Wirtschaft

"Wir tanzen immer noch" Die Keime der Finanzkrise

Vor exakt zwei Jahren flammte mit der Schieflage der deutschen Mittelstandsbank IKB ein erster Brandherd der Finanzkrise in Europa auf. Damals war noch völlig unklar, welche Sprengkraft die Krise später entfalten würde.

(Foto: REUTERS)

Erst nach und nach kam ans Licht, dass Banken unbemerkt von Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit - und zu ihrem eigenen Entsetzen - eine riesige Zeitbombe auf Basis des boomenden US-Immobilienmarktes konstruiert hatten.

Geblendet von fabelhaften Gewinnen hatte die Branche wahrhaft gigantische Mengen an Wertpapieren angehäuft, die durch den folgenden Preisrutsch von US-Häusern völlig unerwartet wertlos wurden. Die Wucht der dadurch ausgelösten Explosion zerstörte beinahe das globale Finanzsystem und riss die Weltwirtschaft in die schwerste Rezession seit den 30er Jahren. Wie konnte diese Bombe nur entstehen?

Abermilliarden fließen in Immobilienmarkt

Nach der Jahrtausendwende herrschten trübe Zeiten für viele große Investoren wie Lebensversicherungen und Fonds: Die Notenbanken hatten nach dem Platzen der Internetblase und den Anschlägen vom 11. September die Zinsen so dramatisch gesenkt, dass mit vielen traditionellen Geldanlagen - etwa Staatsanleihen - kaum etwas zu verdienen war. Mit Milliarden und Abermilliarden in den Kassen begaben sich die Investoren deshalb auf eine zunehmend verzweifelte Suche nach profitableren und zugleich sicheren Geldanlagen.

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Findige Banker ersannen nun eine Möglichkeit, diese gigantische Geldmenge in den boomenden US-Häusermarkt zu schleusen. Dort befeuerten die niedrigen Zinsen die Hypothekenvergabe, die Immobilienpreise kletterten scheinbar unaufhaltsam. Weil internationale Investoren einzelnen US-Bürgern unmöglich Geld für den Häuserkauf leihen konnten, machten die Banken die Hypotheken handelbar: Sie warfen hierzu Tausende der Kredite in einen Topf, rührten kräftig und verkauften den Anlegern danach Anteile an diesem Cocktail. Viele dieser neuen Papiere galten als genau so sicher wie deutsche Staatsanleihen, warfen aber viel mehr Profit ab. Das traf genau den Geschmack der Investoren: Sie stürzten sich geradezu darauf, die neuen Cocktails wurden zum Renner.

"Finanzielle Massenvernichtungswaffen"

So kam eine gewaltige Maschinerie in Gang: Wie am Fließband vergaben die Banken massenweise neue Hypotheken, rührten sie neu zusammen und reichten sie kunstvoll verpackt an die unersättlichen Investoren weiter. Viele Banken gründeten hierzu eigens Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln, die nicht in den Geschäftsberichten auftauchten, obwohl sie mit Milliarden jonglierten. Deshalb blähte sich die größte Kredit-Blase der Geschichte in einer Schattenwelt auf, die den Aufsichtsbehörden weitgehend verborgen blieb - selbst innerhalb vieler Banken war das wilde Treiben nur wenigen Eingeweihten bekannt.

Um das Fließband in Schwung zu halten, wurden die Banken bei der Kreditvergabe immer laxer, bis sie schließlich selbst mittellosen Menschen große Hypotheken aufschwatzten. Die Geldhäuser drückten dabei beide Augen zu, denn schließlich benötigten sie diese "Subprime"-Kredite dringend als Zutat für den lukrativen Cocktail-Verkauf. Das Risiko schien überschaubar: Erstens reichten sie die Hypotheken und damit das Risiko eines Zahlungsausfalls blitzschnell an Investoren weiter, zweitens stiegen die finanzierten Häuser ständig im Wert - es fiel deshalb einfach nicht ins Gewicht, wenn ab und an jemand seine Hypothek nicht mehr bezahlen konnte.

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Das Ganze artete in eine wilde Party aus: Zigtausende Amerikaner ohne geregeltes Einkommen fanden sich plötzlich in teuren Eigenheimen wieder, während sich Banker mit den Cocktails eine goldene Nase verdienten. Die beschwipsten Investoren bemerkten im Rausch nicht, dass die Cocktails immer schlechter wurden. "Solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen", freute sich der damalige Citigroup-Chef Charles Prince nur wenige Monate vor dem großen Knall, und fügte hinzu: "Wir tanzen immer noch."

Das böse Erwachen

Jede große Party ist irgendwann vorbei. Bei dieser kam das böse Erwachen mit dem Kollaps des Immobilienbooms. Es stellte sich heraus, dass Banken, Rating-Agenturen und Investoren - vor allem aus Mangel an Erfahrung mit den neuen Papieren - die Gefahr viel zu gering eingeschätzt hatten, dass die Amerikaner bei fallenden Hauspreisen gleich scharenweise ihre Hypotheken nicht mehr bedienen würden. Damit wurden auch völlig sicher geglaubte Anteilsscheine an den Hypotheken-Töpfen plötzlich wertlos - die Cocktails wurden zu Gift. Sie entpuppten sich tatsächlich - in den Worten von Investorenlegende Warren Buffett - als "finanzielle Massenvernichtungswaffen."

Quelle: ntv.de, rts

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