BMW, Daimler und Audi dürfen sich freuen EU findet Abgas-Kompromiss
29.11.2013, 16:19 Uhr
Die EU will Autos klimafreundlicher machen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Beliebt hat sich Deutschland bei Klimaschützern und anderen EU-Ländern im Streit um Abgasvorschriften für Autos sicher nicht gemacht. Doch Regierung und Industrie ist das wohl ziemlich gleichgültig. Mit dem nun gefundenen Kompromiss können sie gut leben.
Das Gezerre um strengere Abgasnormen für Autos in der Europäischen Union ist beendet. Die Botschafter der 28 EU-Staaten stimmten bei einem Treffen in Brüssel dem in dieser Woche ausgehandelten Kompromiss zu, wie die litauische EU-Ratspräsidentschaft per Twitter mitteilte. Nach monatelangem Widerstand will auch Deutschland grünes Licht geben. Die litauische EU-Ratspräsidentschaft und die Unterhändler des EU-Parlaments hatten sich auf eine abgeschwächte Regelung geeinigt, die Forderungen deutscher Oberklasseautobauer BMW, Daimler und Audi aufgreift. Auch das EU-Parlament muss noch zustimmen. Ein Ja gilt dort als sicher.
Im Streit ging es darum, wie schnell Grenzwerte für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in der EU für Neuwagen gesenkt werden müssen. Ende Juni hatten die Bundesrepublik und einige andere Staaten einen von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten und dem Parlament ausgehandelten Kompromiss abgelehnt und damit blockiert. Denn aus Sicht Deutschlands würden die deutschen Oberklassen-Hersteller zu stark belastet.
Nun soll die bisher für 2020 angepeilte Grenze von maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer für alle neuen Autos erst 2021 gelten. 2020 müssen auch nur 95 Prozent der verkauften Fahrzeuge eines Herstellers diese Norm erfüllen. Zudem können sich Autobauer emissionsfreie Elektrofahrzeuge als sogenannte Supercredits stärker als Entlastung anrechnen lassen. Ursprünglich hatte die Bundesregierung eine vierjährige Übergangszeit vorgeschlagen.
Die spätere Einführung von Abgas-Limits kommt vor allem Daimler, BMW und Audi entgegen, deren Fahrzeuge schwerer und leistungsstärker sind und deshalb mehr Sprit verbrauchen. Daimler und BMW setzen aber zugleich auf Elektroautos, so dass sie auch von der großzügigeren Anrechnung dieser Fahrzeuge profitieren dürften.
"Ausgewogene Lösung"
Der Wert von 95 Gramm CO2-Ausstoß gilt für den Durchschnitt aller europäischen Neuwagen. Für jeden Hersteller gelten dabei spezifische Vorgaben. Boni für schadstoffarme Fahrzeuge wie Elektroautos sollen die Konzerne bis Ende 2022 nutzen dürfen - allerdings jedes Jahr etwas weniger. Das soll es ihnen erleichtern, die individuellen Ziele zu erreichen. Während jedes Elektroauto im Jahr 2020 noch doppelt gezählt wird, sinkt der Faktor 2021 auf 1,7 und 2022 auf 1,3.
Ein Sprecher des Umweltministeriums in Berlin sprach von einer "ausgewogenen Lösung, die sowohl im Interesse des Klimaschutzes ist, als auch im Interesse der Arbeitsplätze in Europa". Sie gebe den Herstellern mehr Flexibilität beim Erreichen der Grenzwerte für Schadstoffemissionen von Autos. Das deutsche Wirtschaftsministerium erklärte: "Das sehen wir positiv."
Umweltverbände und die Grünen halten dagegen wenig von den Plänen und sprechen von einem Rückschlag für die europäische Klimapolitik. "Mit ihrer gezielten Intervention nötigte die deutsche Bundeskanzlerin die Brüsseler Institutionen, einen bereits schwachen Kompromiss noch weiter zu verwässern", sagte die Vorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms. Kritik an dem Kompromiss kam auch von der Umweltschutz-Organisation Transport & Environment: "Es ist beschämend, dass sich die ungeschickte Lobby-Arbeit Deutschlands ausgezahlt hat und das 95-Gramm-Ziel weiter abgeschwächt wurde", sagte deren Experte Greg Archer. Für die EU-Abgeordnete Sabine Wils von den Linken bedeutet die Einigung "viele Tausende Tonnen mehr CO2 in der Atmosphäre." Auf die Verbraucher kämen zudem mehrere Milliarden mehr an Benzinkosten zu, weil das Ergebnis den rascheren Wechsel der Industrie auf umweltfreundlichere und damit weniger spritschluckende Modelle verzögere.
Der CDU-Abgeordnete Thomas Ulmer, der die Verhandlungen für das EU-Parlament geleitet hat, verteidigte dagegen den Kompromiss: "Wir reden hier über die Fristverlängerung von einem Jahr für fünf Prozent des Flottenausstoßes. Das kann auf der Zielgeraden vielleicht ein wenig helfen; vom Aufweichen eines anspruchsvollen Gesamtziels, das weniger als vier Liter pro Kilometer bedeutet, kann aber keine Rede sein." Unterhändler Matthias Groote sprach von einer "industriepolitisch ausgewogene Position". Dadurch entstehe "Waffengleichheit" für die Hersteller, kein Unternehmen werde benachteiligt, sagte der SPD-Politiker.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa