Neuer Tiefpunkt für Euro-Wirtschaft Deutschland fängt sich wieder
20.09.2012, 14:01 Uhr
Stahl-Knüppel liegen im "Knüppellager" von ArcelorMittal in Hamburg. Der Blick auf die Dinge, die da wirtschaftlich für die Eurzone noch kommen mögen, ist krisenbedingt schwierig.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Konjunkturdaten aus Europa sind entmutigend. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft fällt auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Ein Hoffnungsschimmer kommt allein aus Deutschland. Dort steigt der Index erstmals seit Anfang des Jahres. Das neue EZB-Anleihenkaufprogramm ist möglicherweise doch nicht der große Wurf.
Die wirtschaftliche Kluft zwischen Deutschland und den anderen Euro-Staaten wächst trotz der angekündigten Krisenhilfe der Europäischen Zentralbank. Während Europas größte Volkswirtschaft im September wieder Tritt fasste, liefen die Geschäfte in der gesamten Währungsunion so schlecht wie seit Juni 2009 nicht mehr. Damit droht die Eurozone im zu Ende gehenden dritten Quartal in die Rezession zurückzufallen.
Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Privatwirtschaft stieg zum ersten Mal seit Januar, teilte das Markit-Institut zu seiner Umfrage unter Hunderten Unternehmen mit. Das Barometer legte um 2,7 auf 49,7 Punkte zu und blieb nur knapp unter der Marke von 50 Zählern, ab der Wachstum signalisiert wird. "Deutschland hat es geschafft, den Summertime Blues abzuschütteln", sagte Markit-Ökonom Tim Moore.
"Stimmung hat sich noch verschlechtert"
Deutlich düsterer ist das Konjunkturbild in der Eurozone. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft fiel um 0,4 auf 45,9 Punkte. Ökonomen hatten einen Anstieg auf 46,6 Zähler erwartet. "Wir hatten ja gehofft, dass sich die Neuigkeiten hinsichtlich der Intervention der EZB zur Milderung der Schuldenkrise positiv auf das Geschäftsklima auswirken würden", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. "Doch stattdessen scheint sich die Stimmung sogar noch verschlechtert zu haben."
Die Europäische Zentralbank (EZB) will künftig Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten kaufen, wenn diese zuvor unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen und sich Reformauflagen unterwerfen. Bereits die Ankündigung genügte, um die Anleihe-Renditen von Schuldenstaaten zu drücken und die Aktienkurse weltweit steigen zu lassen.
Frankreich und Peripherieländer tauchen ab
Markit geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im zu Ende gehenden dritten Quartal um 0,6 Prozent schrumpfen dürfte. Das wäre der stärkste Rückgang seit drei Jahren. Bereits im zweiten Quartal hatte es ein Minus von 0,2 Prozent gegeben. Ab zwei negativen Quartalen in Folge wird von Rezession gesprochen.
"Einen kleinen Lichtblick liefert Deutschland", sagte Williamson. "In Frankreich ging es jedoch mit markant beschleunigter Rate bergab und auch in den Peripherieländern hat sich die Lage weiter verschlimmert." Ob sich Deutschland auf Dauer diesem Negativtrend wird entziehen können, sei fraglich.
Ruhigeres Fahrwasser zum Jahresende
Viele Ökonomen gehen davon aus, dass die Eurozone am Jahresende in konjunkturell ruhigeres Fahrwasser gerät. Die Rezession sei vor allem Folge des harten Sparens in den Krisenländern, der schwächeren Weltkonjunktur und der hohen Unsicherheit durch die Schuldenkrise. "Letztere hat nach der Ankündigung der EZB, unter gewissen Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen der strauchelnden Peripherieländer zu kaufen, deutlich nachgelassen", sagte Commerzbank-Analyst Christoph Weil. Damit hätten sich die "die Chancen merklich verbessert, dass die Wirtschaft im Euroraum wie von uns prognostiziert zum Jahresende aufhört zu schrumpfen".
Für den Lichtblick in Deutschland sorgten vor allem die Dienstleister, die nach zweimonatiger Unterbrechung wieder auf Wachstumskurs gingen. Für die kommenden zwölf Monaten sind die Service-Firmen aber pessimistisch: Sie schätzten die Geschäftsaussichten so schlecht ein wie seit fast einem Jahr nicht mehr und bauten deshalb so viele Stellen ab wie seit Mai 2009 nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex der deutschen Industrie kletterte um 2,6 auf 47,3 Punkte. Das ist der höchste Wert seit sechs Monaten. Die Neuaufträge fielen nicht mehr so stark wie im Vormonat.
Quelle: ntv.de, rts