SNB spricht eigenen Chef frei Fall Wulff auch in der Schweiz
05.01.2012, 10:32 UhrZentralbank, Regierung und Wirtschaftsprüfer sind sich sicher: Der Schweizer Notenbankchef hat sich bei Dollarkäufen seiner Frau nicht unzulässig bereichert. Doch wie in Deutschland auch debattieren die Eidgenossen nun darüber was rechtens ist - und was richtig.
Eine Devisentransaktion der Frau des Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sorgt in der Schweiz für Aufregung. Regierung und Bank stellen sich hinter Philipp Hildebrand, dennoch werden die Stimmen nicht leiser, die weitere Aufklärung über die Hintergründe von Dollar-Käufen fordern, die Kashya Hildebrand zu einem heiklen Zeitpunkt tätigte.
Sie hatte im August Dollar gekauft. Drei Wochen später legte die SNB für den Euro eine Kursuntergrenze von 1,20 Franken fest und kündigte an, diese Grenze wenn nötig mit unbegrenzten Marktinterventionen zu verteidigen. Dies führte zu einer sprunghaften Höherbewertung der US-Währung zum Franken. Die Notenbank reagierte damit auf die anhaltende Franken-Stärke, die der Exportwirtschaft schweren Schaden zufügte.
PWC erteilt Absolution
Die Notenbank veröffentlichte nun die Ergebnisse der beim Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers (PWC) in Auftrag gegebenen Untersuchung der Devisenkäufe. PWC stieß auf keine Sachverhalte, aus denen geschlossen werden müsste, dass der Notenbank-Chef das SNB-Reglement über Eigengeschäfte mit Finanzinstrumenten nicht eingehalten habe.
Gleichwohl stufte PWC die Transaktion als "heikel" ein. Doch zugleich bescheinigte der Wirtschaftsprüfer Hildebrand, dass er zunächst keine Kenntnis von der Transaktion seiner Frau hatte und später sofort Transparenz sicherstellte. "Deshalb ist auch bei dieser Transaktion kein Missbrauch von privilegierten Informationen anzunehmen", hieß es in dem PWC-Bericht weiter.
Dem PWC-Bericht zufolge erzielte Kashya Hildebrand im Zeitraum 15. August bis 4. Oktober 2011 einen Währungsgewinn in Höhe von 75.000 Franken. Pikant dabei ist: Am 6. September setzte die SNB eine Euro-Kursuntergrenze für den Franken fest, woraufhin Euro und Dollar deutlich anzogen.
Medienberichten zufolge investierte Kashya Hildebrand ursprünglich rund 500.000 Franken. "Mein Interesse am Dollarkauf war dadurch motiviert, dass er auf einem Rekordtief und fast lächerlich billig war", erklärte Hildebrand kürzlich im Schweizer Fernsehen. Sie habe 15 Jahre lang in der Finanzbranche gearbeitet. Zudem würden 70 bis 80 Prozent der Transaktionen der von ihr in Zürich geleiteten Kunstgalerie in Dollar abgewickelt. Sie habe den Kauf der zuständigen Stelle bei der Schweizerischen Nationalbank gemeldet und es habe keine Einwände gegeben.
Bank-Mitarbeiter reichte Daten weiter
Nun wurde bekannt, wer die Affäre ins Rollen gebracht hat. Ein Informatik-Mitarbeiter der Bank Sarasin, die Gelder der Familie Hildebrand verwaltet, gab dem Institut zufolge zu, die Daten weitergereicht zu haben. Die Unterlagen gelangten schließlich zu einem politischen Widersacher Hildebrands, Christoph Blocher von der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Medienberichten zufolge handelte der Sarasin-Mitarbeiter aus persönlichen und moralischen Motiven. Sarasin zufolge habe der inzwischen entlassene Mitarbeiter die Unterlagen mit den Banktransaktionen einem der Schweizerischen Volkspartei nahe stehenden Anwalt gegenüber offengelegt. Dieser habe sich dann im November mit Blocher getroffen. Den Berichten zufolge soll sich Blocher damit an die Schweizer Regierungschefin Micheline Calmy-Rey gewandt haben. Ein Regierungssprecher bestätigte lediglich, dass die Bundespräsidentin im Dezember von Dritten Informationen über Devisentransaktionen Hildebrands erhalten und eine Prüfung eingeleitet habe. Blocher wollte sich einem Sprecher zufolge nicht äußern.
Der SVP-Politiker ist einer der prominentesten Kritiker Hildebrands. Ein erster Stein des Anstoßes waren Devisenmarktinterventionen im Jahr 2009, mit denen die SNB gegen die Aufwertung des Franken gegenüber dem Euro vorging und dabei einen Milliardenverlust in Kauf nahm. Blocher legte Hildebrand damals den Rücktritt nahe und forderte, die Nationalbank müsse sich auf ihre geldpolitischen Kernaufgaben konzentrieren.
Kritik an Hildebrand wird lauter
Nach Einschätzung vieler Zeitungskommentatoren hat die Notenbank Schaden genommen, vereinzelt wird sogar ein Rücktritt Hildebrands gefordert. Bisher stand in der Affäre vor allem die Rolle seines Widersachers Blocher im Fokus. Viele Kommentatoren vermuteten, dass Blocher mit den Informationen den SNB-Präsidenten destabilisieren wollte.
Doch nun hat sich der Wind gedreht. Selbst die zurückhaltende "Neue Zürcher Zeitung" ortet "dringenden Klärungsbedarf". Die Finanzgeschäfte des Ehepaars Hildebrand zeugten "nicht von großer Trittsicherheit bei der heiklen Gratwanderung zwischen der Glaubwürdigkeit des würdevollen Amtes und der Notwendigkeit, sein familiäres Leben trotz der Bürde des Funktion auch finanziell selbstbestimmt führen zu dürfen", schrieb der NZZ-Chefredakteur.
Für die "Neue Luzerner Zeitung" bleibt auch nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts ein ungutes Gefühl. Für ein abschließendes Urteil sei es zu früh. "Fest steht aber schon jetzt, dass die Nationalbank in den letzten zehn Tagen Schaden genommen hat." Hildebrands Glaubwürdigkeit sei angekratzt. "Es wird ihm nicht leichtfallen, das Vertrauen zurückzugewinnen."
Einen Schritt weiter geht die Berner Zeitung: "Wenn die Stabilität der Nationalbank nicht gefährdet werden soll, bleibt jetzt nur eine Möglichkeit: Hildebrand muss seinen Posten räumen." Nur so bleibe die Notenbank handlungsfähig.
Öl ins Feuer gießt die Blocher nahestehende "Weltwoche". In einem Artikel titelt die Wochenzeitung "Spekulant Hildebrand" und bezichtigt den SNB-Präsidenten, Insidergeschäfte zu betreiben und die Öffentlichkeit zu belügen.
Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts/DJ