IWF-Kandidatin Christine Lagarde Die Euro-Fighterin
25.05.2011, 12:36 Uhr
(Foto: dpa)
Frankreichs Finanzministerin Lagarde gilt als Idealbesetzung für den Chefsessel beim Internationalen Währungsfonds. Sie gilt als bestens vernetzte Verhandlerin mit scharfem Verstand. Doch ganz weiß ist auch ihre Bluse nicht.
Kein Name wird so häufig genannt und kaum jemand genießt so viel Anerkennung und Respekt: Die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde gilt als die große Favoritin für eine mögliche Nachfolge des angeklagten Währungsfonds-Chefs Dominique Strauss-Kahn. Die 55 Jahre alte Juristin arbeitete lange in USA und erwarb sich während der Finanzmarkt und Euro-Turbulenzen einen ausgezeichneten Ruf als umsichtige Krisenmanagerin. Qualitäten, die auf dem Chefsessel des mächtigen Internationalen Währungsfonds (IWF) unabdingbar sind. Nun erklärte Lagarde offiziell ihre Kandidatur.
In Frankreich ist sie eine politische Ausnahmeerscheinung. Als eine von ganz wenigen schaffte sie den Aufstieg in die politische Elite ohne lange Behörden- oder Parteilaufbahn und als eine der wenigen wird sie selbst von der Opposition geachtet. Die Luxuswelt des Glamours und Glitters ist der gut 1,80 Meter großen weißhaarigen Powerfrau fremd. Meist zurückhaltend erledigt sie ihren Job.
Absolut selbstkontrolliert, manchmal unerbitterlich, aber dennoch humorvoll - dass sind Eigenschaften, die Lagarde zugeschrieben werden. Sie selbst hat sich einmal "Arbeitstier" genannt. Kollegen sind beeindruckt von ihrer Aktenkenntnis und ihrem prall gefüllten Adressbuch. "Sie liebt es, persönliche Beziehungen zu knüpfen, um ergebnisorientiert zu arbeiten", zitierte die Tageszeitung "Le Monde" 2010 - drei Jahre nach ihrem Amtsantritt - einen ehemaligen Mitarbeiter. Effekthascherei, das sei nicht ihre Sache.
Hongkong, Chicago, Paris
Diese Charakterzüge kamen Lagarde auch in ihrer ersten beruflichen Laufbahn zugute. Nach einem USA-Aufenthalt in der Jugend perfekt zweisprachig, machte sie nach ihrer Juristenausbildung schnell international Karriere. Zuletzt leitete sie Baker & McKenzie und damit eine der größten Kanzleien der Welt mit knapp 4000 Anwälten in rund 40 Ländern und pendelte zwischen Büros in Hongkong, Chicago und Paris. Ihre zwei Kinder sah sie oft nur am Wochenende. Die Ehe wurde geschieden. Erst 2005 wechselte sie in die Politik.
Das französische Wirtschaftsministerium leitet Lagarde nun seit fast vier Jahren. In diese Zeit fielen die globale Finanzkrise und zuletzt die milliardenteure Euro-Rettungsaktion. Präsident Nicolas Sarkozy lobte sie bereits im ersten Jahr nach Amtsantritt im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Zeitschrift "Times" zählte sie 2010 zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten weltweit. Es standen nur zwei Franzosen auf der Liste: Lagarde und der jetzt wegen versuchter Vergewaltigung angeklagte IWF-Chef Strauss-Kahn. Die "Financial Times" wählte sie 2009 zur besten Finanzministerin Europas. Sie ist die erste Frau in dieser Position in einem G7-Staat.
Dunkler Fleck
Der einzige große Schwachpunkt von Lagarde ist derzeit eine alte Finanzaffäre. Sozialistische Abgeordnete werfen ihr Fehlverhalten vor, weil sie in einem Rechtsstreit mit dem Geschäftsmann Bernard Tapie 2008 einem Schiedsurteil zustimmte, das diesem eine Abfindung in Höhe von 285 Mio. Euro einbrachte. Nun könnte ihr wegen dieser Entscheidung ein Prozess wegen Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder drohen. Vor Gericht sollten der ehemaligen Synchronschwimmerin selbst die allerbesten Kontakte nichts helfen.
In deutschen Regierungskreisen gilt die bekennende Frauenrechtlerin dennoch als Favoritin und selbst die Attacken gegen Deutschland aus dem letzten Jahr scheinen vergessen. Damals äußerte Lagarde deutliche Kritik an der deutschen Wirtschafts- und Steuerpolitik. In einem Interview forderte sie die Bundesregierung auf, die Inlandsnachfrage anzukurbeln, und machte sogar konkrete Vorschläge. "Ich denke, dass Deutschland beispielsweise die Steuern senken könnte (...), um die Binnennachfrage anzukurbeln - so wie es die Koalition bereits ins Auge gefasst hat", sagte Lagarde damals. Dennoch lobte Kanzlerin Merkel Lagarde jüngst als "sehr erfahrene Kandidatin", für die es eine "breite Unterstützung" in Europa gebe. Komplimente zählen nun nicht mehr, jetzt geht es um harte Stimmen.
Quelle: ntv.de, nne/dpa