Wirtschaft

Letzter Interessent springt ab Endgültiges Aus für Neckermann

Unter 50 ernsthaften Interessenten fand sich keiner, der sich eine Zukunft für Neckermann vorstellen konnte.

Unter 50 ernsthaften Interessenten fand sich keiner, der sich eine Zukunft für Neckermann vorstellen konnte.

(Foto: REUTERS)

Das Aus für den insolventen Versandhändler Neckermann ist besiegelt. Trotz intensiver Bemühungen aller Beteiligten habe sich kein Investor entschließen können, Neckermann zu übernehmen, teilt die Insolvenzverwaltung mit. Der Blick in die Bücher war offenbar zu abschreckend. Die Angestellten sehen nun einer Schließung innerhalb weniger Tage entgegen.

Für die rund 2000 Beschäftigten des insolventen Versandhändlers Neckermann hat sich die letzte Hoffnung zerschlagen: Auch die Gespräche mit dem einzig verbliebenen Interessenten seien gescheitert, teilte der Insolvenzverwalter mit. Die Geschäftsleitung von Neckermann müsse den Betrieb deshalb bis zum Sonntag schließen. Die Schuld für das Scheitern sieht der Insolvenzverwalter bei den Vorbesitzern Neckermanns: Alle Interessenten schreckten vor der Höhe der für eine Sanierung nötigen Investitionen zurück, nachdem sie einen Blick in die Bücher geworfen hatten.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Joachim Kühne hatte aus rechtlichen Gründen trotz der letzten Gespräche mit dem noch verbliebenen Interessenten bereits am Mittwoch das Aus für Neckermann ankündigen müssen. Die Mitarbeiter wurden bereits über ihre bevorstehende Entlassung informiert. Nur eine kleine "Rumpfmannschaft" soll in Frankfurt die Arbeiten zur Abwicklung des Unternehmens begleiten.

Ein Ausverkauf sei nicht geplant, die restlichen Waren gingen an Großabnehmer, sagte der Frankfurter Gewerkschaftssekretär Wolfgang Thurner. Bereits in den vergangenen Wochen waren Produkte mit hohen Rabatten an die Kunden gebracht worden. Viele Artikel erscheinen auf der Internet-Seite bereits mit dem Vermerk "ausverkauft". Laut Insolvenzverwalter Kühne wird noch so lange ausgeliefert, wie Waren über die Seite bestellbar sind.

Arbeitsagentur bereits aktiv

Die Arbeitsagentur hat die Daten der Neckermann-Mitarbeiter bereits in der vergangenen Woche aufgenommen, damit ihre Ansprüche nicht verloren gehen. Genaue Zahlen liegen nach Angaben einer Sprecherin der Regionaldirektion Hessen noch nicht vor.

Problematisch ist der Umstand, dass anders als bei der Drogeriekette Schlecker viele Neckermann-Beschäftigte aus einem Gebiet, dem nahen Frankfurter Umland, kommen. Die hessischen Agenturen haben zwar rund 2500 sozialversicherungspflichtige Jobs in Logistik- und Verkehrsberufen in ihrer Datei und auch im Handel sind über 3000 Stellen unbesetzt. "Diese Zahlen sind aber hessenweit. Es kommt jetzt auch auf die Flexibilität der Leute an", sagte die Sprecherin.

Große Logistikzentren mit Personalbedarf lägen beispielsweise in Ost- und Nordhessen. Bereits auf der ersten Jobbörse bei Neckermann hatten Amazon und weitere Logistiker wie die Deutsche Post um Fachkräfte geworben. Chancen könne auch der erhöhte Personalbedarf der Logistiker in der Vorweihnachtszeit eröffnen, sagte die Sprecherin weiter. Die Chancen auf eine Übernahme in einen unbefristeten Job seien immer gegeben.

In den Neckermann-Büros und -Hallen herrschte jedoch Endzeitstimmung. "Viele haben sich schon voneinander verabschiedet. Es war sehr emotional", berichtete Betriebsratschef Thomas Schmidt, der mit seinen Kollegen auch zu einer letzten Betriebsratssitzung zusammengekommen war. Viele Arbeitnehmer haben nahezu ihr ganzes Berufsleben bei dem Versandhandel bestritten

Mit dem Ausscheiden des letzten Interessenten ist das einst zu den führenden Versandhäusern Europas gehörende Unternehmen 62 Jahre nach seiner Gründung Geschichte - ein Schicksal, dass der von Josef Neckermann gegründete Konzern mit der ehemaligen Arcandor-Konzernschwester Quelle teilt. Gerettet werden konnte lediglich die auf Übergrößen spezialisierte Tochter "Happy Size", die mit 80 Arbeitsplätzen an den Konkurrenten Klingel aus Pforzheim verkauft wurde.

Fataler Zahlen in den Büchern

Das Aus zeichnete sich bereits vor zwei Wochen ab. Die Insolvenzverwalter aus der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle werfen dem Management unter dem bisherigen Eigentümer, dem Finanzinvestor Sun Capital, indirekt Geldverschwendung vor. Die Interessenten hätten vor allem moniert, dass über einen langen Zeitraum hinweg nicht kostenbewusst gewirtschaftet worden sei. Überall seien sie bei ihrer Prüfung auf die sichtbar schlimmen Folgen für die Wirtschaftlichkeit des Betriebs gestoßen. Die Kanzlei hatte nach eigenen Angaben mehr als 200 Interessenten angesprochen. 50 hätten Neckermann auf Herz und Nieren geprüft.

Sun Capital hatte 2008 die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen. Der US-Finanzinvestor drehte im Juli den Geldhahn zu, nachdem er nach eigenen Angaben 200 Millionen Euro investiert hatte. Nicht von der Insolvenz betroffen ist der Touristik-Anbieter Neckermann Reisen, der seit längerem zu Thomas Cook gehört.

Neckermann hatte mit seinem Kataloggeschäft und dem berühmten Slogan "Neckermann macht's möglich" über Jahrzehnte den Versandhandel in Deutschland geprägt. Auf das boomende Internetgeschäft hatte der Konzern aber zu spät gesetzt. Zudem haben zahlreiche Eigentümer- und Managementwechsel wichtige Investitionen zum Beispiel in die Informationstechnologie verhindert.

Quelle: ntv.de, sla/AFP/rts/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen