bankia-Spritze

Wenige Tage vor dem großen Treffen der Budgetchefs aus den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union winkt die EU-Kommission Kapitalhilfen für die spanische Großbank Bankia durch. Noch immer wartet Brüssel auf den großen Hilfsantrag aus Madrid. Die Liste der Problemländer wird unterdessen immer länger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die EU-Kommission hat einer Finanzspritze von 4,5 Mrd. Euro für das verstaatlichte spanische Geldhaus Bankia zugestimmt. Die Kommission erlaubte die Aufstockung des Kapitals von Bankias Mutterhaus BFA vorläufig, hieß es aus Brüssel. Die Mittel für die Kapitalhilfe stammen aus dem Topf des spanischen Bankenrettungsfonds Fondo de Reestructuracion Ordenada Bancaria (Frob). Die Zustimmung der EU-Kommission ist aus wettbewerbsrechtlichen Gründen erforderlich.

Die spanischen Behörden müssen nun bis November einen Restrukturierungsplan für Bankia vorlegen. Spaniens Banken sind durch die Nachwirkungen der spanischen Immobilienblase schwer angeschlagen. Im Juni sagte die Eurozone Hilfen von bis zu hundert Milliarden Euro zu, um den gesamten spanischen Bankensektor zu stützen - ein offizieller Hilfsantrag dazu steht weiterhin aus. 

In Brüssel wird seit Monaten mit einem solchen Hilfsersuchen gerechnet. Die Regierung in Madrid müsste im Gegenzug weitere Sparauflagen akzeptieren. "Wir halten einen Rettungsantrag der Spanier für konsequent", hieß es am Wochenende aus Kreisen der EU-Kommission. Mit einem offiziellen Antrag auf Unterstützung durch den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM sei in den kommenden Wochen zu rechnen.

Nach einem langen Sommer wird es für die europäischen Kassenhüter damit wieder ernst. Die Finanzchefs müssen sich in den kommenden Tagen mit den dringenden Problemen in den verschiedenen Krisenländern des gemeinsamen Währungsgebiets befassen. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Griechenland mit dem anstehenden Troika-Bericht und Spanien mit der Lage im dortigen Bankensektor.

Slowenien wohl ohne Hilfsantrag

Italien steht den bisherigen Angaben aus Brüssel zufolge bislang nicht auf der Dringlichkeitsliste der Euro-Retter. Auch beim jüngsten Sorgenkind der Eurozone scheint sich die Lage als weniger ernst darzustellen. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker rechnet zwar nicht mit einem Antrag aus Slowenien für EU-Finanzhilfen, warnt aber vor einer ernsten Finanzlage in dem Alpen-Adria-Land.

"Meine Arbeitshypothese ist, dass die Reformen, die vom Premierminister und der Regierung angekündigt wurden, in einem vorhersehbaren Zeitrahmen umgesetzt werden", sagte der luxemburgische Regierungschef nach einer Begegnung mit dem slowenischen Regierungschef Janez Jansa.

"Mit eigener Kraft aus der Krise"

In Ljubljana müssen laut früheren Angaben unter anderem die Banken saniert werden. Die Ratingagentur Moody's hatte errechnet, dass Slowenien etwa acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zur Gesundung seiner Banken aufwenden muss. Andere Schätzungen von heimischen Wirtschaftsexperten gehen bis zu knapp 20 BIP-Prozent aus.

(Foto: REUTERS)

"Meine Arbeitshypothese lautet nicht, dass Slowenien Hilfe beantragen wird", sagte Juncker. Jansa fügte hinzu: "Slowenien hat das Potenzial, mit eigener Kraft aus der Krise zu kommen, wenn wir tun, was zu tun ist." Die Menschen in seinem Land seien sich im Klaren darüber, dass die Lage ernst sei.

Nervöse Blicke Richtung Karlsruhe

Beim informellen Treffen der EU-Finanzminister von diesen Freitag an im zyprischen Nikosia soll es zu den dringlicheren Fällen Griechenland und Spanien Diplomaten zufolge zwar noch keine Entscheidungen geben. Doch es stehen wichtige Weichenstellungen an.

