Ratingagenturen an die Kandare EU nimmt Kontrolle auf
02.06.2010, 17:27 UhrSchluss mit den ungezügelten Benotungen: Die EU will Ratingagenturen schärfer kontrollieren. Bereits seit einem Jahr schmiedet die Kommission an einem Regelpaket. Nach dem jüngsten Ärger um die Herabstufungen von Spanien & Co, sollen die Zügel sogar noch straffer angezogen werden.
Im Gespräch ist eine neue europäische Marktaufsichtsbehörde, die die Überwachung der Ratingagenturen überwachen soll. Die noch zu schaffende European Securities and Markets Authority (ESMA) soll ab kommenden Jahr neben zwei weiteren Aufsichtsbehörden – zuständig für Banken und Versicherungen – die Finanzmarktkontrolle übernehmen. Am Mittwochabend will der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier die neuen Pläne vorstellen.
Einst gefürchtet, jetzt geächtet
Noch vor wenigen Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass die gefürchteten Ratingagenturen, wie die US-Branchenführer Standard & Poor's, Moody's und Fitch, derart in Verruf geraten könnten. Doch der Niedergang der Auguren begann im Sommer 2007, als die Agenturen in Verdacht gerieten, ihren Job – die Einstufung der Kreditwürdigkeit privater oder staatlicher Emittenten - nicht ganz so gewissenhaft nachgekommen zu sein. Sie sollen in der Bankenkrise komplexe Kreditprodukte wider besseren Wissens zu lange zu gut bewertet haben und damit maßgeblich zum Finanzcrash beigetragen haben. Die jüngste Kritik zielt indes genau auf das Gegenteil: So wird den Analysten von Standard & Poor's vorgeworfen, sie hätten in der Griechenland-Krise den Daumen über die beiden defizitären Euro-Länder Spanien und Portugal zu früh gesenkt.
Als Ursache des Übels gilt die Tatsache, dass die Ratingagenturen keinerlei Aufsicht unterliegen. Auch das Geschäftsmodell sorgt zumindest für Fragezeichen: So werden die Agenturen unter anderem von eben den Banken bezahlt, deren Produkte sie bewerten sollen. Seit 1970 bezahlen nicht die Investoren, sondern die Herausgeber eines Wertpapiers für ein Rating. Die Ratingagenturen pochten jedoch stets darauf, unabhängig zu entscheiden – allein die potenzielle Gefährdung ihrer Reputation zwinge sie dazu, hieß es. Dennoch blieben Zweifel, ob in Einzelfällen nicht doch die Geschäftsbeziehung zu den Investmentbanken Vorrang hatte.
Information, Transparenz, Qualität
Nun will die Europäische Union als erste Region weltweit die Agenturen ab Ende 2010 einer Kontrolle unterwerfen. Doch können die Aufseher damit nicht in die Bewertung selbst eingreifen oder die Rechtfertigung einer einzelnen Entscheidung verlangen. Ziel der vor rund einem Jahr verabschiedeten Verordnung soll vielmehr sein, Entscheidungsgrundlagen der Agenturen offenzulegen und die Qualität der Bewertungen von Kreditprodukten zu verbessern. Auch soll Interessenkonflikten ein Riegel vorgeschoben werden. Diese kann es etwa geben, wenn die Agenturen selbst als Ratgeber am Entstehen von Produkten beteiligt sind, die sie später bewerten.
Die Agenturen müssen sich künftig beim Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) registrieren lassen, aus dem später die Aufsichtsbehörde ESMA werden soll. Aufsichtskollegien mit Vertretern aller EU-Länder, in denen die Agenturen präsent sind, überprüfen, ob die Kreditwächter alle Vorschriften einhalten. So sollen Ratingagenturen künftig keine Beratungsdienste erbringen und Finanzinstrumente nur dann bewerten dürfen, wenn sie hierfür über genügend fundierte Informationen verfügen. Zudem sollen sie die Modelle, Methoden und grundlegenden Annahmen veröffentlichen, auf die sie ihre Ratings stützen. Ratings von komplexeren Produkten sollen mit einer speziellen Kennzeichnung versehen werden. Außerdem wird die ESMA einen alljährlichen Transparenzbericht einfordern, sowie die Einrichtung einer interne Kontrollstelle, die über die Qualität der Ratings wacht.
Strengere Regeln nicht ausgeschlossen
Um die Einhaltung dieser Regeln überprüfen zu können, soll die ESMA Medienberichten zufolge weitreichende Kompetenzen erhalten. So soll sie gegen die Ratingagenturen ermitteln können, wenn sie deren Bewertungen in Zweifel zieht. Auch sind Geldstrafen vorgesehen. Die Europäische Kommission zeigte sich zudem offen für eine Nachjustierung der Regeln. "Wir müssen weiter gehen, um die Auswirkung der Ratings auf das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem zu sehen", sagte Michel Barnier.
In Deutschland machte der Bundesrat Anfang März den Weg frei für eine Beaufsichtigung der Ratingagenturen. Deutschland setzte damit die entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht um. Das deutsche Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Agenturen zur Vermeidung von Interessenkonflikten nicht mehr die Bonität von Unternehmen bewerten dürfen, die sie auch beraten. Bei Verstößen droht ihnen ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro. Zudem sollen die Ratingagenturen künftig einmal jährlich von einem Wirtschaftsprüfer unter die Lupe genommen werden. Die Aufsichtsbehörde BaFin kann zudem ohne Begründung Sonderprüfungen anordnen.
Auch in den USA sollen die Ratingagenturen unter strengere Aufsicht gestellt werden. Vorgesehen ist unter anderem die Schaffung einer staatlichen Clearingstelle, deren Richtlinien sich unter anderem die drei Branchenriesen unterwerfen müssen. Ziel hier ist es unter anderem für mehr Wettbewerb unter den Agenturen zu sorgen, und Interessenskonflikte zu vermeiden.
Quelle: ntv.de, sla/rts/AFP/dpa