Wirtschaft

Inside Wall Street Die lächerlichen Steuerproteste

Mindestens so alt wie Steuern selbst sind Steuer-Proteste. Von seinem hart verdienten Geld gibt keiner gerne etwas ab, und wenn die Regierung zu sehr über die Stränge schlägt, dann wehren sich die Massen. So wie im Dezember 1776 bei der Boston Tea Party – oder am heutigen „Tax Day“, für den Republikaner zu Aktionen gegen das Wirtschaftspaket von Präsident Barack Obama zu Felde ziehen.

Im ganzen Land gibt es am Mittwoch „Tea Parties“, die republikanische Gruppen in enger Zusammenarbeit mit dem rechts lehnenden Sender Fox organisiert haben. Eines vorweg: Mit dem historischen Protest in Boston konnten es die Proteste nicht aufnehmen – meist erschienen nur eine handvoll wütender Bürger, die mit Schildern und Schlachtrufen gegen die Regierung Obama protestierten.

Dass nicht mehr Leute zu den Protesten kamen, schoben die Veranstalter – und erneut Fox – kurzerhand auf das nasskalte Wetter.

Vielleicht ist es aber auch darauf zurückzuführen, dass immer mehr Amerikaner erkennen, wie dämlich die Stimmungsmache der Republikaner geworden ist. Die Partei, die acht Jahre lang den Präsidenten stellte und bis vor zwei Jahren auch die Mehrheit im Kongress hielt, wirft Barack Obama vor, mit Milliardenausgaben das Land zu ruinieren und über Steuererhöhungen die Mittelschicht abzuzocken.

Beides stimmt nicht: Zunächst hat George W. Bush mit seinen Steuergeschenken an Konzerne und Superreiche und zwei kostspieligen Kriegen ein Rekord-Defizit geschaffen und mit seiner Politik die aktuelle Rezession herbeigeführt. Obama ist nun um Schadensbegrenzung bemüht und hat dafür ein 787 Mrd. Dollar schweres Hilfspaket für die US-Wirtschaft verabschiedet. Dieses ist nicht unumstritten, aber doch besser als alle Maßnahmen der letzten Jahre. Immerhin richten sich diesmal die Steuersenkungen an 95 Prozent der arbeitenden Familien in den USA und nicht an die privilegierten Schichten, und Milliardeninvestitionen fließen in Infrastruktur, Erziehung und Bildung sowie den Gesundheitssektor – alles Bereiche, in denen die USA im internationalen Vergleich deutlich aufzuholen hat.

Doch abgesehen von den nackten Zahlen und Tatsachen ist die Protesthaltung der Republikaner noch aus einem anderen Grund lächerlich. Seit dem Regierungswechsel schimpft die Partei darüber, dass „die Regierung“ ständig wachse und dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche ziehe. Sie ignorieren dabei, dass kein anderer als George W. Bush hinter der größten Ausweitung der Regierung steckt, die das Land je gesehen hat. Und sie vergessen, dass „the Gouvernment“ nicht etwa ein bedrohliches Wesen aus dem All ist, das die armen Leute aussaugt, sondern eine vom Volk gewählte Institution, die die Interessen des Volkes vertritt und zur Zeit mehr als in den letzten Jahren versucht, den Wohlstand im Land gerechter zu verteilen und die Nation wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Während nun einzelne Republikaner überall im Land Schilder in die Höhe halten und – kein Witz! – die Regierung Obama mit einem faschistischen Regime und Raubrittern vergleichen, gibt sich der Präsident gelassen. In den bisher nur drei Monaten seiner jungen Amtszeit habe er die Steuern für den größten Teil der Bevölkerung bereits gesenkt, nahm er den Gegnern den Wind aus den Segeln. Die werden beim Erstellen ihrer Steuererklärung wohl auch gemerkt und dann keinen Grund zur Demo gesehen haben. Und noch etwas ist möglich: Vielleicht sind die Amerikaner nun doch endlich auf Sparkurs und wollten unnötige Ausgaben meiden. Etwa den Teebeutel, den die Republikaner – in Anlehnung an die historischen Ereignisse im Boston des 18. Jahrhunderts – millionenfach nach Washington senden wollen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen