Showdown in Brüssel Druck auf Zypern steigt
24.03.2013, 18:34 Uhr
Derzeit können die Zyprer nur 100 Euro täglich abheben.
(Foto: dpa)
Zypern versucht weiter unter Hochdruck die drohende Staatspleite noch abzuwenden und kämpft um die internationalen Hilfen in Milliardenhöhe. Bislang ist die Staatspleite noch nicht vom Tisch. Medienberichte, wonach der krisengeschüttelte Inselstaat noch mehr Geld als bislang angenommen benötigt, wurden nun von den Euro-Finanzminister dementiert.
Zypern will mit neuen Zugeständnissen eine Staatspleite in letzter Minute doch noch abwenden, in Brüssel zeigten die Euro-Finanzminister guten Willen: Man sei weiterhin zu einem Rettungspaket bereit, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor Beginn der Beratungen der Eurogruppe am Abend in Brüssel. Doch liege der Schlüssel dazu in Zypern. "Ich hoffe, dass wir heute zu einem Ergebnis kommen können, aber das setzt natürlich voraus, dass man in Zypern die Lage einigermaßen realistisch sieht", ergänzte er.
Vor dem entscheidenden Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel am Sonntagabend und dem Ablauf eines Ultimatums der EZB am Montag gab es jedoch noch keinen Durchbruch. Erst kamen optimistische Töne aus Nikosia, später hieß es, die Gespräche über den zyprischen Eigenbeitrag seien in einer "heiklen Phase".
Es gab aber in dem besonders wichtigen Punkt einer Teil-Enteignung reicher Bank-Kunden Fortschritte im Sinne der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF. Ein Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es sei vereinbart worden, dass eine Zwangsabgabe von 20 Prozent auf Einlagen von mehr als 100.000 Euro beim größten Geldhaus des Landes, der Bank of Cyprus, erhoben werde. Bei anderen Banken solle sich die Abgabe für Vermögende auf vier Prozent belaufen. Damit wurden entsprechende Medienberichte vom Vorabend bestätigt.
Benötigte Summen unverändert
Zypern taumelt seit Tagen Richtung Pleite. Ein erstes Rettungspaket war im Parlament ohne eine einzige Ja-Stimme durchgefallen. Es sah eine Zwangsabgabe auf alle Bank-Vermögen vor, belastete also auch Kleinsparer. Heftige Protesten der Bevölkerung waren die Folge. Nun wird nach Alternativen gesucht, um den geforderten eigenen Sanierungsbeitrag Zyperns zustande zu bringen. Aus dem überdimensionierten Bank-Sektor sollen 5,8 Mrd. Euro kommen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds über zehn Mrd. Euro freigegeben werden können. Die EZB hat Zypern ein Ultimatum bis Montagabend gesetzt. Wenn bis dahin keine Lösung steht, soll der Geldhahn zugedreht werden. Wird das hoch verschuldete Land jedoch nicht mehr Notkrediten versorgt, würde das den Staatsbankrott bedeuten.
Medienberichten, wonach mehr Geld als bisher bekannt für die klamme Insel nötig sein, wurden in Brüssel dementiert. "Die Summen, die in der Diskussion stehen, haben sich nicht geändert", sagte unter anderem der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden. Die "Welt" hatte zuvor aus dem Umfeld der Verhandlungen in Brüssel berichtet, dass sich der Mehrbedarf auf ungefähr zwei Mrd. Euro belaufe. Eine Ursache für die ausufernden Kosten seien die Verwerfungen durch die Schließung der Banken, die bereits eine Woche andauert. Mittlerweile können Zyperns Bankkunden täglich nur noch 100 Euro am Geldautomaten abheben. Im Ringen um den Erhalt einer Restliquidität schränkten die zyprischen Geldhäuser am Sonntagmittag die Abhebungsmöglichkeiten weiter ein, wie ein Regierungsvertreter sagte.
"Nur noch harte Entscheidungen übrig"
Auch wegen der angespannten Lage der Zyprer drängen die Verantwortlichen in Brüssel auf eine schnelle Lösung. Wertvolle Zeit sei verstrichen, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Es gebe zwar Fortschritte, Zypern stehe aber vor schweren Zeiten. Eine optimale Lösung könne es nicht mehr geben. "Heute sind nur noch harte Entscheidungen übrig." Zyperns Präsident Nikos Anastasiades ist für ein Treffen mit den Spitzenvertretern der Europäischen Union nach Brüssel geflogen. Am Tisch erwarteten ihn EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Chef Mario Draghi und EU-Währungskommissar Rehn. Anastasiades ist erst seit etwa einem Monat im Amt, muss nun aber den Bankrott abwenden, der dem Land spätestens im Juni droht. Es ist für Zypern die größte Krise seit dem Einmarsch türkischer Truppen 1974, der die Insel geteilt hat.
