Nutznießer Frankreich und Spanien EU lockert Sparschraube
29.05.2013, 15:29 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die EU-Kommission reagiert auf die Verschärfung der Krise in den Ländern mit riesigen Haushaltsproblemen. Frankreich muss die Grenze von drei Prozent erst 2015 erreichen, Spanien 2016. Italien ist nicht mehr unter besonderer Beobachtung. Energiekommissar Oettinger stellt dem Staatenbündnis kein gutes Zeugnis aus.
In der europäischen Schuldenkrise will die EU-Kommission den Sparkurs lockern. Frankreich, Spanien, Polen, Portugal, die Niederlande und Slowenien sollen demnach mehr Zeit zum Defizitabbau bekommen. Die Regierungen sollen die Atempause beim Sparen aber zu tiefgreifenden Reformen nutzen. Nur auf Belgien wird mehr Druck ausgeübt, den Haushalt schnell wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Insgesamt versucht die EU-Kommission, mit mehr Wachstumsimpulsen gegen die Euro-Krise anzukämpfen. Denn einige Länder stecken seit Jahren in der Rezession fest. Die Arbeitslosigkeit hat vielfach ein Rekordniveau von 25 Prozent und mehr erreicht.
Die EU-Behörde schlug vor, Frankreich und Spanien zwei Jahre mehr Zeit zu geben, um die Neuverschuldung unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken. Frankreich muss die Obergrenze damit erst 2015 und Spanien 2016 einhalten. Italien, Ungarn, Lettland, Litauen und Rumänien hätten ihre Defizite ausreichend abgebaut und seien nicht mehr unter besonderer Beobachtung.
"Es gibt Spielräume"
Die Vorschläge sind Teil der umfassenden Empfehlungen der EU-Kommission an alle 27 EU-Staaten zur Haushaltspolitik und zu Reformen. Die EU-Staaten hatten zur Abwehr der Schuldenkrise im Euro-Raum eine engere Abstimmung der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit stärkerem Einfluss der Kommission beschlossen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte, Wachstum auf Basis von Schulden sei nicht nachhaltig und nur ein Strohfeuer. Weil die EU-Staaten beim Konsolidieren ihrer Haushalte aber gut vorangekommen seien, gebe es jetzt Spielraum, das Spartempo zu verlangsamen.
"Sparpolitik oder Wachstum - diese Diskussion ist sinnlos, sie ist kontraproduktiv", ergänzte Barroso. Statt eine spaltende Diskussion zu führen, sollten sich die Hauptstädte darauf konzentrieren, die von der EU empfohlenen Reformen umzusetzen. "Wenn Europa diese Programme umsetzt, wird es wettbewerbsfähiger, widerstandsfähiger und stärker als vor der Krise sein."
Paris muss Reformstau auflösen
Frankreich wurde aufgefordert, den Arbeitsmarkt und das Rentensystem zu reformieren, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden. Das Steuersystem müsse zudem einfacher werden. Die Arbeitskosten müssten über eine Kürzung von Sozialausgaben gesenkt werden, erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Viele Experten fürchten, dass die Schuldenkrise noch einmal eskaliert, wenn Frankreich seine wirtschaftlichen Probleme nicht in den Griff bekommt.
Belgien wurde aufgefordert, dieses Jahr die Neuverschuldung auf 2,7 Prozent der Wirtschaftskraft zu senken. Das bedeutet für das Land zusätzliche Sparanstrengungen. "Belgien hat noch keine effektiven Maßnahmen ergriffen." Das müsse sich noch 2013 ändern. Vergangenes Jahr kam Belgien noch auf eine Neuverschuldung von knapp vier Prozent des BIP.
Oettinger teilt kräftig aus
EU-Energiekommissar Günther Oettinger nutzte einen Festvor trag für eine bitterböse und wenig diplomatische Abrechnung mit dem Staatenbündnis. Einem Medienbericht zufolge teilte er kräftig gegen EU-Mitglieder aus. Den Staatenbund insgesamt bezeichnete er als "Sanierungsfall". Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung hielt Oettinger einen Vortrag vor der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer.
Brüssel habe "die wahre schlechte Lage noch immer nicht genügend erkannt". Statt die Wirtschafts- und Schuldenkrise zu bekämpfen, zelebriere Europa "Gutmenschentum" und führe sich als "Erziehungsanstalt" für den Rest der Welt auf. "Mir macht Sorge, dass derzeit zu viele in Europa noch immer glauben, alles werde gut."
Auch die Lage in einigen EU-Mitgliedsländern bezeichnete er als besorgniserregend. "Mir machen Länder Sorgen, die im Grunde genommen kaum regierbar sind: Bulgarien, Rumänien, Italien." Dazu komme, dass in vielen Ländern EU-kritische Bewegungen stärker würden. In Großbritannien regiere Premier Cameron mit einer "unsäglichen Hinterbank, seiner englischen Tea-Party".
Besorgt äußerte sich Oettinger auch zur wirtschaftlichen Lage Frankreichs. Das Land sei "null vorbereitet, auf das, was notwendig ist", sagte der deutsche EU-Kommissar. Frankreich brauche eine Agenda 2010 "mit Rentenreform, was in Wahrheit Rentenkürzung heißt, längere Lebensarbeitszeit, Staatsquote runter". Frankreich habe eine Staatsquote von 57 Prozent, die Zahl der Staatsdiener sei doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Aber es gebe "keinen Mittelstand und wenig Innovation".
Quelle: ntv.de, wne/ddi/rts/dpa/DJ