Hybrid statt E-Ideologie"China zeigt: Vielfalt schlägt Verbrenner-Verbot"

Die Autoindustrie atmet auf: Die Bundesregierung möchte den E-Auto-Kauf in Zukunft wieder fördern, allerdings auch die Anschaffung von überraschend schmutzigen Plug-in-Hybriden. Die EU deutet eine Aufweichung des Verbrenner-Aus an. Kapitulieren Politik und Autobauer vor den Emissionszielen und der chinesischen Elektromacht? "Es ist ein Mythos, dass die Autoindustrie gegen die E-Mobilität arbeitet", sagt Achim Kampker von der RWTH Aachen. Der Ingenieur ist Verfechter der neuen Antriebstechnologie, hält die Vorhaben dennoch für einen klugen Schachzug: "Die Politik sollte sich aus der Feinsteuerung von Technologien heraushalten", sagt er im "Klima-Labor" von ntv. Es gebe auch beim Verbrenner und im Wasserstoffbereich nach wie vor "interessante Weiterentwicklungen", mit denen Autobauer Geld verdienen können. Das ist wichtig, denn: "Die Unternehmen kämpfen ums Überleben. Und mit E-Autos verdient bisher niemand das große Geld."
ntv.de: Wie ordnen Sie Plug-in-Hybride ein? Ist das ein nützlicher Zwischenschritt auf dem Weg zur grünen Autowirtschaft oder ein Feigenblatt, um noch mehr Verbrenner zu verkaufen?
Achim Kampker: E-Autos tragen wegen der schmutzigen Batterieherstellung einen großen CO2-Rucksack. Je größer die Batterie, desto größer das Defizit. Umso mehr Kilometer muss man fahren, um es abzuarbeiten. Wenn man also die Emissionen einer Fahrzeugflotte möglichst schnell senken möchte, ist die Hybridtechnologie eine gute Idee: Wir legen viele Strecken im innerstädtischen Bereich zurück. Dort kann man mit Hybridautos komplett elektrisch fahren. Der Verbrenner schaltet sich erst bei längeren Strecken dazu.
Also kein Feigenblatt, sondern die Lösung im Streit ums Verbrenner-Aus?
Ich halte die Förderung von Hybridautos für einen klugen Schachzug, um die Übergangszeit zu glätten.
Eine neue Studie legt nahe, dass nur ein Viertel der Hybrid-Fahrer elektrisch unterwegs ist. Die meisten nutzen den Verbrenner, und dann sind die Autos ähnlich umweltschädlich wie früher.
Das ist in der Tat so. Man muss Hybridautos richtig nutzen. Normalerweise verfügen sie über einen Automatismus, aber den kann man natürlich steuern. Andere fahren die Batterie leer und vergessen anschließend, sie wieder aufzuladen.
Obwohl es speziell im innerstädtischen Verkehr günstiger wäre, den Elektroantrieb zu nutzen, weil das Tanken mit Strom günstiger ist als das Tanken mit Benzin oder Diesel?
Wenn man das Auto zu Hause oder am Arbeitsplatz laden kann, ist das so. An öffentlichen Ladesäulen wird es deutlich teurer. Grundsätzlich kann man aber speziell Kurzstrecken günstig und emissionsfrei fahren. Wir sollten aber wegkommen von diesen jahrzehntelangen Debatten, was alles schlecht ist oder nicht funktioniert. Warum machen wir es nicht wie andere Länder und probieren es einfach? Auch in China gibt es nicht nur E-Autos, sondern eine Vielfalt an Antrieben. Diese Vielfalt fördert Wettbewerb. Wenn wir Hindernisse für die einzelnen Technologien aus dem Weg räumen, können wir im Autobereich durchstarten.
In China sind Plug-in-Hybride genauso weitverbreitet wie E-Autos?
