Neuer Chef an der DIW-Spitze Fratzscher übernimmt das Ruder
31.01.2013, 13:58 Uhr
Hausnummer 58 in der Berliner Mohrenstraße.
(Foto: diw.de)
Das größte Wirtschaftsforschungsinstitut des Landes bekommt zum Monatswechsel einen neuen Leiter: Marcel Fratzscher wird künftig die Arbeit der Konjunkturforscher leiten und das Haus nach außen vertreten.

Internationale wirtschaftspolitische Analyse: Marcel Fratzschers Kenntnisse der Übertragungsmechanismen von Finanzkrisen in die Realwirtschaft beeindrucken Bert Rürup.
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Der EZB-Ökonom Marcel Fratzscher übernimmt an diesem Freitag die Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Das Kuratorium hatte den 42-Jährigen im vergangenen Sommer einstimmig berufen. Fratzscher war zuletzt Abteilungsleiter für internationale wirtschaftspolitische Analysen bei der Europäischen Zentralbank (EZB).
"Wir sind hoch erfreut und auch stolz, dass wir den DIW-Vorstandsvorsitz mit einem fachlich so überzeugenden Kandidaten besetzen können", erklärte der Kuratoriumsvorsitzende Bert Rürup. "Marcel Fratzscher hat als Makroökonom einen international hervorragenden Ruf und wird der Arbeit des DIW Berlin neue Impulse geben."
Rürup lobte Fratzschers Forschung "etwa zur europäischen Schuldenkrise, zur Finanzstabilität und zu den Übertragungsmechanismen von Finanzkrisen in die Realwirtschaft". Sein Ansatz und seine wirtschaftspolitische Erfahrung passten "ganz ausgezeichnet" zum DIW, betonte Rürup.
Fratzscher hatte seine Studienzeiten an den Universitäten Kiel, Oxford, Harvard und Florenz verbracht. Während der Asienkrise war er beim Harvard Institute for International Development in Jakarta tätig, später arbeitete er beim Peterson Institute of International Economics in der US-Hauptstadt und bei der Weltbank.
Gemeinnützig in die Grundlagen
Als neuer Mann an der Spitze des im Jahr 1925 gegründeten Instituts will Fratzscher das DIW umstrukturieren. In einem Interview hatte er zudem angekündigt, dass er dem wirtschaftswissenschaftlichen Think Tank politische Neutralität verordnen will. Ohnehin sieht sich das Haus seit jeher "als unabhängige Institution" und "ausschließlich gemeinnützigen Zwecken verpflichtet", wie es in einer Selbstdarstellung heißt. Fratzscher folgt auf Übergangschef Gerd G. Wagner, der sich wieder stärker der Forschung widmen will.
Zu seinen Kernaufgaben zählt das DIW die "anwendungsorientierte Grundlagenforschung", die "wirtschaftspolitische Beratung" und das "Bereitstellen von Forschungsinfrastruktur". Mit dem monatlichen Konjunkturbarometer und anderen regelmäßigen Veröffentlichungen zählt das DIW zu den einflussreichsten wirtschaftswissenschaftlichen Stimmen in Deutschland und Europa. Stark beachtet werden an den Märkten auch die Prognosen zum deutschen Wirtschaftswachstum.
"Stimmung spürbar verbessert"
Zuletzt hieß es in einer aktuellen Einschätzung, die deutsche Wirtschaft werde im Frühjahr wohl einer Rezession entgehen. Das Bruttoinlandsprodukt werde im ersten Quartal um 0,2 Prozent zulegen, nachdem es im vierten Quartal noch um 0,5 Prozent eingebrochen war, erklärte das DIW.
"Die konjunkturelle Flaute dürfte nur kurz sein", hatte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner die Aussichten zusammengefasst. "Durch die Beruhigung der Krise im Euro-Raum hat sich die Stimmung in den Unternehmen seit einigen Monaten spürbar verbessert." Impulse für die exportabhängige Wirtschaft seien vor allem aus den Schwellenländern zu erwarten.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa