Zinspause vor der Sommerpause? EZB-Chef Draghi hält Kurs
03.07.2013, 12:48 Uhr
Ein rekordniedriger Leitzins und eine äußerst lockere Geldpolitik: Daran wird sich Marktexperten zufolge nichts ändern - vorerst. Für Spannung dürften die den Zinsentscheid begleitenden Äußerungen von Zentralbank-Chef Draghi sorgen.
Von der Hektik rund um den angedachten Ausstieg der US-Notenbank aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik lässt sich Mario Draghi vorerst nicht anstecken. Gleich zwei Mal betonte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche, dass der "Exit" - so nennen die Fachleute die Entwöhnung der Finanzwirtschaft von der jahrelangen Geldschwemme - in der europäischen Währungsunion noch "in ferner Zukunft" liege. Geld bleibt also bis auf weiteres so billig wie noch nie - und die EZB fährt unverändert auf Sicht.
Entsprechend überschaubar sind die Erwartungen an den Finanzmärkten, wenn sich der EZB-Rat in Frankfurt trifft, um über die Geldpolitik für die 17 Euro-Länder zu entscheiden. Auf ein Mindestmaß reduzierte auch der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen die Spekulationen, die EZB könne im Kampf gegen die Kreditklemme und Rezession in vielen Ländern noch mehr Gas geben: im "richtigen Tempo" bewege sich die Geldpolitik, ließ er jüngst wissen. Mit anderen Worten: Zinspause vor der Sommerpause heißt die Devise.
Weitere Zinssenkung nicht notwendig
Nachdem Draghi & Co im Mai den Leitzins auf das Rekord-Tief von 0,5 Prozent gesenkt hatten, hielten sich die Währungshüter vor gut einem Monat dann alle Optionen offen. Michael Schubert, der das Gebaren der EZB für die Commerzbank analysiert, glaubt, dass dies auch so bleiben wird: "Die Konjunktur könnte sich wie von der Notenbank erwartet im weiteren Jahresverlauf allmählich erholen, so dass eine weitere Zinssenkung nicht notwendig ist."
Insgesamt erwarten von Reuters befragte Analysten nicht, dass die EZB kurzfristig an der Zinsschraube dreht. Bessere Konjunkturdaten und zuletzt wieder gestiegene Zinsen auf Anleihen von Krisenländern halten sich derzeit - noch - die Waage. Sollten aus dem Süden der Eurozone aber schlechte Nachrichten über den Sommer kommen, kann sich die Gemengelage allerdings jederzeit ändern.
Nikolaus Keis von der italienischen Großbank UniCredit kann sich deshalb gut vorstellen, dass Draghi die Pressekonferenz nach der Zinssitzung des EZB-Rats nutzen wird, die Renditen der Staatsanleihen "herunterzureden". Eine verbale Intervention also, bevor in den kommenden Monaten dann doch noch einmal die Waffe des Leitzinses gezückt werden könnte - "wenn die Anleihezinsen nicht sinken und die Bedingungen an den Kreditmärkten nicht besser werden".
Zinssenkungen 2013 aber denkbar
Die Kredite an Firmen und Haushalte sind seit Monaten rückläufig. In Griechenland, Italien, Portugal und Spanien ist es für kleine und mittelständische Betriebe nach wie vor so gut wie unmöglich, ein Darlehen zu bekommen. "Alles in allem kann man die Zahlen kaum als Zeichen sehen, dass die Geldpolitik der EZB zu locker ist - ganz im Gegenteil", sagt Peter Vanden Houte von der niederländischen Bank ING. "Wir erwarten zwar, dass die EZB ihren Leitzins in den nächsten Monaten stabil hält, wären aber auch von einer zusätzlichen Zinssenkung nicht überrascht."
Kurz vor der EZB entscheidet die Bank von England über ihren weiteren Kurs. Erstmals dabei ist der neue starke Mann an der Themse: Mark Carney - bislang Gouverneur der Zentralbank Kanadas, Chef des globalen Finanzstabilitätsrates und mit einem Berg Vorschusslorbeeren bedacht. Immerhin hat ihn der britische Finanzminister George Osborne schon als "besten Zentralbanker seiner Generation" bezeichnet. Bei seiner ersten Zinsentscheidung in London dürfte Carney aber wohl noch stillhalten.
Quelle: ntv.de, rts