Spanien unter Druck Finanzmarkt verärgert Almunia
12.04.2012, 07:31 Uhr
Joaquín Almunia.
(Foto: REUTERS)
Die hohen Renditen für spanische und italienische Staatsanleihen stoßen bei EU-Kommissar Almunia auf Unverständnis. Ein Blick auf die Wirtschaftsdaten zeige, dass beide Länder ihre Schwierigkeiten überwinden können. Derweil steckt Spanien in der Rezession, die Arbeitslosigkeit ist die höchste der Europäischen Union.
EU-Kommissar Joaquín Almunia sieht die Euro-Sorgenkinder Spanien und Italien auf gutem Weg - und hält die Sorgen an den Finanzmärkten für völlig überzogen. "Die Märkte sind wegen allem nervös, sie sind viel zu nervös", sagte der Spanier. Es sei keineswegs das erste Mal, dass Anleger und Spekulanten an eine erneute Verschärfung der europäischen Schuldenkrise glaubten. "Von Zeit zu Zeit reagieren die Märkte übertrieben und bewegen sich wie eine Herde."
Nach Ansicht des EU-Wettbewerbskommissars ist die Lage in Spanien keineswegs so schlimm, wie der Anstieg der Zinsen für Staatsanleihen nahelege. Diese waren zuletzt für zehnjährige Anleihen auf knapp sechs Prozent gestiegen. Damit wächst die Sorge, dass Spanien Schwierigkeiten bekommt, sich zu refinanzieren - und damit letztendlich auf EU-Hilfe angewiesen ist.
Almunia gibt sich zuversichtlich
Entscheidend seien die zugrunde liegenden Wirtschaftsdaten, meinte der Kommissar. Sie zeigten, dass Spanien und Italien zwar Schwierigkeiten zu bewältigen hätten - doch dass dies zu schaffen sei. "Sowohl Spanien wie auch Italien haben sehr, sehr ehrgeizige und wichtige Reformen angestoßen", betonte der Kommissar. Beide Länder müssten auf diesem Weg unbeirrt weitergehen. "Ich bin überzeugt davon, dass sich das auszahlen wird. Ich bin überzeugt davon, dass Spanien Erfolg haben wird."
Spanien fährt einen drastischen Sparkurs, um das Haushaltsdefizit zu senken. Das Land hatte im vorigen Jahr sein Defizitziel von 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weit verfehlt. Auch die für 2012 ursprünglich angestrebte Marke von 4,4 Prozent kann es nicht erreichen, so dass Madrid mit der EU einen neuen Wert von 5,3 Prozent aushandeln musste.
Doch die Sparmaßnahmen lasten auf der ohnehin schon schwachen Konjunktur. Spanien steht in diesem Jahr vor einer drastischen Rezession, die Arbeitslosenquote ist mit fast 23 Prozent bereits die höchste in der EU. Die Hälfte der Jugendlichen unter 25 Jahren hat keinen Job. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, so hat sich der Rückgang der Industrieproduktion im März beschleunigt.
Stiglitz warnt
US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnte unterdessen davor, die Krisenstaaten zu noch größeren Sparbemühungen zu drängen. Der harte Sparkurs in vielen Ländern verstärke den Abschwung, Europa drohe deshalb die zweite Rezession in kurzer Zeit, sagte der frühere Chefökonom der Weltbank der "Süddeutschen Zeitung" und fügte hinzu: "Eine Überdosis Sparen macht alles nur schlimmer." Weltweit gebe es kein Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land genesen ließen.
Almunia unterschied zwischen dem Zentrum der Krise und den Rändern. "Wir müssen uns die Realität ansehen und diese zeigt, dass es in der Tat Probleme gibt", räumte Almunia ein. Griechenland, das mit milliardenschweren Hilfsprogrammen vor der Pleite gerettet wurde, sei "die Herausforderung Nummer eins" für Europa. Die Krise konzentriere sich auch auf Portugal und Irland, die ebenfalls internationale Hilfe erhalten.
"Um diese Gruppe von Ländern herum gibt es andere, die ebenfalls Ungleichgewichte aufweisen und große Volkswirtschaften sind, wie Italien und Spanien." Mit dem Begriff "Ungleichgewichte" werden gängigerweise Haushaltsdefizite, aber auch unausgewogene Handelsbilanzen bezeichnet. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, Spanien die viertgrößte.
"Ich werde nicht spekulieren"
An den Märkten grassiert die Sorge, dass sich die europäische Staatsschuldenkrise wieder zuspitzt und auch Spanien letztlich nach EU-Hilfe greifen muss. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte bereits dementiert, dass sein Land internationale Hilfsgelder benötige. Auch Almunia sagte: "Diese Spekulationen stammen von Spekulanten. Ich werde nicht spekulieren."
Almunia verteidigte den Sparkurs, zu dem sich die EU-Länder in der Krise verpflichtet haben. "Man kann nicht aus der Krise kommen und auf Wachstum einschwenken, ohne die Ungleichgewichte anzugehen." Deshalb müssten Sparprogramme unbedingt mit Strukturreformen verknüpft werden.
Nur gemeinsam könne Europa die Krise überwinden: "Wenn Europa nicht bereits existieren würde, müssten wir es erfinden, um die Krise besser zu lösen", sagte Almunia. Der 63-Jährige ist einer der Vize-Präsidenten der EU-Kommission und war von 2004 bis 2010 in der EU-Behörde für Währung und Wirtschaft zuständig.
Quelle: ntv.de, jga/dpa