Wirtschaft

Schleppender Kampf Finanzkrise ohne Lerneffekt

Mit der Lehman-Pleite fing das Debakel an.

Mit der Lehman-Pleite fing das Debakel an.

(Foto: REUTERS)

Der große Knall kam am 15. September. Lehman Brothers, renommierte Investmentbank, Legende der  Wall Street, brach zusammen. Die Schockwellen der Detonation brachten zunächst andere Großbanken an den Rand des Ruins, dann rissen sie die Weltwirtschaft in die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Als Politiker und Ökonomen in den Trümmern nach den Ursachen der Krise fahndeten, war schnell klar: Die Banken hatten zu lange nach Gutdünken gewagte Geschäfte gemacht und Risiken verdrängt. Nur neue Regeln und neue Werte für den Finanzsektor würden die nächste Krise verhindern helfen. Doch ein Jahr danach ist ungewiss wie nie, ob die Lehren der Krise gezogen werden.

"In Deutschland gibt es bis jetzt fast nur Maßnahmen zum Krisenmanagement", sagt Dorothea Schäfer, Finanzmarkt-Expertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). So gebe es Staatshilfen für Banken, die Immobilienbank Hypo Real Estate sei verstaatlicht und sogenannte Bad Banks für faule Wertpapiere  geschaffen worden. "Was aber neue Regeln angeht, um solche Krisen zu verhindern, gibt es bisher nicht mehr als Initiativen."

Politiker und Ökonomen sind sich einig: Eine weltweite  Finanzkrise kann nur über europäische oder globale Regeln verhindert werden. Den bisher größten Anlauf für eine weltweite Einigung gab es im April beim G-20-Gipfel in London. "Eine neue Weltordnung", verkündete der britische Premierminister Gordon Brown damals. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen schärfere Risiko-Regeln für Banken und die Schaffung unabhängiger Rating-Agenturen zur Bewertung von Finanzprodukten. Und den Grundsatz: Kein Finanzprodukt darf unreguliert sein.

Internationaler Totalausfall

Hat irgendjemand irgendetwas gelernt?

Hat irgendjemand irgendetwas gelernt?

(Foto: AP)

Doch bisher sind dies nur Absichten, umgesetzt ist kaum etwas davon. "Bis jetzt gab es bei der Bankenregulierung einen Totalausfall der internationalen Kooperation", sagt Henrik Enderlein, Professor für politische Ökonomie an der Hertie School  of Governance in Berlin. Der nächste G-20-Gipfel steht Ende September in Pittsburgh an. Inzwischen deutet sich an, dass die USA und Großbritannien mit ihren großen Finanzsektoren sich gegen Reformen sperren. "Ich habe sehr wenig Hoffnung mit Blick auf Pittsburgh", sagt Enderlein.

Ob die Banken-Regulierung gelingt, das geht auch die Verbraucher hierzulande an. "Das Prinzip des Gipfels von London, dass kein Angebot und kein Markt ohne Regulierung bleiben sollen, ist natürlich auch gut für den Verbraucher", sagt Steffen Küßner vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Denn zu den Opfern von unreguliertem Banken-Unwesen zählten auch viele deutsche Bankkunden.

Nicht nur die Anleger, die Lehman-Zertifikate gekauft und alles verloren hatten. "Bürger müssen seit gut zehn Jahren immer mehr Finanzprodukte kaufen, etwa für die private Altersvorsorge", erläutert Küßner. Aber die Regeln seien der neuen Zeit nicht angepasst worden: "So waren viele Verbraucher darauf zurückgeworfen, Dinge abzuschließen, mit denen sie sich nie beschäftigt haben.»

Erste Lehren aus der Krise seien mit einem kürzlich verabschiedeten Gesetz gezogen worden: Nun gibt es längere Verjährungsfristen, Bankberater müssen außerdem Protokolle von  Beratungsgesprächen anfertigen. "Es fehlen aber noch eine ganze Reihe von Dingen", sagt Küßner. So fordert er bessere Information über Anlage-Produkte und eine Stärkung der unabhängigen Finanzberatung.

Doch die Zeit könnte gegen jene arbeiten, die für neue Regeln  sind. "Der Gipfel von London war ja in einer Zeit, als es mit der  Weltwirtschaft nochmal bergab ging", sagt DIW-Expertin Schäfer. Nun gebe es Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. "Es kann sein, dass das Gefühl nachlässt, radikal etwas ändern zu müssen", sagt Schäfer. "Aber nachdem die Welt so nah am Abgrund war, hoffe ich,  dass man es sich nicht leisten wird, wieder zur Tagesordnung  überzugehen."

Quelle: ntv.de, Klaus Geiger, AFP

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