Mit Blick auf Deutschland gehen Brüsseler Beobachter davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch den ständigen Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt im Grundsatz bestätigen wird.

Als besonders kompliziert sehen Diplomaten jedoch den Fall Spanien an. Nach dem spektakulären EZB-Anleihenbeschluss der vergangenen Woche wartet Brüssel auf einen möglichen neuen Rettungsantrag aus Madrid. Ob das Gesuch aber kommt, ist offen. Wirtschaftsminister Luis de Guindos wird Kollegen in Nikosia erklären müssen, welchen Kurs die Regierung des konservativen Premiers Mariano Rajoy steuert.

Spielt Spanien auf Zeit?

Bisher hatte Madrid signalisiert, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangten Bedingungen für Anleihenkäufe erst einmal genau zu prüfen und dann erst zu entscheiden, ob neue Stützen nötig sind.

Die Lage ist auch deshalb unübersichtlich, weil die Euro-Partner Madrid schon vor der Sommerpause ein Bankenhilfsprogramm bis zu 100 Mrd. Euro in Aussicht stellten, das mit weniger harten Konditionen verknüpft ist. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy bekräftigte Ende August, 30 Mrd. Euro davon seien schon beschlossen. "Wir sind bereit, kurzfristig zur Sicherung der Finanzstabilität zu handeln", lautet das Motto des Belgiers.

Ein weiterer Kandidat für Anleihenkäufe ist Italien - aber auch aus Rom gibt es bisher kein Signal für einen Bittbrief. Regierungschef Mario Monti kündigte laut Tageszeitung "La Repubblica" schon einmal vorsorglich an: "Im Fall einer Hilfe wird keine Troika nach Rom kommen."

Das Primat der Politik

Die obersten Kassenhüter der Eurozone, deren Treffen am Freitag die zweitägige Konferenz der EU-Finanzminister einläuten wird, dürften sich darüber unterhalten, welche Bedingungen für einen Anleihenkauf erfüllt werden müssen. Voraussetzung für einen Eingriff der Notenbank ist ein Hilfsantrag des betreffenden Landes, um unter den Rettungsschirm EFSF/ESM zu schlüpfen. "Die Politik will sich das Heft nicht aus Hand nehmen lassen", meinte ein Diplomat.

Zur Dauerkrise in Griechenland werden keine Beschlüsse der Ressortchefs erwartet. In Athen dauert das Ringen um Sparbeschlüsse der Regierung von Premier Antonis Samaras an. Die "Troika" mit Experten der internationalen Geldgeber hat Einwände bei dem Paket von gut 11,5 Mrd. Euro. Samaras will erreichen, mehr Zeit zum Sparen zu bekommen. Doch der reiche Norden Europas, darunter Deutschland und Finnland, tritt auf die Bremse. "Kein neues Programm für Griechenland", lautet die Devise. Griechenland-Beschlüsse dürften in Brüssel frühestens im kommenden Monat fallen.

Die griechische Regierung muss die von den internationalen Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen Ende der Woche den Euro-Finanzministern präsentieren. Athen müsse beim Treffen der Eurogruppe in Nikosia einen "vollständigen Plan" vorlegen, "unabhängig davon, ob eine Einigung mit der Troika erreicht worden ist oder nicht", hieß es aus Kreisen des Athener Finanzministeriums.

Kommt die Bankenunion?

Am Samstag werden die Kassenhüter aller 27 EU-Staaten mit EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier über den Vorschlag für eine neue Aufsicht für die Geldhäuser in der Eurozone debattieren. Das Vorhaben zur Einführung einer Bankenunion ist umstritten, weil es viele nationale Befindlichkeiten berührt. Berlin fordert, dass nur große Geldhäuser unter die "Superaufsicht" fallen.

Wenn die Kassenhüter in Nikosia das Konferenzgebäude verlassen, können sie "Krise live" studieren. Gastgeber Zypern ist aufgrund der Schwächen der heimischen Bankenlandschaft selbst Kandidat für ein internationales Hilfsprogramm von gut 10 Mrd. Euro.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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