Wirtschaft

Ende eines "Jahrhundert-Deals" EADS begräbt Tanker-Hoffnung

Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS muss seine Hoffnungen auf einen lukrativen Großauftrag aus dem Pentagon aufgeben. Der US-Partner Northrop Grumman zieht das gemeinsame Angebot zum Bau des neuen Tankers für die US-Luftstreitkräfte zurück. Damit scheint der jahrelange Wettstreit zwischen Airbus und Boeing in der dritten Runde entschieden.

Hoch über dem Atlantik: Ein US-Kampfjet vom Typ F-16 erweitert durch den Heckrüssel einer KC-135 seine Reichweite.

Hoch über dem Atlantik: Ein US-Kampfjet vom Typ F-16 erweitert durch den Heckrüssel einer KC-135 seine Reichweite.

(Foto: REUTERS)

Der Airbus-Mutterkonzern EADS ist beim "Jahrhundertgeschäft" mit der US-Luftwaffe für 179 Tankflugzeuge im Wert von 35 Mrd. Dollar aus dem Rennen. Der US-Partner Northrop Grumman zog das gemeinsame Angebot Anfang der Woche zurück. Er begründete das mit unfairen Wettbewerbsbedingungen. Die Ausschreibung sei voll auf den Konkurrenten Boeing zugeschrieben worden. Airbus-Chef Thomas Enders warf der US-Regierung "Voreingenommenheit" vor. Das Pentagon äußerte sich "enttäuscht". Zugleich wies das Verteidigungsministerium den Vorwurf unfairer Wettbewerbsbedingungen zugunsten des amerikanischen Konkurrenten Boeing zurück, dem nunmehr das Feld allein überlassen ist.

Schon vor drei Monaten hatte Northrop Grumman (NGC) gedroht, das Handtuch zu werfen, weil mit gezinkten Karten gespielt werde. So hatte Boeing zum Beispiel noch während der laufenden Ausschreibung Einsicht in das Airbus-Preisangebot erhalten und konnte auf diese Weise das eigene Angebot darauf abstimmen. NGC/EADS hatte den Tankerauftrag 2008 bereits in der Tasche. Nach massiven Protesten von Boeing und einer innenpolitischen Debatte im Rahmen des US-Präsidentschaftswahlkampfes hatte das Pentagon den Zuschlag wieder zurückgenommen und den Auftrag komplett neu ausgeschrieben.

In einer ersten Ausschreibung hatte der US-Flugzeugbauer Boeing den Zuschlag erhalten. Nach Unregelmäßigkeiten in diesem ersten Ausschreibungsverfahren hatten US-Gerichte das Verfahren allerdings für unzulässig befunden und gestoppt. In der zweiten Ausschreibung war dann die unter industriepolitischen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht spektakuläre Entscheidung für die Europäer gefallen. Vertreter von Boeing kritisieren seit Jahren vermeintlich unzulässige Staatshilfen für die europäische Flugzeugindustrie.

"Die jetzige (dritte) Ausschreibung ist klar maßgeschneidert auf den kleineren und weniger leistungsfähigeren Flieger der Konkurrenz", kommentierte Airbus-Chef Enders. "Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Es geht hier nicht mehr um das beste Tankflugzeug und auch nicht um einen fairen Wettbewerb." US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte 2009 erklärt, er könne auch nur mit einem Boeing-Angebot leben.

Rendevouz über den Wolken: Ein US-Tarnkappenbomber vom Typ B2 nutzt eine KC-30 - basierend auf der A330 - als fliegende Tankstelle (Grafik).

Rendevouz über den Wolken: Ein US-Tarnkappenbomber vom Typ B2 nutzt eine KC-30 - basierend auf der A330 - als fliegende Tankstelle (Grafik).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Northrop Grumman sei überzeugt, "dass wir im derzeitigen Umfeld keine Chance haben, zu gewinnen, egal wie gut unser Angebot ist", sagte Enders. Er könne "dieser Einschätzung nur folgen". Auch die US-Luftwaffe wisse, dass der Airbus-Tanker gegen Boeing "alle fünf internationalen Ausschreibungen der letzten Jahre gewonnen" habe.

