Mario Draghi hilft Schäuble Erhöht Flüchtlingskrise Anleihezinsen?
24.10.2015, 13:21 Uhr
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
(Foto: picture alliance / dpa)
Neue Schulden statt der schwarzen Null - die milliardenschweren Kosten für Flüchtlinge sind eine Herausforderung für den Bund. Mancher erwartet, dass Finanzminister Schäuble nun höhere Zinsen für neue Schulden zahlen muss.
Die Flüchtlingskrise zwingt Finanzminister Wolfang Schäuble zu schnellem Handeln: Ende September hat er einen zweiten Nachtragshaushalt vorgelegt. Demnach wird die bisher für dieses Jahr vorgesehene Entlastung der Länder und Kommunen um eine weitere Milliarde auf nunmehr zwei Milliarden Euro aufgestockt. Darüber hinaus bildet der Bund eine Rücklage in Höhe von fünf Milliarden Euro, die ab dem Jahr 2016 zur Finanzierung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen eingesetzt werden kann.
Laut der Fachleute im Finanzministerium sollen sich die Flüchtlingskosten auf deutlich mehr als zehn Milliarden Euro belaufen. So sei ein milliardenschweres Wohnungsbauprogramm notwendig. Außerdem bräuchten die Länder mehr Hilfen vom Bund als die für 2016 zugesagten drei Milliarden Euro. Die Mehrkosten könnten sich somit auf noch einmal zehn Milliarden Euro belaufen, die der Bund aufnehmen muss.
Bund sammelt 200 Milliarden im Jahr ein
Der Bund emittiert pro Jahr Anleihen im Volumen von knapp 200 Milliarden Euro, um damit die alten, auslaufenden Anleihen zu refinanzieren. Vor dem Hintergrund sind zusätzliche Kosten von zehn Milliarden zur Bewältigung der Flüchtlingskrise keine große Summe, denn sie belaufen sich auf lediglich fünf Prozent des Emissionsvolumens des Bundes. Von diesem Effekt kann kein Druck auf die Zinsen nach oben ausgehen.
Noch viel eindeutiger wird die Sache, wenn man die zehn Milliarden Euro mit dem gigantischen Gelddruckprogramm der EZB vergleicht. Sie druckt 60 Milliarden Euro monatlich und kauft dafür Staatsanleihen, Asset Backed Securities (forderungsbesicherte Wertpapiere) und Pfandbriefe. Seit dem Start des Programms im März hat die EZB bereits für 478 Milliarden Euro Papiere gekauft, davon 343 Milliarden Euro Staatsanleihen.
Bei der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung vor wenigen Tagen hatte EZB-Chef Mario Draghi gesagt, dass die EZB nicht nur darüber nachdenke, das bis September 2016 laufende Programm zu verlängern, sondern es sogar aufzustocken. Die EZB sei für eine ganze Reihe von Instrumenten offen. So werde die Senkung des Einlagenzinses diskutiert. Das ist der Zinssatz, den die Banken normalerweise für das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken. Der Zinssatz liegt aktuell aber bei minus 0,2 Prozent – sprich die Banken zahlen Strafzinsen. Bald schon könnte es möglicherweise minus 0,3 Prozent oder mehr sein.
Draghi übertrumpft Bernanke
Dabei ist schon das jetzige Programm astronomisch. 60 Milliarden Euro pro Monat summieren sich auf 720 Milliarden Euro pro Jahr. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Eurozone von zehn Billionen Euro sind das herbe 7,2 Prozent. Im Vergleich dazu das Kaufprogramm des ehemaligen US-Notenbankchefs Ben Bernanke: Er hatte 2013 für 40 Milliarden Dollar Hypothekenanleihen und für 45 Milliarden Dollar Staatsanleihen gekauft – macht 85 Milliarden Dollar pro Monat, also 1020 Milliarden Dollar pro Jahr. Gemessen an der 2013er-Wirtschaftsleistung von 16,8 Billionen Dollar belief sich das Kaufprogramm auf 6,1 Prozent. Gemessen an der Wirtschaftsleistung druckt Draghi also noch mehr Geld als Bernanke.
Wenn der EZB-Chef sein Programm auf 80 oder 100 Milliarden Euro aufstocken sollte, dann spielt es für den Anleihenmarkt absolut keine Rolle, ob Deutschland wegen der Schuldenkrise zehn Milliarden Euro Schulden mehr machen sollte. Das zeigen die Zinsen unmissverständlich an. Nach Draghis Ankündigung sind die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen von 0,58 auf 0,49 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist der Bund-Future auf 157,7 Punkte nach oben geschossen. Ein Zinsanstieg ist nicht in Sicht. In der Erwartung, dass die EZB im Dezember die Details des neuen Programms vorlegen wird, dürfte der Druck auf die Zinsen in den nächsten Monaten zunehmen und im Gegenzug der Bund-Future tendenziell steigen.
Quelle: ntv.de