Die Flotte ist gemischt. Der chinesische Ansatz war viel offener als unserer. Dort legt die Politik immer nur für eine gewisse Zeit einen Schwerpunkt fest. In den Statistiken zählen die Plug-in-Hybride zu den alternativen Antrieben. Wenn man den genauen Anteil sehen möchte, muss man zwei, drei Ebenen tiefer schauen.
Wurden die ebenfalls gefördert?
Ja, aber schon vor Jahren. Wir nutzen China oft als Beispiel für die breite Akzeptanz von E-Autos. Dann müssen wir aber schauen, was genau China ins Feld führt: in Summe eine breit angelegte Strategie bis zu synthetischen Kraftstoffen. Denn in China geht man davon aus, dass in Zukunft auch Verbrenner zu einem bestimmten Prozentsatz eine Rolle spielen werden. Die Politik sollte sich aus der Feinsteuerung von Technologien heraushalten und den Markt einfach machen lassen, anstatt jedes Mal zu diskutieren, welcher Antrieb ihr gerade am liebsten ist.
Dann ist die Förderung von Plug-in-Hybriden gar keine schlechte Idee?
Nein, das ist sinnvoll. Und wie bei jeder anderen Technologien müssen wir sie anschließend richtig nutzen.
Und damit kann das Verbrenner-Aus auf europäischer Ebene so bleiben, wie es jetzt ist, oder schlagen Sie sich auf Seite der Union und sagen: Wir sollten auch nach 2035 "hocheffiziente Verbrenner" zulassen?
Ein ständiges Hin und Her ist schlecht, weil Investitionen fehlgeleitet werden. Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen, um Technologien anzutreiben, besser und günstiger zu werden. Aber das sind eher CO2-Preise als konkrete Antriebsvorgaben. Ich glaube fest daran, dass sich die batterieelektrische Mobilität im Pkw-Bereich durchsetzen wird. Das ist eine tolle Technologie, die wächst und Marktanteile erobert. Aber das Verbrenner-Verbot - denn das ist die aktuelle Regelung faktisch - habe ich nie für sinnvoll gehalten, weil es auch in dem Bereich interessante Weiterentwicklungen gibt.
Nämlich? Die meisten Menschen gehen wahrscheinlich davon aus, dass der Verbrenner bereits hocheffizient ist.
Was genau der "hocheffiziente Verbrenner" sein soll, konnte mir bisher keiner so richtig erklären. Es sind Verbesserungen möglich, aber die sind winzig, im kleinen Prozentbereich. Schaut man sich im Vergleich dazu Batterien an, sieht man dort Effizienzsprünge in einer Größenordnung von 20 Prozent - alle zwei Jahre. Dort gibt es nach wie vor eine Menge ungenutztes Potenzial.
Es wird aber am "hocheffizienten Verbrenner" gearbeitet?
Es wird daran gearbeitet, den Verbrenner weiter zu optimieren. Wichtig ist, dass man die Antriebe nicht gegeneinander ausspielt, sondern sich überlegt: Können wir unsere Kompetenzen später anderweitig einsetzen? Sind synthetische Kraftstoffe eine sinnvolle Nische? Die Bestandsflotte fährt noch viele Jahre herum, die legen wir 2035 nicht still. Es geht beim Verbrenner-Aus nur um Neuzulassungen. Solche Gedankenspiele sind auch deshalb sinnvoll, weil China den Batteriebau kontrolliert. Vor einigen Wochen haben wir im Chip-Bereich gesehen, was passiert, wenn China Lieferungen einstellt. Es ist sinnvoll, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Der Verbrenner-Anteil geht von ganz allein zurück. Bald werden 50 Prozent der Menschen elektrisch unterwegs sein.
Das Gegenargument ist aus Entwicklungsperspektive wahrscheinlich, dass man besser eine Sache richtig macht als fünf Dinge halb.
