Rezessionsgespenst vertrieben Deutsche Wirtschaft wächst kräftig
15.05.2012, 11:54 Uhr
Berlin kann sich über die guten Wirtschaftsdaten freuen.
(Foto: dpa)
Es war doch nicht der Beginn einer Rezession, sondern nur eine Konjunkturdelle: Nach einem Rückgang Ende 2011 steigt das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal wieder um 0,5 Prozent. Ökonomen sind erleichtert, denn selbst mit diesem kleinen Wachstum ist Deutschland ein Glanzlicht in der Euro-Zone. In Frankreich stagniert die Wirtschaftsleistung; Spanien, Italien und Portugal stecken tief in der Rezession.
Boomende Exporte und kauffreudige Verbraucher haben der deutschen Wirtschaft eine Rezession erspart. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Januar bis März um überraschend kräftige 0,5 Prozent zum Vorquartal, teilte das Statistische Bundesamt in einer Schätzung mit. Ende 2011 war die Wirtschaft noch um 0,2 Prozent geschrumpft - zum ersten Mal seit fast drei Jahren. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von Rezession gesprochen. Analysten hatten im Schnitt nur ein Plus von 0,1 Prozent erwartet, wobei die Schätzungen von minus 0,3 bis plus 0,2 Prozent reichten.
Ihre Erholung verdankt Europas größte Volkswirtschaft vor allem den gut laufenden Exporten und der Kauflaune der Verbraucher. "Nach vorläufigen Berechnungen sind die Exporte - anders als die Importe - zum Jahresbeginn gestiegen", schrieben die Statistiker. "Außerdem wurde im Inland mehr konsumiert als im Vorquartal." Das habe die sinkenden Investitionen teilweise kompensieren können. Details wollen die Statistiker am 24. Mai nennen.
"Starkes Comeback"
"Das ist eine sehr starkes Comeback", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das Minus im vierten Quartal war nicht der Beginn einer Rezession, sondern nur eine Konjunkturdelle." Der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees, führt das vor allem auf die starke Nachfrage nach deutschen Produkten außerhalb der Euro-Zone zurück: "Besonders die US-Geschäfte sind gut gelaufen."
Deutschland schlägt sich damit weit besser als Nachbar Frankreich. Dort stagniert die Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn, nachdem es Ende 2011 ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent gegeben hatte. Dank des kräftigen Wachstums Deutschlands schrammte die Euro-Zone insgesamt noch einmal haarscharf an einer Rezession vorbei. Wie das Statistikamt Eurostat mitteilte, stagnierte das BIP in der Währungsunion im ersten Quartal. Ende 2011 war hier noch ein Rückgang von 0,3 Prozent verbucht worden.
Die spanische Wirtschaft schrumpfte dabei wie schon am Jahresende um 0,3 Prozent und steckt damit wieder in der Rezession. Ebenso erging es Italien, wo das Bruttoinlandsprodukt sogar um 0,8 Prozent einbrach. Das war der dritte Rückgang in Folge. Auch Portugal findet nicht aus der Rezession: Hier gab es ein Minus von 0,1 Prozent. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaft der Euro-Zone in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpft. Für 2011 traut sie ihr wieder ein Wachstum von 1,0 Prozent zu.
Börsenprofis skeptisch
Ausruhen kann sich die deutsche Wirtschaft aber nicht auf dem ersten Quartal. So beurteilen Börsenprofis die Zukunft deutlich skeptischer als zuletzt. Das ZEW-Barometer sackte im Mai um 12,6 Zähler auf 10,8 Punkte ab, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu seiner Umfrage unter Anlegern und Analysten mitteilte. Es war der erste Rückgang nach fünf Anstiegen in Folge. Ökonomen hatten mit 19,0 Zählern gerechnet. Die Lage wurde hingegen überraschend positiver bewertet: Dieses Barometer stieg auf 44,1 Punkte von 40,7 Zählern.
"Zu der Verschlechterung der Erwartungen dürfte beitragen, dass es vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse in Griechenland und Frankreich unsicherer geworden ist, dass die europäischen Regierungen entschlossen gegen die Staatsschuldenkrise im Euroraum vorgehen", sagte ZEW-Präsident Wolfgang Franz.
Ganz haben Ökonomen aber die Hoffnung auf ein gutes Ende nicht aufgegeben: "Deutschland steuert auf eine Abkühlung in der Mitte des zweiten Quartals zu", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank. "Sollte Europa aber die Probleme mit Griechenland in den Griff bekommen und Merkel und Hollande das französisch-deutsche Krisenmanagement wieder aufnehmen, dürfte das Vertrauen schnell wieder steigen."
Quelle: ntv.de, sla/rts/AFP