Abschied vom Autohaus? Daimler schraubt am Online-Shop
02.12.2013, 13:38 Uhr
Ehrgeizige Ziele: Nicht nur Daimler-Chef Dieter Zetsche wird genau hinsehen, ob die Online-Strategie bei Daimler-Kunden aufgeht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Per Mausklick zum Pkw: Daimler bietet seine Neuwagen künftig auch im Internet an. Der Autobauer will damit nicht nur neue Kundengruppen erschließen, sondern auch die Konkurrenz überholen - und aller Welt vorführen, wie der Autohandel der Zukunft aussieht.
Es ist eine strategische Entscheidung, die den deutschen Automarkt für immer verändern könnte. Schon jetzt nutzen Interessenten zunehmend das Internet, um sich über Ausstattung, Leistungsmerkmale und Preise ihres Wunschwagens zu informieren. Der Automobilkonzern Daimler kommt seinen Kunden entgegen und will die eigenen Neuwagen künftig auch über einen eigenen Online-Shop verkaufen. Der Internetverkauf sei Teil der neuen Vertriebsstrategie, teilte der Stuttgarter Autobauer mit.
Bereits ab diesem Dienstag können Mercedes-Kunden zwischen vier vorkonfigurierten Modellen im Internet wählen und diese dann auch online bestellen. Einen besonderen Rabatt gewährt Daimler den digitalen Vorreiterkunden dabei nicht. Die Preise für die Autos bleiben die gleichen wie beim Händler.
Für den Hersteller beginnt damit noch vor Weihnachten ein ehrgeiziges Experiment, das in der Branche der Autohausbetreiber und bei Neuwagenhändlern auf alles andere als auf Begeisterung stoßen wird. Wenn sich der Online-Vertrieb bei Daimler durchsetzt, dürfte das digital verfügbare Angebot schnell ausgeweitet werden. Damit drohen dem klassischen Autohandel mit seinen kostenintensiven Schauräumen in teils teuren Lagen empfindliche Einbußen.
Zeitenwende im Autohaus?
Daimler nimmt den tiefgehenden Eingriff in die eigene Vertriebsstruktur nicht auf die leichte Schulter. Der ausliefernde Händler erhalte im Testlauf die volle Marge, erklärte Andrea Finkbeiner-Müller, Leiterin der Händlernetzentwicklung bei Daimler. Wie lange das Pilotprojekt laufe, sei noch nicht entschieden. Der Verkauf wird zunächst über die Mercedes-Niederlassung in Hamburg abgewickelt, betreut und ausgeliefert wird dann über das Händlernetzwerk bundesweit. Im ersten Quartal 2014 wird auch der Standort in der polnischen Hauptstadt Warschau eingebunden.
Über das künftige Margenmodell sei noch nicht entschieden, heißt es. Daimler ist bei weitem nicht der erste Premiumhersteller, der seine Kundenansprache auf das Internet erweitern will. BMW vertreibt bereits sein Elektroauto i3 über ein eigenes Verkaufsportal.
Überraschung mittels "Pop-Up-Stores"
Für Daimler ist der Einstieg in den Online-Handel Teil einer größeren strategischen Neuausrichtung. Der Stuttgarter Autohersteller stellt derzeit seinen gesamten Vertrieb nach geänderten Vorgaben auf, um neue Kundengruppen zu gewinnen. Abgesehen vom Online-Shop will Daimler dazu auch seine Präsenz in Innenstädten ausbauen. Junge Leute sollen außerdem gezielt über sogenannte Pop-up-Stores angesprochen werden. Marketing-Fachleute verstehen darunter temporär genutzte Ladenflächen, mit den die Marke Daimler an ungewohnten Punkten im Stadtgebiet repräsentiert werden kann.
Ein Teil der neuen Vertriebsstrategie konnten Passanten bereits im vergangenen Sommer in Hamburg erleben. Dort erprobte Daimler die direkte Kundenansprache. Speziell trainierte Mitarbeiter aus dem Verkauf suchten dabei auf Straßenfesten das Gespräche zu potenziellen Kunden. Diese Bilanz fällt dabei nur auf den ersten Blick bescheiden aus. Aus 600 spontanen Probefahrten seien dabei 17 Vertragsabschlüsse entstanden, sagte Vertriebsexpertin Finkbeiner-Müller. Im Vergleich zu den sehr viel höheren "Streuverlusten" in der klassischen Plakatwerbung muss das als extrem gutes Ergebnis gewertet werden.
Ziel der neuen Vertriebsstrategie sind ehrgeizige Vorgaben im Wettbewerb: Daimler will auf diese Weise die Oberklasse-Konkurrenten BMW und Audi bis 2020 bei zentralen Kennziffern wie etwa dem Absatz übertreffen. Die Richtschnur für 2013 liegt dabei bei mehr als 1,4 Millionen verkauften Autos im Jahr. 2015 will Daimler dann bereits mehr als 1,6 Millionen Fahrzeuge an On- und Offline-Kunden ausliefern.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa