Wirtschaft

Karstadt-Mitarbeiter geschockt Bund lehnt Arcandor-Notkredit ab

Ärger und Unverständnis bei den Karstadt-Mitarbeitern

Ärger und Unverständnis bei den Karstadt-Mitarbeitern

(Foto: REUTERS)

Arcandor muss weiterhin um seine Zukunft bangen. Die Bundesregierung lehnte die Anträge auf einen Notkredit sowie auf eine Bürgschaft ab und setzte dem Konzern ein Ultimatum. Sie verlangte von den Eigentümern, Banken und Vermietern des Unternehmens weitere Zugeständnisse. Karstadt-Mitarbeiter reagierten geschockt.

Der sogenannte interministerielle Ausschuss wies den Antrag von Arcandor auf einen Notkredit der Staatsbank KfW über 437 Mio. Euro nach Angaben aus Regierungskreisen ab. Der Antrag sei "nicht genehmigungsfähig", hieß es in Kreisen des Finanzministeriums. Dem Unternehmen sei daher letztmalig eine kurze Frist eingeräumt worden, "um einen neuen, substanziell verbesserten Antrag zu stellen".

Rundum-Kritik aus Berlin

Kritik übte der Ausschuss demnach an den Banken, die selbst dann nicht zu einem Kredit in der Rettungsphase in Höhe von 437 Mio. Euro bereit gewesen seien, wenn der Staat den Kredit zu 100 Prozent abgesichert hätte. Auch lasse das Verhalten der Finanzinstitute keine Perspektive für ein langfristiges Fortführen erkennen.

Weitere Kritik gab es demnach an den Hauptaktionären, der Familie Schickedanz und dem Bankhaus Sal. Oppenheim. Diese seien nicht zu einem verstärkten finanziellen Engagement bereit gewesen. Auch die Vermieter der Karstadt-Kaufhäuser waren den Angaben zufolge nicht zu einer "deutlichen Reduzierung der überhöhten Mietbelastungen" bereit.

Enttäuscht vom mangelnden Engagement der Eigentümer: Kanzlerin Merkel.

Enttäuscht vom mangelnden Engagement der Eigentümer: Kanzlerin Merkel.

(Foto: AP)

Wenige Stunden zuvor hatte die Bundesregierung bereits den Antrag von Arcandor auf eine Bürgschaft aus dem sogenannten Deutschlandsfonds zurückgewiesen. Der zuständige Lenkungsausschuss äußerte "erhebliche Zweifel" an der Tragfähigkeit des Konzeptes von  Arcandor, wie ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor deutlich die Erwartungen des Managements gedämpft und mehr Engagement der Eigentümer und Gläubiger gefordert. Was fehle, sei "die Dringlichkeit", mit der sich beide Seiten um eine Lösung bemühten, kritisierte Merkel.

Arcandor hatte sich eine Staatsbürgschaft in Höhe von 650 Mio. und einen Kredit über 200 Mio. Euro aus dem "Wirtschaftsfonds" erhofft. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie über 650 Mio. Euro aus. Spätestens bis dahin müsste ein Rettungskonzept aller Beteiligten stehen.

Karstadt-Mitarbeiter geschockt

Betriebsräte von Arcandor und Quelle reagierten schockiert auf die Abfuhr aus Berlin. "Ich bin total erschlagen, damit hab ich nicht gerechnet", sagte die Essener Gesamtbetriebsrätin Gabriele Schuster. Karstadt aus einer drohenden Insolvenz heraus zu sanieren, koste deutlich mehr Arbeitsplätze als eine Rettung, sagte sie. "Dafür hab ich kein Verständnis - so viele Existenzen, wie da dranhängen." Entsetzt hat auch der Quelle-Betriebsrat auf erste Informationen über eine Ablehnung des Rettungskredites für Arcandor reagiert. "Es ist eine Katastrophe, was da abläuft", sagte der Gesamtbetriebsratschef Ernst Sindel.

Arcandor kündigte an, noch am Montagabend und am Dienstagvormittag erneut mit Eigentümern, Banken und Vermietern das Gespräch zu suchen, "um alle Möglichkeiten für eine weitere  Aufstockung der Zusagen auszuloten und das Verfahren offen zu halten". Die Arcandor-Großaktionäre Sal. Oppenheim und Madeleine Schickedanz seien zu einer Kapitalerhöhung von 150 Mio. Euro für das von Insolvenz bedrohte Unternehmen bereit. Wie aus Kreisen des Finanzministeriums aus Berlin am Abend verlautete, erfüllt dies aber in keiner Weise die vom Bund geforderte verstärkte Beteiligung der Eigentümer.

Ein Unternehmenssprecher hatte vor der Entscheidung über  den Notkredit angekündigt, Arcandor werde Insolvenz anmelden, wenn der Antrag des Konzerns auf die Staatshilfen abgelehnt werde. Das Unternehmen war davon ausgegangen, die Entscheidung werde erst am Mittwoch bekannt.

Geht für seine Belegschaft auf die Leiter: Arcandor-Chef Eick

Geht für seine Belegschaft auf die Leiter: Arcandor-Chef Eick

(Foto: AP)

Arcandor will auch die Gespräche mit dem Metrokonzern über eine mögliche Fusion der Kaufhaustöchter Karstadt und Kaufhof fortsetzen. Die Verhandlungen wurden nach Angaben von Metro nach der Ablehnung des Notkredites aber zunächst ausgesetzt. Die Entscheidung ändere allerdings nichts am grundsätzlichen Interesse an einer möglichen Zusammenlegung von Kaufhof mit Karstadt, erklärte Metro. Schon am Sonntag war einschließlich des Warenhaus-Konkurrenten Kaufhof ohne konkretes Ergebnis über eine Warenhausfusion verhandelt worden, mit der etwa zwei Drittel der Karstadt-Häuser weitergeführt werden könnten. Sowohl die Zahl der Standorte als auch der Kaufpreis seien strittig. Der Kaufhof-Mutterkonzern Metro hatte vorgeschlagen, 60 der 90 Karstadt-Häuser weiterzuführen. Außer 30 Karstadt-Häusern sollten auch 10 Kaufhof-Filialen geschlossen oder umgestellt werden.

Eick schwört die Belegschaft ein

Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick schwor am Montag vor der Essener Konzern-Zentrale die Belegschaft auf einen Kampf um jeden Job ein. Die Absage aus Berlin bedeute keineswegs die Insolvenz, rief der Manager per Megafon der Belegschaft zu. Bundesweit kam es zu Aktionen von Karstadt-Beschäftigten wie Mahnwachen, es wurden Schaufenster verhüllt und die Beschäftigten fuhren in Autokorsos in die Innenstädte. Bürgermeister aus Städten mit Karstadt-Filialen forderten, Standorte mit den insgesamt mehr als 50 000 KarstadtQuelle-Arbeitsplätzen zu retten.

Die Arcandor-Touristiktochter Thomas Cook betonte erneut ihre Unabhängigkeit. "Thomas Cook ist ein eigenständiges und profitables Unternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist", hieß es in einer Mitteilung der deutschen Thomas Cook AG. Arcandor hält 52,8 Prozent der Thomas-Cook-Anteile. Der Reiseveranstalter gilt als der Gewinnbringer des Arcandor-Konzerns.

 

Quelle: ntv.de, sla/rts/DJ/dpa/AFP

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