Verbot von Aktien-Leerverkäufen Experten bezweifeln Wirksamkeit
12.08.2011, 15:23 Uhr
Eigentlich sind Leerverkäufe eine zulässige Handesstrategie.
(Foto: Reuters)
Frankreich, Spanien, Italien und Belgien ziehen bei den Leerverkäufen die Notbremse. So soll Spekulanten die Möglichkeit genommen werden, aus der Verbreitung falscher Gerüchte Profit zu schlagen. Deutschland reichen die Maßnahmen nicht. Die Bundesregierung verlangt ein europaweites Verbot, weil Spekulanten auf andere Börsenplätze auswichen.
Ein Verbot riskanter Aktiengeschäfte in vier Euro-Ländern soll dem Ausverkauf von Finanztiteln Einhalt gebieten. Frankreich, Italien, Spanien und Belgien, deren Bankaktien an den Börsen zuletzt besonders unter Beschuss geraten waren, untersagten den Leerverkauf von Finanzwerten. Daraufhin legten am Freitag die meisten Aktien von Banken und Versicherern in Europa zu. Experten bezweifeln aber, ob die Maßnahmen auf Dauer Wirkung zeigten. Spekulanten wichen einfach auf andere Börsenplätze aus, etwa nach London.
Die Bundesregierung forderte deshalb ein europaweites Verbot von ungedeckten Leerverkäufen. "Nur so kann einer destruktiven Spekulation überzeugend begegnet werden", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. In Deutschland sind solche Geschäfte für alle Aktien und für Staatsanleihen der Euro-Länder seit 2010 verboten.
Normale Leerverkäufe der wichtigsten zehn Versicherer- und Bankaktien müssen gemeldet werden. Pläne für eine Ausweitung hat die Finanzaufsicht BaFin nicht. Der Gesetzgebungsprozess in der EU steckt fest. Die EU-Kommission sprach sich für einen europäischen Rahmen aus. Gegen ein pauschales Verbot gibt es jedoch Widerstände, vor allem aus Finanzzentren wie Großbritannien.
Der deutsche Bankenverband kritisierte die Maßnahmen einzelner Länder: Diese führten zu einem "Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen". Wichtig seien europaweit einheitliche Vorschriften, die Leerverkäufe nicht pauschal untersagten, erklärte der Verband privater Banken.
ESMA: Keine Pläne für Ausweitung
Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Aktien und verkaufen sie, um sie zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und dem Verleiher zurückzugeben. Das kann Kursausschläge einer Aktie drastisch beschleunigen. Bei ungedeckten Leerverkäufen haben die Investoren die verkauften Papiere sich nicht einmal geliehen, was die Risiken noch erhöht. Zur Absicherung von Kursrisiken erfüllen diese Geschäfte für viele Investoren eine wichtige Funktion.
Die neue EU-Finanzmarktaufsicht ESMA erklärte, Leerverkäufe seien an sich zwar zulässig, stellten aber in Verbindung mit der Verbreitung von Gerüchten einen eindeutigen Marktmissbrauch dar. Sie koordiniert nur das Vorgehen der nationalen Börsenaufseher. ESMA-Chef Steven Maijoor sagte Reuters TV, es gebe keine Pläne für eine Ausweitung des Verbots auf andere Länder. Er wollte dies allerdings auch nicht ausschließen und forderte, europaweite Regeln müssten "so schnell wie möglich" eingeführt werden".
Die französische Aufsicht AMF kündigte ein 15-tägiges Verbot von Leerverkäufen für die Aktien von elf Banken und Versicherern an. Dazu zählen Societe Generale, BNP Paribas, Credit Agricole und AXA. In Spanien sollen 16 Finanztitel über 15 Tage geschützt werden, darunter die der Großbanken Santander und BBVA. Die belgische Behörde will Leerverkäufe von vier Finanzwerten auf unbegrenzte Zeit unterbinden. In Italien sind die Aktien von 29 Banken und Versicherern für 15 Tage betroffen. Maijoor sagte, die Verbote würden nicht auf ewig gelten.
Zahnloser Tiger
Anders als sonst sind es diesmal weniger Hedgefonds, die mit Leerverkaufs-Strategien auf einen Kursverfall wetten. Vielmehr sichern sich gewöhnliche Investmentfonds damit gegen Verluste ab. Sie warten Experten zufolge darauf, dass die Politik einen überzeugenden Plan zur Rettung des Euro vorlege. "Investoren verkaufen in Italien aus Furcht. Italienische Banken halten rund 200 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen", erklärte Analyst Davide Burani vom Fondsmanager Horatius. Es gebe keine Anzeichen für Leerverkäufe außerhalb der Norm. Auch die BaFin hat keine Auffälligkeiten festgestellt.
Experten halten das Verbot für einen zahnlosen Tiger. Die Spekulanten könnten leicht auf andere Börsenplätze ausweichen. "Das ist einer dieser Schritte, zu denen Politiker greifen, wenn sie keine anderen Pfeile mehr im Köcher haben", kritisierte Regulierungsspezialist James Angel von der Georgetown University in Washington. Als Leerverkäufe auf Finanztitel nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman 2008 für drei Wochen fast überall auf der Welt verboten waren, konnte das den Kursverfall nicht aufhalten. Durch das Verbot könnten Investoren sogar zum Verkauf ihrer Aktien gezwungen werden, was den Kursverfall beschleunige, warnten Analysten. Der Markt könne austrocknen und somit Kursschwankungen noch größer werden.
Quelle: ntv.de, rts