Jeder nur ein Paket Die Milchpulver-Krise
06.08.2013, 16:49 Uhr
Begehrte Babynahrung: Am Milchpulverbeispiel kann man noch etwas in Sachen Globalisierung lernen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Globalisierung ist, wenn eine neuseeländische Molkerei krankheitserregende Bakterien in ihren Produkten findet, chinesische Eltern den letzten Rest an Vertrauen in das Milchpulver für ihre Babys verlieren, weswegen die entsprechenden Regale in Deutschland weiter äußerst karg aussehen. Das seit Monaten anhaltende Gerangel um die bunten Dosen könnte nun nochmal zulegen.
"Eine Dose Milchpulver pro Hersteller. Mehr stellen wir derzeit nicht in die Regale", sagt ein Mitarbeiter der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky gegenüber n-tv.de. "Wenn etwas fehlt, sollen die Kunden uns bitte ansprechen." Auch bei dm hat man sich entschieden, die mengenmäßige Abgabe vorübergehend zu beschränken. "In der Summe kann die Nachfrage nach Milchnahrung nach wie vor nicht voll gedeckt werden", heißt es in einem Statement von dm-Geschäftsführer Christoph Werner, verantwortlich für das Ressort Marketing und Beschaffung.
Hintergrund dieser sozialistisch anmutenden Praxis ist ein nahezu historischer Engpass auf dem deutschen Milchpulvermarkt, ausgelöst durch eine sprunghaft angestiegene Nachfrage aus China. Wegen eines Milchpulverskandals im Jahr 2008 trauen chinesische Eltern seit Jahren keinen einheimischen Produkten mehr. Damals hatte ein chinesischer Produzent Babymilch mit der Chemikalie Melamin versetzt, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. 300.000 Säuglinge erkrankten, 6 Babys starben. Auf der Suche nach vertrauenswürdigen Quellen wurden die Eltern irgendwann offenbar auch in Europa fündig – und ließen sich privat oder über Internetseiten Milchpulver schicken.
Seit etwa einem halben Jahr wurde dieses Phänomen auch in Deutschland immer sichtbarer. Ein Mann mit asiatischem Aussehen habe über Wochen immer wieder Milchpulver nachgefragt und alle verfügbaren Dosen gekauft, heißt es in der Budnikowsky-Filiale. Erst habe man sich nichts weiter gedacht, schließlich jedoch die Mengen beschränkt, um allen Kunden gerecht zu werden. Ende vergangenen Jahres sei die Nachfrage plötzlich um 30 Prozent gestiegen, erzählt auch Milupa-Sprecherin Hanne Holm. "So viele Kinder können gar nicht plötzlich geboren oder abgestillt werden." Als sich die Berichte über chinesische Kunden, die größere Mengen nachfragten, häuften, habe man einfach eins und eins zusammengezählt. "Es schien so, als ob jede Stewardess, jeder Student oder andere in Deutschland lebende Chinesen Milchpulver gekauft hätten, um es nach China zu schicken. Entweder um die eigene Familie zu versorgen oder von den durch den Skandal hochgetriebenen hohen Milchpulverpreisen zu profitieren", meint Holm. "Allerdings könne man hier natürlich nur Vermutungen anstellen", betont die Sprecherin gegenüber n-tv.de.
Alles auf Milchpulver
Die massive Nachfrage erwischte Milchpulver-Produzenten wie Hipp oder eben auch die Danone-Tochter Milupa in jedem Fall unvorbereitet: "Wir sind zwar Marktführer bei Säuglingsmilch und Milchbreien, aber eine Nachfrage, die aus heiterem Himmel derart ansteigt, konnten wir natürlich erstmal auch nicht bedienen", erklärt Holm. "Unsere Produktion hat einen langen Planungsvorlauf, das hängt auch mit der Qualitätssicherung der Produkte zusammen. Daher hat es bis März gedauert, bis wir eine weitere Produktionslinie aufgebaut hatten."
Seitdem habe sich die Lage aber deutlich entspannt, das würden auch die Handelspartner widerspiegeln, so Holm. Ob sich der neue Skandal um den neuseeländischen Produzenten Fonterra auch auf dem deutschen Markt bemerkbar machen werde, könne sie nicht vorhersagen. "Die Nachfrage könnte sich auch auf die europäischen Märkte verteilen", glaubt die Sprecherin. Für den Moment sei Milupa gut aufgestellt: "Die Eltern kriegen das Milchpulver, das sie wollen." Man werde aber die Entwicklung bei Fonterra genau beobachten. "Die ganze Geschichte zeige, wie eng die Welt mittlerweile zusammenhänge", meint Holm.
"Weiterhin hohe Nachfrage"
"Es besteht weiterhin eine hohe Nachfrage nach den Säuglingsnahrungen der Marken Aptamil, Milupa Milumil, Hipp und Bebivita", heißt es bei dm. Inzwischen könne man bei Aptamil von einer leichten Entspannung der Belieferungssituation sprechen. Sobald sich die Situation wieder normalisiere und man Aptamil-Produkte in ausreichenden Mengen zur Verfügung stellen könnte, werde natürlich auch die mengenmäßige Abgabe aufgehoben, versichert man bei der Drogeriekette.
Das die Nachfrage zumindest dem auf jetzigen Niveau bleibt, davon ist derzeit auszugehen. Denn obwohl Fonterra versichert hat, dass nun fast alle möglicherweise kontaminierten Getränke und Nahrungsmittel sichergestellt wurden, müssen die Neuseeländer das Vertrauen der Kunden erst einmal zurückgewinnen. Dass sie die Behörden erst mit viermonatiger Verspätung über den Bakterienbefall informiert haben, ist dabei sicherlich nicht hilfreich. In China und Vietnam wurden Produkte des Unternehmens vom Markt genommen und vorerst ein Importstopp verhängt, obwohl keine Krankheitsfälle bekannt geworden sind. Und solange die Eltern in China kein Vertrauen haben, werden sich auch deutsche Mütter und Väter wahrscheinlich weiterhin über jede einzelne gefundene Packung freuen müssen.
Quelle: ntv.de