Mit Wind und Wasser gegen Gewinnschwund EnBW investiert massiv in Ökostrom
17.06.2013, 21:39 Uhr
EnBW-Chef Mastiaux will den Konzern radikal zum Ökostrom-Versorger umbauen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschlands drittgrößter Energieversorger EnBW will zum grünen Konzern werden: 3,5 Milliarden Euro sollen in Ökostromanlagen fließen, der Gewinn aus Erneuerbaren Energien sich so vervierfachen. Der einstige Atomstromkonzern muss sich nach der Energiewende radikal neu erfinden.
Der Energieversorger EnBW will die Talfahrt durch den Atomausstieg in Deutschland mit einem radikalen Schwenk hin zu erneuerbaren Energien stoppen. Bis zum Ende des Jahrzehnts will der drittgrößte deutsche Versorger gut 3,5 Mrd. Euro in Wind- und Wasserkraft stecken und den operativen Gewinn aus erneuerbarer Energie auf 800 Mio. Euro vervierfachen. Weitere drei Mrd. Euro sollen in das Netzgeschäft investiert werden. "Die traditionellen Geschäftsmodelle der Großversorger tragen nicht mehr", sagte EnBW-Chef Frank Mastiaux.
Aus Wind und Wasser soll die Energieversorgung Baden-Württemberg bis 2020 insgesamt 40 statt bisher zwölf Prozent seiner Energie gewinnen. Der bereinigte operative Gewinn soll bis dahin von 2,3 Mrd. Euro im vergangenen Jahr auf gerade mal 2,6 Mrd. Euro klettern. Seit 2010 - also dem Jahr vor dem Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung - schrumpfte der Konzernüberschuss um ein Drittel. Der ehemalige E.ON-Manager Mastiaux hat dem staatlich kontrollierten Konzern einen massiven Umbau verordnet, um den Niedergang zu stoppen. Denn ohne den neuen Kurs "wäre der Bestand des Unternehmens gefährdet", warnte Finanzchef Thomas Kusterer.
Das Geld für die Investitionen soll zum Teil aus dem Verkauf von Beteiligungen kommen. Das Programm dazu soll auf 2,5 bis 3,0 Mrd. Euro bis 2020 aufgestockt werden. Schon bis 2015 hatte sich EnBW vorgenommen, 1,5 Mrd. Euro durch die Veräußerung von Firmenbeteiligungen und Vermögenswerten einzunehmen. Realisiert sind davon bisher 500 Mio. Euro.
Aktivitäten zu sehr "im Gestern verhaftet"
Welche Beteiligungen über schon bekannte Projekte wie den Verkauf des Anteils am Mannheimer Versorger MVV hinaus geplant sind, ließ sich Mastiaux nicht entlocken. Die Konzernstrukturen will er zugleich stark straffen, indem ein Teil der mehr als 300 Töchter und Beteiligungen verschmolzen wird. Genaue Zahlen dazu nannte die Konzernspitze allerdings nicht. Vorstands- und Aufsichtsratsposten sollen dabei zwar wegfallen, aber Personal soll nicht in großem Umfang abgebaut werden. Bis 2020 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
"Leider ist es so, dass viele unserer Aktivitäten noch mehr im Gestern verhaftet sind als im Morgen, das müssen wir dringend ändern", sagte der seit Oktober amtierende EnBW-Chef. Der Konzern will die Produktentwicklung vorantreiben und mit energienahen Dienstleistungen mehr Geld verdienen. "Wir sind nicht die schnellsten im Kommerzialisieren", stellte Mastiaux fest. In den Netzausbau sollen gut drei Mrd. Euro gesteckt werden. Das Karlsruher Unternehmen, das zu gut 90 Prozent dem grün-rot regierten Baden-Württemberg und schwäbischen Landkreisen gehört, leidet stark unter dem Ausstieg aus der Atomkraft. Von seinen fünf Kernreaktoren in Neckarwestheim, Obrigheim und Philippsburg sind schon drei abgestellt.
Expansion in der Türkei
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien soll künftig der industrielle Maßstab zählen. "Wir werden nicht mehr in kleinteilige Sonnenkollektoren investieren, außer ein Kunde will das", sagte Mastiaux. Auch bei Windkraftanlagen auf dem Land seien größere Einheiten im Blick. Ein Schwerpunkt liege auf der Aufrüstung bereits bestehender Standorte mit effizienterer Technik. Allein bei den Onshore-Anlagen sei eine Kapazitätserhöhung von derzeit 200 Megawatt auf rund 1750 Megawatt geplant. "Wir werden hier deutlich Fahrt aufnehmen."
Die Aussichten bei Offshore-Anlagen beurteilte der EnBW-Chef vorsichtiger. Mit Baltic II will die EnBW im kommenden Jahr ihren zweiten Park in der Ostsee ans Netz nehmen. Ihre Pläne für Windparks in der Nordsee hat sie wegen Anbindungsproblemen vorerst auf Eis gelegt.
Als wichtigen Wachstumsmarkt nannte Mastiaux die Türkei. Hier sollen dreistellige Millionenbeträge in Wind- und Wasserkraft investiert werden. Beim Gasgeschäft will er vorsichtig agieren. "Wir rechnen mit einem kontinuierlichen Ausbau, aber es gibt zurzeit viel Unwägbarkeiten."
Quelle: ntv.de, dpa/rts