DIW: Firmen sind Meister der Steuervermeidung Fiskus entgehen jedes Jahr Milliarden
28.05.2013, 09:45 Uhr
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fordert den Schulterschluss: Im Kampf gegen Steuer-Schlupfmodelle favorisiert er ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen Staaten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutsche Konzerne sind erfinderisch, wenn es ums Steuernsparen geht. Laut DIW gibt es seit Jahren eine Besteuerungslücke von über 90 Milliarden Euro jährlich, weil Unternehmen sich arm rechnen oder Gewinne ins Ausland verlagern. Die Nutzung von Spielräumen im Steuerrecht nehme systematisch zu, so die Experten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble müsste sich eigentlich die Finger lecken angesichts der jüngsten Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Als Kämpfer gegen die Steuervermeidung darf er hoffen, in ungewisser Zukunft durch eine effektivere Steuergesetzgebung mehr Geld für das Staatssäcksel einnehmen zu können. Denn dem DIW zufolge schleusen deutsche Konzerne immer noch Jahr für Jahr Gewinne in Milliardenhöhe am Fiskus vorbei - und das völlig legal. Das meldet "Die Welt" unter Berufung auf den jüngsten Expertenbericht, der diese Woche erscheint. Dem Blatt zufolge beziffert das DIW die Lücke mit 92 Mrd. Euro, die sich zwischen den nachgewiesenen Gewinnen der Unternehmen und den steuerlich erfassten Profiten nach den jüngsten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2008.
DIW-Steuerexperte Stefan Bach räumte dabei ein, dass die Summe mit einigen Schätzfehlern behaftet sei. Allein damit lasse sich aber eine so große Summe nicht erklären, so Bach. Bei den Untersuchungen sei das Institut auf eine "dauerhafte Besteuerungslücke" gestoßen, die seit dem Jahr 2000 stets über 90 Mrd. Euro lag. 2007 waren es sogar 120 Mrd. Sollte die Schätzung also stimmen, "zahlten die deutschen Unternehmen zwischen 2001 und 2008 nur etwa 21 Prozent Steuern auf ihre Gewinne - und damit deutlich weniger als vom Gesetzgeber vorgesehen", sagte Bach dem Blatt weiter. Warum in das Bruttoinlandsprodukt rund 90 Mrd. Euro mehr Unternehmensgewinne einfließen, als tatsächlich versteuert werden, lasse sich nicht genau erklären. Dafür sei die Datenbasis zu dünn, schreibt das DIW.
Alles nur ein Schätzfehler?
Auffällig sei das hohe Niveau an steuerlichen Verlusten und Verlustvorträgen, das die Unternehmen vor sich herschleppen. Inzwischen sind es 568 Mrd. Euro. Dies deute "auf Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen oder Gestaltungsmöglichkeiten hin, die systematisch zu deutlich reduzierten Besteuerungsgrundlagen führen", so Bach weiter.
Es scheine so zu sein, dass die Nutzung von Bilanzierungsspielräumen und Steuergestaltungen systematisch zugenommen habe. So könnten etwa drohende Verluste steuerlich sofort über Rückstellungen geltend gemacht werden, Wertzuwächse müssten hingegen erst bei Realisierung versteuert werden. Dazu komme ein generelles Problem: "Durch das komplizierte Steuerrecht und die magere Personalausstattung sind die Finanzbehörden nur bedingt in der Lage, einen effektiven Vollzug der Gesetze zu garantieren", sagte Bach.
Und wegen der starken Umverteilung im Länderfinanzausgleich hätten die Bundesländer wenig Interesse, ihre Unternehmen vor Ort allzu streng zu prüfen.
IW kritisiert Berechnung
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) mahnt in der "Welt" die Berechnungen des DIW mit Vorsicht zu genießen. "In die herangezogene Statistik fließen alle Ungenauigkeiten ein, alles was man nicht erklären kann", sagte der Steuerexperte Ralph Brüggelmann dem Blatt. Die Zahlen aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und die Daten aus dem Steuerrecht seien schwer miteinander vergleichbar. Auch weil die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erst mit vielen Jahren Verzögerung zugänglich werden. Deshalb sind die jüngsten Werte, auf die sich die DIW-Studie beruft auch aus dem Jahr 2008.
Die Finanzminister von Bund und Ländern hatten im Kampf gegen Steuervermeidungsmodelle internationaler Unternehmen jüngst die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vereinbart. Sie soll unlautere Steuermodelle der Konzerne ausfindig machen und Vorschläge unterbreiten, wie Gesetzeslücken geschlossen werden können.
Quelle: ntv.de, ddi/rts