"Politische Bewertungen überlasse ich anderen. Für mich ist nur klar, dass unter den derzeitigen Bedingungen ein Antritt von uns ökonomisch nicht sinnvoll ist", sagte Enders. Verlierer sei die Air Force, die "jetzt die zweitbeste Lösung bestellen" müsse.

Der stellvertretende US-Verteidigungsminister William Lynn betonte in einer schriftlichen Stellungnahme, Northrop Grumman habe sich bei einer ersten Ausschreibung 2008 preismäßig und auch in anderen Bereichen als sehr wettbewerbsfähig erwiesen. "Wir sind fest davon überzeugt, dass der derzeitige Wettbewerb fair strukturiert ist und dass beide Unternehmen effektiv miteinander konkurrieren können." Änderungen bei der Ausschreibung seien nicht erfolgt, um den einen oder anderen Bewerber zu bevorzugen, fuhr Lynn fort. "Das Ministerium unterstützt transatlantische Bande in der Verteidigungsindustrie stark."

Northrop-Chef Wes Bush warnte seine Landsleute, dass die USA ihren Verbündeten bei der Betankung in der Luft bald unterlegen sei würden. Das Boeing-Konkurrenzmodell sei kleiner und leistungsschwächer. "Wir sind uns einig, dass sich die militärischen Anforderungen für den neuen Tanker seit der letzten Ausschreibung nicht geändert haben."

Die US-Luftwaffe muss insgesamt eine Flotte von 534 Tankflugzeugen ersetzen. Das verspricht langfristig ein Geschäft von bis zu 100 Mrd. Dollar inklusive Wartungs- und Folgeaufträge. Im ersten Los der Ausschreibung geht es um den Bau von 68 Maschinen für zwölf Milliarden Dollar und undatierte Folgeaufträge für 111 Flugzeuge. "Mit der Entscheidung des Ministeriums, ein kleineres und weniger leistungsfähiges Modell zu beschaffen, sollte der Steuerzahler natürlich davon ausgehen, dass die Rechnung auch viel niedriger ausfällt", ätzte Northrop-Chef Bush.

Der EADS-Tanker KC-45 basiert auf dem Großraumflugzeug Airbus A330 und hat bisher alle internationalen Wettbewerbe gegen Boeings Konkurrenzentwurf KC-767 gewonnen. Die KC-767 geht auf den alten Verkehrsjet B767 zurück, der in Zivil- und Frachtversionen von Airbus völlig vom Markt verdrängt wurde. Nach dem Verlust der ersten amerikanischen Ausschreibung hatte Boeing sein Modell überarbeitet.

Die KC-767 "New Generation" hat Cockpit-Displays wie der neue "Dreamliner" 787, doch den engeren 767-Rumpf. Boeing wirbt für die KC-767 mit dem Argument, die Produktion jederzeit auf jedem von der Air Force gewünschten Niveau garantieren zu können. Außerdem verbrauche die KC-767 24 Prozent weniger Treibstoff als der größere und schwerere Airbus-Tanker.

Die KC-767 wurde bisher nur nach Japan und Italien verkauft, wo Boeing Teile fertigen lässt. Wo die Maschine offen mit dem Airbus-Tanker konkurrierte wie in Australien, Großbritannien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und 2008 in den USA, hatten stets die Europäer die Nase vorn. Nach der Neuausschreibung des US-Auftrags hatten Northrop Grumman und Airbus bereits 2009 über eine offensichtliche Bevorzugung von Boeing im Pentagon geklagt.

EADS hatte für den Airbus-Tanker ein eigenes Werk in den USA bauen wollen, in dem auch die A330-Frachter montiert werden sollten - dies auch, um den Arbeitsplatz-Argumenten der Gegenseite die Spitze zu nehmen. NGC sollte die militärischen Komponenten zuliefern. Northrop warb damit, das Projekt würde 48.000 Arbeitsplätze in den USA schaffen, mehr als Boeings KC-767. Als Kompromiss hatte Northrop eine Teilung des Auftrags im Verhältnis 60 zu 40 ins Spiel gebracht.

EADS wollte mit dem Tankerwerk auch seine Abhängigkeit vom Euro-Raum mindern. "EADS wird weiter in den USA aktiv bleiben", versicherte Enders. Er verwies dabei auf die jüngst 100. Auslieferung eines Hubschraubers an die US-Armee und das "Airbus Engineering Center" in Mobile im US-Bundesstaat Alabama.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen