Wirtschaft

Draghi unbeirrt EZB dürfte Zinssenkung widerstehen

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EZB-Präsident Draghi hat sich in den vergangenen Tagen klar positioniert: Er sehe keine Deflation und die Eurozone bewege sich in die richtige Richtung. Dennoch hoffen einige Marktteilnehmer auf eine Zinssenkung - und erwarten den Ausblick bis 2016.

Die Zinspolitik in der Eurozone dürfte das dominierende Thema am Markt sein. Im Tagesverlauf trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zu seinen monatlichen geldpolitischen Beratungen. Dabei rechnet eine Mehrheit der Experten damit, dass sowohl der Hauptrefinanzierungssatz als auch der Satz für Bankeinlagen unverändert bleiben werden. Traditionell wird sich EZB-Chef Mario Draghi am frühen Nachmittag den Fragen der Journalisten stellen.

Euro / US-Dollar
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"Die jüngsten Konjunktur- und Inflationsdaten haben die Dringlichkeit einer Leitzinssenkung gesenkt", sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe mit Blick auf den überwiegenden Eindruck der Volkswirtezunft. Die Inflationsrate war in den beiden ersten beiden Monaten des Jahres mit 0,8 Prozent zwar weit unterhalb des angepeilten EZB-Ziels von etwa zwei Prozent. Doch hatten Analysten zumindest für Februar sogar mit einer noch geringeren Rate gerechnet.

Draghi hat Szenarien umrissen

Im Vormonat hatte Draghi erneut klar gemacht, was die EZB zu einer weiteren Lockerung bringen könnte: Die Eintrübung des Inflationsausblicks oder ein unerwünschter Anstieg der Zinsen am Geldmarkt. Doch nichts davon ist eingetreten.

Tatsächlich ist der Rückgang des für die mittelfristige Inflationsentwicklung wichtigen Geldmengenwachstums im Januar vorläufig zum Stillstand gekommen, und die Inflation selbst hat sich im Februar entgegen den Erwartungen nicht weiter verringert. Darüber hinaus signalisieren Frühindikatoren der Konjunkturentwicklung, dass das Wirtschaftswachstum langsam anzieht.

Ratssitzung der EZB: Draghi hat eigentlich alles getan, um Zinsfantasien im Keim zu ersticken.

Ratssitzung der EZB: Draghi hat eigentlich alles getan, um Zinsfantasien im Keim zu ersticken.

(Foto: REUTERS)

Trotzdem bleibt abzuwarten, welches Inflations- und Wachstumsszenario die EZB in Gestalt ihrer neuen Stabsprojektionen präsentieren wird. Erstmals wird sie dabei Prognosen mit einem dreijährigen Horizont veröffentlichen. Viele Beobachter warten gespannt, wie hoch sie die Inflationsrate für 2016 ansetzt. Denn das ist schon recht nahe an der sogenannten mittleren Frist, innerhalb derer die Zentralbank für knapp zwei Prozent Inflation sorgen soll.

Dennoch sind unter den Banken, die eine Zinssenkung um 10 oder 15 Basispunkte erwarten, durchaus prominente Häuser: Deutsche Bank, Commerzbank, BNP Paribas, Credit Suisse, Nordea, um nur einige zu nennen. "Es sieht so aus, als wäre die Reaktionsfunktion der EZB immer noch nicht so klar, wie Mario Draghi uns das glauben machen möchte", sagte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

IWF: EZB soll geldpolitisch in die Vollen gehen

Wohl auch deshalb hat Draghi zuletzt zwei Anläufe unternommen, die Erwartung einer Zinssenkung aus den Märkten zu nehmen. So hieß es zu Wochenbeginn, dass sich die Eurozone "klar in die richtige Richtung" bewege und das Glas "mehr als halb voll" sei. Ende vergangener Woche hatte er betont, dass sich der Währungsraum nicht in einer Deflation, sondern in einer Phase anhaltend niedriger Inflationsraten befinde, auf die eine Phase steigender Teuerung folgen werde.

Etwas anderer Meinung scheint indes der Internationale Währungsfonds (IWF) zu sein: Zur Abwehr von Deflationsrisiken muss die EZB laut IWF-Experten geldpolitisch in die Vollen gehen. Die Zentralbank solle die Zinsen senken und zudem den Banken eine neue langfristige Kreditlinie (LTRO) anbieten, heißt es in einem Blog führender IWF-Manager. Wahlweise könne sich die Zentralbank statt eines LTROs auch für den Ankauf von Wertpapieren in großem Stil entscheiden. Die Notenbank solle ihre Bilanz damit "substanziell ausweiten", um Deflationsrisiken zu begegnen.

Bank of England dürfte sich nicht rühren

Derweil dürfte die Bank of England (BoE) trotz der starken Expansion der britischen Wirtschaft an ihrer extrem lockeren Geldpolitik festhalten. Ökonomen erwarten, dass bei ebenfalls im Tagesverlauf angesetzten Ratssitzung der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,50 Prozent verharrt. Auch der 375 Milliarden Pfund schwere Bestand an Staatsanleihen wird nach allgemeiner Überzeugung nicht angetastet. Die BoE hat signalisiert, dass die Zinsen erst steigen werden, wenn der Wirtschaftsaufschwung gesichert ist.

Im Februar hatte Gouverneur Mark Carney die Koppelung des Leitzinses an den Arbeitsmarkt kassiert. Da die britische Wirtschaft überraschend stark zulegte, war die Arbeitslosenquote viel schneller als erwartet gefallen. Die neue Richtschnur, an der die Notenbank den Schlüsselzins nun ausrichtet, ist der Auslastungsgrad der Wirtschaft.

Anhand einer Reihe von Indikatoren und Kennzahlen will die BoE prüfen, wie weit die Unternehmen noch von einer vollen Auslastung ihrer Anlagen und Maschinen entfernt sind. Erst bei einer Vollauslastung droht ein höherer Inflationsdruck. Wegen der aktuell niedrigen Inflation und des moderaten Inflationsausblicks kann sich die BoE mit einer Straffung der Geldpolitik noch Zeit lassen.

Viele Marktteilnehmer rechnen damit, dass die erste Zinserhöhung in Großbritannien erst im Frühjahr 2015 erfolgen wird. Die britische Notenbank würde damit die erste große Zentralbank sein, die den Krisenmodus verlässt und wieder zu einer normalen Geldpolitik zurückkehrt.

Quelle: ntv.de, jwu/DJ/rts

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