Gerhard Cromme im Kreuzfeuer Der stahlharte Multi-Aufsichtsrat
18.01.2013, 07:11 Uhr
Kurz vor seinem 70. Geburtstag: Der Chefkontrolleur ist angekratzt wie nie zuvor.
(Foto: picture alliance / dpa)
Er zählt zu den mächtigsten Männern Deutschlands: Gerhard Cromme lenkt die Kontrollgremien von Siemens und ThyssenKrupp. Die Bundesregierung lässt sich von ihm in Sachen Transparenz und Unternehmensführung beraten. Jetzt fordern Kritiker seinen Rücktritt.
Schon jetzt eine zentrale Figur der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Gerhard Cromme.
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Gerhard Cromme kann so schnell nichts umhauen: Wenn es richtig brenzlig wird, wie jetzt bei ThyssenKrupp, scheint sich der Multi-Aufsichtsrat erst richtig wohlzufühlen. Doch das Image des 69-jährigen Chefkontrolleurs beim Stahlriesen und Anlagenbauer, der diesen Posten auch bei Siemens bekleidet, ist angekratzt wie nie zuvor. Tiefrote Zahlen im Geschäftsjahr 2011/12, Skandale und Affären um illegale Kartellabsprachen oder Lustreisen - das ist auch an Cromme nicht spurlos vorübergegangen.
Kritiker halten dem promovierten Juristen aus dem niedersächsischen Vechta schwerwiegendes Versagen als Aufsichtsrat vor. Das Milliardendebakel bei den Stahlwerken in Brasilien und den USA habe er nicht nur nicht verhindert, er habe als Chefkontrolleur die Investitionspläne sogar abgesegnet.
Seit 2001 ist Cromme Vorsitzender des Aufsichtsrates des ThyssenKrupp-Konzerns, den er zuvor gemeinsam mit Ekkehard Schulz in einer Doppelspitze geführt hatte. Wenig später übernahm er den Vorsitz der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Codex - eine Initiative, die eigentlich für mehr Offenheit, Transparenz und gute Unternehmensführung werben soll. Hier wird die Personalie Cromme zum Problem: Denn genau das ist bei ThyssenKrupp richtig schief gelaufen.
Erboste Aktionäre fordern inzwischen Crommes Rücktritt als Chefkontrolleur bei ThyssenKrupp. Doch deshalb gleich das Handtuch werfen ist sein Ding nicht. Der Sohn eines Studienrates für Latein und Griechisch und Vater von vier Töchtern ist der Gentleman unter Deutschlands Managern - hochgewachsen und stets in feinem Zwirn.
Er versteht es immer wieder, durch sein Auftreten, durch Eloquenz und seine Fähigkeit zuzuhören, andere für sich einzunehmen. Selbst bei Betriebsräten und Gewerkschaftern, die sich in der Vergangenheit öfters mit ihm anlegten, genießt er Respekt.
Der Patriarch hält zu ihm
Dabei weiß Cromme, der Mitte der 80er Jahre zum Krupp-Konzern kam, einen Verbündeten ganz sicher an seiner Seite: Berthold Beitz, Vorsitzender der Krupp-Stiftung, die mit einem Anteil von rund 25 Prozent der größte Einzelaktionär des Konzerns ist. Cromme soll Beitz einmal beerben.
Als Vertreter der Stiftung wurde er in das Kontrollgremium entsandt. "Cromme bleibt", sagte der 99-jährige Firmenpatriarch vor wenigen Wochen dem "Handelsblatt" kurz und bündig, als die Wogen um den Aufsichtsratschef höherschlugen. Die beiden scheinen symbiotisch verbunden zu sein: Cromme und Beitz, Beitz und Cromme - das ist ein Stück Industriegeschichte des Ruhrgebiets.
Die Geschicke der Stahlindustrie in Deutschland und ihren Wandel haben beide in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt. Von der feindlichen Übernahme des Konkurrenten Hoesch 1992, über die spektakuläre Schließung der Hütten- und Stahlwerkes Rheinhausen bis zur Fusion mit Thyssen im September 2001.
In den Aufsichtsräten der beiden Dax-Schwergewichte Siemens und ThyssenKrupp führt Cromme den Vorsitz. Zeitweise übte er als reguläres Aufsichtsratsmitglied zudem noch Einfluss auf die Geschicke von Unternehmen wie Allianz, Lufthansa und Eon aus. Ende Februar wird Cromme 70 Jahre alt.
Quelle: ntv.de, Peter Lessmann, dpa