Die Diskussion führen wir auch beim Wasserstoff. Im Pkw-Segment wird der batterieelektrische Antrieb dauerhaft der sinnvollste, effizienteste und günstigste sein. Es gibt aber Bereiche, bei denen es für die Batterie eng wird: Schiffe und Flugzeuge. Für diese Branchen benötigen wir synthetische Kraftstoffe und auch Wasserstoff. Diese Segmente müssen wir ohnehin aufbauen und entwickeln, und neben den Autobauern muss auch ein riesiges Lieferantennetzwerk den Sturm überstehen. Das ist genauso relevant wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Wenn man die Forschungsbeträge neben die der Volkswirtschaft legt, ist es kein Argument zu sagen: Das können wir uns nicht leisten.
Es ist kein Fehler, sich mit synthetischen Kraftstoffen oder mit Wasserstoff zu beschäftigen, weil man die Erkenntnisse notfalls in der Schifffahrt oder Luftfahrt nutzen kann?
Da bin ich mir sicher. Man wird noch viele Jahrzehnte forschen, ehe man die mit Batterien betreiben kann. Wir brauchen andere Energieträger. Für die kann der Staat die Lenkungsrolle übernehmen, Effizienzregeln definieren oder eine CO2-Besteuerung festlegen. Ansonsten sollten wir tunlichst Hürden abbauen, statt aufzubauen. Teilweise warten Unternehmen Jahre auf Genehmigungen oder Entscheidungen. Wir sind in Entwicklungsprozessen viel zu langsam.
Sie halten es wirklich für sinnvoll, dass BMW jetzt 237 Millionen Euro vom Bund und dem Land Bayern - also den Steuerzahlern - bekommt, um serienmäßig ein Wasserstoffauto zu bauen, das keiner haben möchte? Die Verkaufszahlen sind eindeutig: 2022 wurden 900 Wasserstoffautos verkauft, vergangenes Jahr waren es 150. Das Tankstellennetz wird bereits wieder zurückgebaut. Wenn BMW das unbedingt machen möchte, warum dann nicht mit dem eigenen Geld?
200 Millionen Euro sind einerseits viel Geld. Andererseits ist der Bundeshaushalt 500 Milliarden Euro groß. Das sind ganz andere Dimensionen. Aber ja, auch die Unternehmen sollten sich kritisch hinterfragen, statt immer nur nach der Politik zu schreien. Die haben ebenfalls Entscheidungsapparate aufgebaut, an die sie dringend ran müssen.
Die deutschen Autobauer sehen es im Großen und Ganzen aber wie Sie: Die Zukunft ist der Elektroantrieb.
Klar. Es ist ein Mythos, dass die gegen die E-Mobilität arbeiten. Allen ist bewusst, dass das Verbrenner-Segment schmilzt. Wie viel übrig bleibt, wird man sehen. Aber die Autobauer müssen auch in dieser Überbrückungsphase Geld verdienen, um das neue Geschäft aufzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern. Wir kämpfen ums Überleben. Und mit Blick auf die nackten Zahlen muss man festhalten: Die E-Mobilität ist nicht so hochgefahren, wie sich das alle gewünscht haben. Damit verdient bisher niemand das große Geld. Deswegen ist es nicht schlecht oder böse, auf die Bremse zu treten, sondern nachvollziehbar und logisch.
Die Absatzzahlen sind vergangenes Jahr eingebrochen. Lag es nur daran, dass der Ampel auf den letzten Metern des Jahres 2023 überraschend das Geld für die E-Auto-Prämie ausgegangen ist?
Das hat dem Absatz geschadet, die Restwerte aber auch. Man kann E-Autos bisher nicht gut weiterverkaufen. Dazu kommt, dass wir eher teurere Fahrzeuge für längere Strecken bauen. Die E-Mobilität hat logischerweise im kleineren Segment für kürzere Strecken begonnen. Jetzt wird das fehlende Angebot mit einer vernünftigen Kostenstruktur nachgezogen, dann wird der Markt anspringen. Man sieht ja das weltweite Wachstum.
Mit Achim Kampker sprach Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.