Keine Urteile über kriselnde Staaten EU will Ratingagenturen knebeln
20.10.2011, 15:04 UhrAngesichts der Staatsschuldenkrise will die EU-Kommission Ratingagenturen notfalls verbieten, Urteile über die Kreditwürdigkeit kriselnder EU-Länder zu veröffentlichen. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Standard & Poor's, Moody's und Fitch Schuldenstaaten noch tiefer in die Krise drücken.
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will den Ratingagenturen die Veröffentlichung von Bonitätsbewertungen von kriselnden EU-Ländern verbieten. Länder in Finanznot, die über Hilfe des Internationalen Währungsfonds oder des Euro-Rettungsschirms verhandelten, sollten zeitweise nicht von den Agenturen bewertet werden, sagte Barnier in Brüssel.
Im November werde er einen Gesetzentwurf mit strengeren Vorschriften zu Ratingagenturen vorlegen. "Es ist nicht das Thermometer, das das Fieber auslöst - aber es muss die Temperatur ordentlich messen", sagte er. Die EU wolle auch die durch Gesetze geschaffene Abhängigkeit vom Bonitätsurteil reduzieren. Die Bewerter seien überbewertet.
Die Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen sind europäischen Politikern schon seit langem ein Dorn im Auge. Herabstufungen der Kreditwürdigkeit haben Euro-Krisenländer regelmäßig an den Anleihemärkten zusätlich unter Druck gebracht und die Finanzierungsbedingungen dieser Länder teils massiv verteuert - und die Lage damit verschärft.
Spanien herabgestuft
Kritiker werfen den Agenturen immer wieder vor, Entwicklungen zu überzeichnen und damit zu verstärken. Zudem wird bemängelt, dass der Markt der Ratingagenturen von drei großen Anbietern aus dem angloamerikanischen Raum dominiert wird. Viele europäische Politiker fordern daher den Aufbau einer europäischen Ratingagentur.
Derzeit erhalten Griechenland, Irland und Portugal Geld von EU und Internationalem Währungsfonds. Mittelfristig könnten weitere Länder Hilfe brauchen - etwa Italien und Spanien. Ratingagenturen hatten erst vor wenigen Tagen die Kreditwürdigkeit Spaniens herabgestuft.
Inwieweit die neuen Regeln greifen, hängt davon ab, wann das Gesetz in Kraft tritt. Barnier hat die Vorlage für spätestens November avisiert. Bis dahin sind Änderungen möglich. Dann müssen noch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen. Vor Herbst 2012 wird es kaum in Kraft treten können
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa