Spanien an die kurze Leine Eurozone gibt den Kurs vor
13.03.2012, 07:16 Uhr
Spanien muss sein ausgeufertes Defizit mit verstärkten Sparanstrengungen in den Griff bekommen.
(Foto: REUTERS)
Nachdem Spanien seine Zielvorgaben beim Defizitabbau für dieses Jahr verfehlt, erhöhen die Finanzminister der Eurozone freundlich, aber bestimmt den Druck auf die Regierung. Von nun an gelten klare Ansagen, was die Euro-Partner von Madrid künftig erwarten. Übt man dieses Jahr noch Nachsicht, gelten ab kommendem Jahr dafür umso strengere Vorgaben.

Nein, Eurogruppen-Chef Juncker will dem spanischen Wirtschaftsminister de Guindos nicht an den Kragen.
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Die gute Nachricht für Spanien lautet: Die Eurozone verschafft dem Land wegen der drohenden Rezession in diesem Jahr noch einmal mehr Luft beim Abbau seines Haushaltsdefizits. Die Finanzminister des Währungsraums erlaubten der Regierung in Madrid für 2012 einen Fehlbetrag von 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach dem ursprünglichen Plan sollte Spanien eigentlich ein geringeres Minus von 4,4 Prozent erreichen.
Entscheidend sei, dass sich die Regierung zur Einhaltung der Drei-Prozent-Schwelle des Stabilitätspakts 2013 verpflichtet habe, erklärte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker die Nachsicht der Währungspartner nach der Sitzung in Brüssel. Der in der Schuldenkrise verschärfte Pakt zum Abbau der Staatsschulden werde damit nicht aufgeweicht. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, angesichts der schrumpfenden Wirtschaft sei die Änderung der Vorgabe nur vernünftig.
Eurozone übt "vernünftige" Nachsicht
Nach wochenlangem Drängen hinter den Kulissen erreichte die neu gewählte konservative spanische Regierung, dass die Einsparungen in diesem Jahr nicht mehr so hart wie nach dem ursprünglichen Plan ausfallen müssen. Spanien argumentierte, die Wirtschaft rutsche 2012 in die Rezession mit einem BIP-Rückgang von 1,7 Prozent. Außerdem sei die Ausgangslage mit einem Defizit von 8,5 Prozent 2011 schlechter als im Ursprungsplan der EU angenommen. Ministerpräsident Mariano Rajoy wollte das Defizit deshalb nur auf 5,8 Prozent drücken. Die Euro-Finanzminister rangen der Regierung nun einen zusätzlichen Abbau von 0,5 Prozent des BIP ab. Der Sparschritt von diesem auf das nächste Jahr muss dann aber größer ausfallen als bisher gedacht.
Rehn rechtfertigte das Entgegenkommen mit dem Hinweis, der Pfad zum Abbau der Schulden müsse glaubwürdig sein. In der Schuldenkrise war der Stabilitätspakt verschärft worden, damit Länder bei einem Abweichen von den Sparzielen früher als bisher mit Geldbußen zum Schuldenabbau gezwungen werden können. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Kommission noch damit gedroht, Spanien zu bestrafen.
Zweite Chance für Griechenland
Grundsätzlich grünes Licht gaben die Finanzminister für das zweite Hilfspaket für Griechenland, das damit vorerst vor der Pleite gerettet ist. Das überschuldete Griechenland musste allerdings trotz schärferer Rezession den Sparkurs verschärfen, um mit einem zweiten Rettungspaket vor der Pleite bewahrt zu werden.
Die Eurogruppe stimmte den letzten noch ausstehenden Elemente des 130 Mrd. Euro teuren Programms zu, das auf ein erstes Kreditpaket von 110 Mrd. Euro folgt. Die Menge an öffentlicher Hilfe der Euro-Länder und des IWF sei beispiellos, sagte Juncker. "Das ist eine zweite Chance für Griechenland - eine, die nicht versäumt werden darf." Die Finanzminister verschwendeten keine Zeit mit Gedanken an ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone.
Neben dem Spar- und Reformprogramm ist der Verzicht privater Gläubiger auf mehr als 100 Mrd. Euro Anleiheforderungen Bedingung für die zweite Rettungsaktion. Nach Angaben der griechischen Regierung machen 96 Prozent der Gläubiger mit. Die Schuldenquote könne damit bis 2020 sogar auf 117 statt auf die bisher angenommenen 120,5 Prozent des BIP sinken, sagte Juncker. Nach letzten formellen Schritten in nationalen Parlamenten werde das zweite Paket am Mittwoch endgültig besiegelt. Am Donnerstag wird der IWF entscheiden, ob er dem Vorschlag seiner Chefin Christine Lagarde folgt und sich daran mit 28 Mrd. Euro beteiligt.
Debatte über Personal und ESM noch offen
Noch keinen Beschluss fassten die Finanzminister über anstehende Spitzenpersonalien. Die Besetzung des frei werdenden Postens im EZB-Direktorium wurde erneut verschoben. Diplomaten zufolge soll über diese Stelle im Paket mit anderen Schlüsselpositionen entschieden werden: Offen ist, ob Eurogruppen-Chef Juncker ab Juli eine weitere Amtszeit als Vorsitzender der Finanzminister übernimmt. Ferner steht die Nachfolge des deutschen Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) in London und die Leitung des ESM an. Diese könnte der Chef des derzeitigen Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, übernehmen.
Weiter schwelt auch der Streit über eine Ausweitung der Mittel des ab Juli geplanten Rettungsmechanismus ESM über die Grenze von 500 Mrd. Euro hinaus. Darüber werde beim informellen Finanzministerrat Ende März in Kopenhagen entschieden, sagte Juncker. Rehn bekräftigte seine Forderung, das Kreditvolumen zu erhöhen. Auch fast alle Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) halten das für notwendig. Doch der größte Garantiegeber Deutschland sperrt sich bisher dagegen, da die Krise nach Ansicht der Bundesregierung nach der zweiten Rettungsaktion für Griechenland abflauen wird.
Quelle: ntv.de, ddi/rts