Wie hast du's mit der Inflation? Draghi spielt Zauberlehrling
05.12.2015, 11:02 Uhr
EZB-Chef Mario Draghi.
(Foto: AP)
EZB-Chef Mario Draghi liefert nach dem Geschmack der Märkte zu wenig, und die Börsen rauschen in den Keller. Doch Anleger dürfen dennoch auf neuen Treibstoff hoffen.
"Die ich rief, die Geister, werde ich nun nicht mehr los". Mario Draghi und Janet Yellen erweisen sich als Zauberlehrlinge wie einst in Goethes Ballade. Nur geht es aktuell um den herbeigerufenen Börsengeist, und das ist das frische Geld, mit dem sie die Märkte verwöhnt hatten.
Entsprechend schwer fällt es den beiden, die Investoren vom Billiggeld loszueisen. Draghi muss mittlerweile sogar seine expansive Geldpolitik noch deutlich übertreffen, sonst gibt es lange Gesichter. So gesehen am Donnerstag, als der Dax massiv in den Keller rauschte.
Mancher hatte eine deutliche Ausweitung des Anleihenkaufprogramms erwartet, dazu die eine oder andere Maßnahme mehr. Eine pure Verlängerung reicht offenbar nicht, und man fragt sich schon leicht ironisch, ob Investoren am liebsten gesehen hätten, dass Draghi Bargeld im Frankfurter Ostend, der Heimat der EZB, verteilt. Fazit des Spektakels: Weil Draghi erstmals die Erwartungen nicht erfüllte, knickten die Aktienmärkte in Europa ein. Denn die Geister die er rief, wird er nicht mehr los.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Anleger müssen trotz des jüngsten Kurseinbruchs beim Dax aber nicht verzagen. Denn für die Geldpolitik der EZB gilt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sollte sich das Wachstum der Weltwirtschaft nach der bevorstehenden Zinserhöhung in den USA weiter abkühlen, worauf etliche Konjunkturdaten aus den USA und China klar hindeuten, wird die Inflation in der Eurozone trotz der zunehmenden Euro-Schwemme kaum steigen.
Angesichts der hohen Verschuldung von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen will die EZB die Inflation aber unbedingt anheizen, damit die Staaten und der private Sektor weiter die Zinsen auf ihre Kredite bezahlen können. Trotz der bisherigen Euro-Schwemme hat Draghi es aber bislang nicht geschafft, das zu bewerkstelligen, soll die Inflation doch im laufenden Jahr laut Draghis Prognose bei lediglich 0,1 Prozent liegen. Im März 2014 hatte er aber noch 1,3 Prozent vorhergesagt.
In diesem Umfeld ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der EZB-Chef bereits im Frühjahr 2016 nachlegen und eine weitere Lockerung der Geldpolitik ins Visier nehmen könnte. Wenn die Börsen den Schock vom Donnerstag erst einmal verdaut haben, könnte die Erwartung neuer Schritte von der EZB dafür sorgen, dass sich der Dax allmählich erholt, zumal er von einem schwächer werdenden Euro Rückenwind bekommen dürfte. Dazu könnten Draghi und andere Mitglieder der EZB verbal intervenieren und den Euro wieder nach unten reden.
Anleger sollten die Flinte nicht vorschnell ins Korn werfen. Draghis oberstes Ziel bleibt das Anheizen der Inflation, und das hilft langfristig auch dem Aktienmarkt. Wenn die Inflation nicht anspringt, könnte die EZB innerhalb weniger Monate das Gaspedal noch weiter durchdrücken. In dem Umfeld könnte der Dax dann wieder deutlich nach oben tendieren.
Quelle: ntv.de