Die Busch-Trommel Endspiel oder Endzeit
15.06.2010, 07:37 Uhr
Friedhelm Busch
Das "härteste Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik" bietet wenig Substanz. Aber solange alle mit Podolski & Co beschäftigt sind, wird das kaum auffallen, prophezeit n-tv Börsenkommentator Busch.
Das kommt dabei heraus, wenn die politische Führung mit dem Boulevard poussiert und sich darauf beschränkt, der veröffentlichten Meinung hinterherzulaufen. Aber irgendwann muss auch der gewiefteste Taktierer seine Worthülsen durch scharfe Munition ersetzen, weil die Bürger sich nicht mehr zufrieden geben mit dem inhaltsleeren Ungefähren; dann werden konkrete Maßnahmen gefordert, mit konkreten Folgen.
Die überfällige Abkehr vom jahrzehntelangen deutschen Wohlstand auf Pump ist jetzt solch eine Situation. Doch nun muss die sonst doch so instinktsichere Bundeskanzlerin erkennen, dass schon die ersten Trippelschritte ihrer Regierung nicht aus dem Schuldenstaat heraus, sondern in den Abgrund hinunterführen könnten. Natürlich muss die Staatsverschuldung endlich gestoppt werden! Und heute ist auch die richtige Zeit dafür. Die Schwäche des Euro, die Krise der EU, das eigene Grundgesetz, das alles zwingt geradezu zur Umkehr. Also wann, wenn nicht jetzt? Insofern hatte Frau Merkel ja völlig Recht, den Bundesbürgern das härteste Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik zu präsentieren.
Aber bereits nach dem ersten Blick steht das Urteil der Experten fest: Zu wenig Substanz, zu viel leeres Stroh. Schon deshalb ist es ein beleidigender Unsinn aus den Reihen der Opposition und der Gewerkschaftsbewegung, uns vorzugaukeln, die geplanten zaghaften Rückschnitte legten die Axt an die Wurzel des deutschen Sozialstaates, wären gar eine Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens in unserem Lande. Nein, die Rücknahme des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger ist logisch, der Wegfall der erst vor kurzem gewährten Heizkostenzuschüsse ist angesichts der gesunkenen Gaspreise nur konsequent. Was die Bundesregierung bei ihren Sparabsichten allerdings völlig außer Acht gelassen hat, ist der hohe Stellenwert des deutschen Sozialstaates in der breiten Bevölkerung.
Sparen? Nicht mit uns!
„ Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen“ psalmodiert jetzt die Straße unter dem Dirigat der Gewerkschaften, Sozialisten und Kommunisten. Und ungebetene Mitläufer sprengen zur Bekräftigung ihrer Wut schon mal ein paar Polizisten ins Krankenhaus. Die Botschaft ist klar: Von den deutschen Sozialausgaben darf kein Jota gestrichen werden! Wohl bei den Griechen, den Portugiesen, den Spaniern, aber doch nicht bei uns! Wenn schon „gespart“ werden soll, dann bitte schön bei den Reichen, den Banken, den Spekulanten, bei den Verursachern der Finanzkrise. Denen muss man durch höhere Steuern und Zwangsabgaben ihre obszönen Gewinne nehmen! Eine groteske Schlussfolgerung. Als ob die seit Jahrzehnten ausufernde deutsche Staatsverschuldung allein Folge der internationalen Finanzkrise gewesen wäre. Jetzt fallen der Regierung ihre einseitigen Schuldzuweisungen an diese „skrupellosen“ Finanzspekulanten auf die Füße. Wer schnell und laut genug auf andere als Verursacher der Finanzkrise verweist, lenkt geschickt ab von der eigenen Mittäterschaft.
Hätte die Bundesregierung aus taktischen Gründen, jenseits jeder wirtschaftlichen und verfassungsrechtlichen Überzeugung, an dieser Stellschraube gedreht, schon um die soziale Balance zu wahren, wäre ihr zumindest der Schlagzeilenjubel der Massenmedien sicher gewesen. Wenn jetzt die Provinzfürsten und das parlamentarische Fußvolk der Union in Panik geraten, weil ihnen vielleicht auch noch die letzten Wähler von der Fahne gehen, wenn bei ihnen eine berufliche Endzeitstimmung um sich greift, dann ist es nur menschlich, die Schuld dafür der eigenen Führung anzukreiden und auf der Protestwelle mitzuschwimmen. Wenn die Parteispitze nicht mehr für die notwendigen Wählerstimmen sorgt, muss sie halt ausgetauscht werden. Möglichst noch vor den nächsten Wahlen. Also ganz schnell. Das ist nun mal so in der Politik. Das haben Kohl und Schröder erlitten, und auch Westerwelle wird bald um diese Erfahrung reicher sein. Selbst für unser aller Angela geht es jetzt runter auf der Beliebtheitsskala der Boulevardpresse. Stufe um Stufe fallend.
Da mag es widersinnig klingen, dass die internationalen Finanzmärkte trotz dieser politischen Gemengelage recht optimistisch in die Zukunft blicken. Doch die Aktienkurse steigen nicht ohne Grund: Das deutsche Sparpaket wird sich angesichts dieser explosiven Gegenwehr der Straße sehr bald als Muster ohne Wert erweisen. Und wenn schon Deutschland nicht spart, werden die anderen Europäer es auch nicht tun. Aus der Ecke droht also der weltweiten Konjunkturerholung keine Gefahr. Allenfalls könnte China mit steigenden Zinsen das Ende des billigen Geldes einläuten und den Börsenoptimisten die Laune verderben. Bevor es aber so weit ist, begeistern sich die internationalen Anleger an positiven Konjunkturdaten, steigen die Aktienkurse. Auch den Bundesbürgern sind nach dem glanzvollen Auftakt der Fußballweltmeisterschaft die Ängste der Politiker und selbst das Problem der Staatsverschuldung offenbar völlig egal. Wenn die deutsche Nationalmannschaft gar Weltmeister werden sollte, würde sogar eine Mehrwertsteuererhöhung als Petitesse im kollektiven Jubel untergehen. Angela Merkels Zukunft hängt also ab von Podolski & Co. Endspiel statt Endzeit! Die Lage ist hoffnungslos, aber doch nicht so ernst. Prost!
Quelle: ntv.de