Nicht nur Rehn, auch Bundesfinanzminister Schäuble schwor die Zyprer auf harte Zeiten ein. "Zypern wird einen schweren Weg gehen - so oder so. Aber das ist nicht die Folge europäischer Sturheit, sondern eines Geschäftsmodells, das nicht mehr funktioniert", sagte er der "Welt am Sonntag". Schäuble hat wie viele andere Politiker zuletzt kritisiert, dass die marode Bankenbranche Zyperns dringend schrumpfen müsse. Niedrige Steuern, hohe Zinsen und laxe Geldwäsche-Kontrollen hätten ihn gefährlich aufgebläht. Eine Insolvenz solle nach Möglichkeit vermieden werden, um dem Euro keinen Bärendienst zu erweisen, sagte Schäuble. An den Rahmenbedingungen für ein Hilfsprogramm ändere sich aber nichts.
Rückendeckung bekam der CDU-Politiker von Ökonomen. "Es ist ein wichtiges Signal, hart zu bleiben, es zeigt den Staaten: Man darf es nicht zu weit treiben", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der "Welt am Sonntag". Noch deutlicher wurde der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer: "Es wäre das kleinere Übel, wenn Zypern den Euro-Raum verließe, als wenn es zum Präzedenzfall für den erfolgreichen Aufstand gegen die Auflagen der Euro-Retter würde." Dann gäbe es kein Halten mehr für andere Länder.
Die Zeit läuft ab
"Die Situation ist sehr schwierig und die Fristen sehr knapp", hieß es in einer Mitteilung der zyprischen Regierung. Die Gespräche seien in einer heiklen Phase. Zuvor hatte Finanzminister Michael Sarris noch von Fortschritten gesprochen und sich vorsichtig optimistisch gegeben. Auch der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen hatte sich zuversichtlich geäußert. Die Verhandlungen seien auf einem guten Wege, sagte er der "Bild am Sonntag". Kleinsparer würden nicht mehr in die Pflicht genommen, was richtig sei. Ähnlich äußerten sich auch andere Politiker. SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte im NDR Info, den Plan lediglich hohe Sparguthaben zur Lösung der Finanzkrise mit heranzuziehen. "Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hat, gehört in der Regel zu denjenigen, die an diesen seltsamen Geschäftsmodellen in Zypern sehr viel Geld in der Vergangenheit verdient haben", sagte Gabriel. Diese heranzuziehen, sei absolut akzeptabel. Dagegen wäre es nach seinen Worten nicht akzeptabel gewesen, auch Kleinsparer mit heranzuziehen.
Spätestens seit dem Schuldenschnitt für Griechenland kämpft die zyprische Bankenwelt mit extremen Problemen. Der Sektor gilt als enorm aufgebläht. Der Finanzsektor und finanzielle Dienstleistungen machen einen Anteil von 45 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, zusammen mit dem Tourismus sind es 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Rund 8500 Menschen arbeiten direkt in Zypern in der Finanzbranche, davon 3200 bei der größten Bank, der Bank of Cyprus, und 2300 bei dem zweitgrößten Institut, der Laiki-Bank.
Die Geldhäuser der Insel kommen auf Einlagen von 68 Mrd. Euro, 38 Mrd. Euro davon liegen auf Konten mit einem Guthaben von mehr als 100.000 Euro - enorme Summen für ein Land mit nur 1,1 Mio. Einwohnern. Viele Gelder kommen aus dem Ausland, oft von reichen Russen oder Briten. Zypern hatte deswegen auch auf Unterstützung aus Moskau gehofft - allerdings vergeblich, wie sich mittlerweile gezeigt hat.
Am Freitagabend hatte Zyperns Parlament den Weg für die Schaffung eines sogenannten Solidaritätsfonds frei gemacht und der Regierung die Vollmacht zur Beschränkung des Kapitalverkehrs und zur Aufspaltung von Banken gegeben. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat dies als ein Einlenken auf den richtigen Weg bezeichnet. "Die Aufspaltung der Laiki-Bank in eine Good Bank und eine Bad Bank ist da ganz wichtig", sagte IW-Direktor Michael Hüther im Deutschlandfunk mit Verweis auf die zweitgrößte Bank des Landes.
Quelle: ntv.de, sla/AFP/DJ